Wuppertal Wenn Füchse Hochzeit feiern

Wuppertal · Leo Janáeks "Das schlaue Füchslein" erlebte eine gelungene Premiere im Wuppertaler Opernhaus. In Aurelia Eggers' schöner Inszenierung erfreuen das Publikum viele kostbare Details. Hilary Griffiths dirigierte das Wuppertaler Sinfonieorchester; die Sänger brillierten.

Gelegentlich appelliert Oper mit Macht an das Abstraktionsvermögen ihrer Zuschauer. Sie hören und sehen eine Frau auf der Bühne, doch sollen sie sich vorstellen, sie sei ein Mann – denn einen solchen spielt sie offenbar. Brüste sind abgebunden, Beine stecken in Hosen, Haare bändigt eine Kurzhaarperücke, und meistens gehen diese Damenmänner in der Oper amourös auf Frauen los. Octavian in Strauss' "Rosenkavalier" ist ein solcher Verkleidungs-Trick, Cherubino in Mozarts "Figaro" ebenso, von den Hosenrollen der früheren Stilform der Opera seria ganz zu schweigen.

In Leo Janáeks Oper "Das schlaue Füchslein" liegen die Dinge noch anders – hier stellen Menschen Tiere dar, und der Sonderfall ist hier der von einem Sopran gesungene männliche Fuchs. Die Zuschauer begreifen diese Transformation meist ohne Mühen – die Phantasie ist ein anstelliger Gehilfe. Und so herrscht ganz unverbildete Freude, als das Füchslein und der Fuchs im zweiten Akt der Wuppertaler Janáek-Premiere einander umturteln, umgarnen, umschmeicheln. Die schöne Inszenierung von Aurelia Eggers ist in solchen Momenten von wundervoller Einfühlsamkeit; dieses Liebeswerben hat der Rezensent selten so innig gesehen, es zwinkerte und besaß doch Tiefe.

Eggers entschied sich, die Tiere gleichsam im Zoo zu lassen und auf der Bühne von kostümierten Menschen darstellen zu lassen, die aussahen, als gingen sie auf einen Maskenball (Kostüme: Veronika Lindner). Die Hühner glichen Can-Can-Girls, der verliebte Dachs trug eine Mütze mit Ohrenklappen und sah auch ganz triefäugig aus, und den Heuschreck krönte ein opulenter Kopfschmuck. Das forderte unsere Phantasie abermals heraus, doch weil die Welt der Füchse – Wesen in roten Strampelanzügen – farblich tadellos zu identifizieren war, verlor unser Blick das Zentrum nicht aus den Augen. Es kontrastierte exzellent mit der realen Biertrinker-Welt des Försters, des Lehrers und des Pfarrers und verlieh ihrer erotischen Traumprojektion, dem im Füchslein aufscheinenden Zigeunermädchen Terynka, eine gewisse Griffigkeit: Das Füchslein war plötzlich dieses Mädchen, dem betrunkene Hände an den Busen packten.

Etliche Male kam es zu berückenden, trennscharfen Szenen: Die Hochzeit von Fuchs und Füchsin versank im wirbelnden Nebel aus Konfetti, die Wirtshausszenen hatten Deftigkeit, doch auch Janáeks typische Melancholie, von den kleinen und großen Verwundungen, die das Füchslein anfangs, noch in Gefangenschaft, auf dem Hof des Försters unter den Hühnern, Hähnen und Försterkindern angerichtet hatte, ganz zu schweigen. Manche Situation könnte Eggers in ein, zwei Proben vielleicht noch nachjustieren; der finale Monolog des Försters, der die Kreisläufe des Lebens und der Natur gleichsam getröstet besingt, könnte noch individueller gestaltet sein – hier stand ein schmerbäuchiger Mann an der Rampe und hielt den Kopf in den Regen, der aus dem Schnürboden rieselte.

Leider muss es in den Regiegesprächen weit vor der Premiere die Überlegung gegeben haben, in diese beiden für kleinen Grenzverkehr durchlässigen Parallelwelten eine dritte Dimension einzuziehen: die des Theaters. Die Produktion spielte vor der Kulisse eines schäbig-verwitterten Bühnenhauses (Ausstattung: Stephan Manteuffel), links vorn am Proszenium türmten sich Logen, und auf der Bühne standen die ansteigenden Sitzreihen eines Amphitheaters. Diese Anordnung stellte der Phantasie allerdings einen Sperrriegel in den Blick. Sollten wir uns vorstellen, im Wald hätten die Tiere dieses verfallene Gemäuer entdeckt und in Besitz genommen? Hier wurde die Wahrscheinlichkeit auf eine zu große Probe gestellt, abgesehen davon, dass dieses Ambiente – das Theater als solches war nur durch eine bühnenhohe Foto-Tapete zu erkennen – absolut unsinnlich wirkte. Vermutlich hatten alle Beteiligten diese Lösung in einem frühen Stadium der Produktion klug gefunden, waren aber später nicht mehr imstande, sich von ihr zu verabschieden. Nun denn, wenn es auf den originalen Janáek ankam, besaß die Regie Zärtlichkeit und starke Ideen – das überwog.

Die musikalische Qualität des Abends half beim Gelingen enorm. Hilary Griffiths dirigierte das Wuppertaler Sinfonieorchester überaus beherzt, ließ der Poesie Raum, forderte aber auch rhythmische Genauigkeit ein. Das Orchester spielte prächtig. Die Sängerriege wurde angeführt von Dorothee Brandts großartigem Füchslein; beeindruckend sang Derrick Ballard den Förster, und auch die weiteren Partien waren sehr gut besetzt.

Leider fehlte der Wald an allen Ecken und Enden. Trotzdem sehr herzlicher und langer Beifall.

(RP)
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