Wenn Hippies in die Jahre kommen

Doris Dörries Komödie "Alles inklusive" erzählt einen Mutter-Tochter-Konflikt.

Ingrid hat bessere Zeiten erlebt im spanischen Küstenstädtchen Torremolinos. In den 70er Jahren war sie als Hippie-Mädchen dort, trug Blumen im Haar und sonst wenig am Leib, lebte mit der Tochter in einem Zelt, schmiedete Schmuck und versuchte so lässig und unverklemmt zu sein, wie man es von einem Blumenkind erwartet. Oft war das anstrengend.

Inzwischen ist Ingrid in die Jahre gekommen, gerade wurde sie an der Hüfte operiert, und ihre Tochter bezahlt ihr eine Billig-Reise an den Ort ihrer Flower-Power-Jugend. Nun humpelt Ingrid an Fast-Food-Frühstücksbuffets entlang und muss sich von miesen Alleinunterhaltern mit peinlichen Spielchen animieren lassen. Wenigstens gibt es Alkohol. Alles inklusive.

Doris Dörrie interessiert sich für die Verlogenheiten des Lebens, für Menschen, die einmal etwas ganz anderes wollten, dann aber doch die alte Lektion lernen mussten: Dass das Leben sich nicht planen lässt und Schuld auch mit den Jahren nicht vergeht. Ingrid war und ist eine Egoistin, darunter hat die Tochter gelitten. Schon als Kind musste Apple sich verantwortlich fühlen für die Frau mit den Blumen im Haar und hat sich eingerichtet im Hader. Mit Männern kommt Apple nicht klar, sie lässt sich ausnutzen, verfällt in dieselben Muster. Und sie kennt die Schuldige: die Hippie-Mutter, die nie wirklich Verantwortung übernehmen wollte.

In "Alles inklusive" erzählt Dörrie vor Urlaubskulisse von einem Generationenkonflikt, von alternden Rebellen und Kindern, denen Selbst- und Urvertrauen fehlen, um richtig erwachsen zu werden. Sie erzählt von Menschen, die sich arrangieren in ihren schiefen Lebensläufen, und gerade darin Tapferkeit und Menschlichkeit beweisen.

Das ist komisch wegen des Umfelds, denn natürlich kann man es lustig finden, wenn Menschen freiwillig nach Spanien reisen, um in schlechten Hotels schlechte Drinks zu konsumieren, und glauben, sie gönnten sich etwas Gutes. Doch lässt Dörrie ihre Zuschauer nie befreit lachen, es steckt zu viel Vergeblichkeit, zu viel Enttäuschung, zu viel Fremdscham in ihren Geschichten. Ihre Komödien sind immer traurig im Kern und leider auch ein wenig zu gutmeinend, zu pädagogisch.

Doch "Alles inklusive" lohnt sich trotzdem, denn Dörrie ist eine hellsichtige Chronistin unserer Zeit, die einen Blick hat für das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit und für das Leben, das immer im Niemandsland dazwischen gelebt werden muss. Dörrie schafft gebrochene Helden, die man mag, und sie hat mit Hannelore Elsner und Nadja Uhl zwei Hauptdarstellerinnen, die dem Klischee genug Widerborstigkeit entgegensetzen. Sie füllen ihre Figuren zwar aus, doch sie nehmen sie nicht ganz so ernst wie Dörrie. Das gibt der Alt-68er-Komödie an der spanischen Küste die Leichtigkeit, die wahre Tragödien brauchen.

(RP)
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