Düsseldorf Wenn der letzte Punkt zum Abitur fehlt

Düsseldorf · Jan Weilers heiteres Hörspiel "Eingeschlossene Gesellschaft" funktioniert auch auf der Bühne.

Ein Seufzen geht durch das Lehrerzimmer. Soeben hat es an der Tür geklopft. Damit hat an einem Freitagnachmittag niemand mehr gerechnet. "Geschlossene Gesellschaft", witzelt Sportlehrer Mertens noch, als ein aufgebrachter Mann den Raum betritt. Seinem Sohn fehlt ein Punkt zur Abiturzulassung. Den möchte der Vater nun einfordern, notfalls mit Gewalt. Und da niemand ihm wirklich zuhören mag, nimmt er das gesamte Lehrerkollegium als seine Geisel. Eine Stunde haben sie Zeit, in der sie darüber beratschlagen sollen, wie es mit seinem Sohn weitergeht. Dann verschließt er die Tür. Aus der geschlossenen Gesellschaft wurde eine eingeschlossene.

Eingeschlossene Gesellschaft ist auch der Name des neuen Hörbuchs von Jan Weiler (Das Pubertier), das jetzt im Düsseldorfer Central Schauspielhaus zu sehen war und am 15. März in Köln auf der Lit.Cologne gastiert. Regie führte Leonhard Koppelmann, der mehr als 200 Hörspiele inszenierte. Ein Hörspiel auf der Bühne, das muss man sich wie ein Kammerspiel vorstellen: Die sechs Lehrer-Sprecher sitzen an einem Tisch voller Akten, Stifte und Butterbrotdosen. Neben ihnen köchelt eine Kaffeemaschine, ein Bildschirm im Hintergrund projiziert das restliche Lehrerzimmer. Etwas abseits davon sitzt der Vater, der von Jan Weiler selbst gesprochen wird. Zwar arbeiten die Schauspieler auch mit Mimik und Gestik, größtenteils wird die Handlung aber durch ihre Stimme getragen. Jeder Figur verleihen sie einen Charakter: Neben dem besorgten Vater gibt es etwa den konservativen Oberstudienrat Klaus Engelhard (Wolf Aniol), den skurrilen Chemielehrer Bernd Vogel (Reinhart Firchow) oder den loyalen Schülerliebling Holger Arndt (Florian Lange).

An jenem Abend wird im Saal des Schauspielhauses viel gelacht. Mal ist es ein bitteres Auflachen, etwa wenn die zynische Heidi Lohmann (Tanja Schleiff) ihre Schützlinge "chancenloses genetisches Gemüse" nennt oder Schülerinnen als "kleine Flittchen" bezeichnet. Mal wird aber auch über absurde Situationen gelacht. Etwa wenn der Oberstudienrat seinen Prinzipien selbst im Anblick einer Waffe treu bleibt: "Wo kämen wir denn dahin, dann haben wir bald jeden Tag Eltern mit Schusswaffen hier stehen."

Mehr als eine Stunde sitzen die Lehrer schon zusammen und beraten. Aber statt um den Schüler geht es längst um etwas ganz anderes: persönliche Fehden, Affären im Kollegium und eigenes Versagen. So hat das Stück trotz Heiterkeit seine traurigen Momente. Auch Kritik am Schulsystem und einem bestimmten Lehrertypus dringt durch. "Ich finde, dass wir uns zu wichtig nehmen", sagt schließlich Vogel, "wir sind keine Götter, die ihre Macht in Noten ausüben." Das Ende wirkt versöhnlich, und das Publikum dankt mit viel Applaus.

(ubg)
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