Wesel Wesel legt den Kaiser hin

Wesel · Nach einem Konflikt um Kunst und Kommiss kommt Wilhelm I. zurück.

Mit einem Kompromiss endet in Wesel die lang geführte Debatte um ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I.: Die 1946 von Unbekannten am Bahnhof vom Sockel gestürzte und beschädigte Marmorskulptur des umstrittenen Preußenherrschers kehrt Mitte April zwar in die Öffentlichkeit zurück, wird aber an einem weniger frequentierten Ort ein liegendes Dasein unter Glas fristen. Die privaten Protagonisten des Projekts hatten das gut drei Tonnen schwere Werk des Bildhauers Reinhold Begas (1831-1911), das Jahrzehnte in den hinterletzten Ecken der städtischen Depots schlummerte, stehend zeigen wollen. Das aber war den politischen Entscheidern im Rathaus suspekt. Aufschauen soll zum Kaiser keiner mehr. Und künstlerisch restauriert wird er auch nicht.

Wilhelm I. polarisiert. Den einen gilt er als Reichsgründer und in Sachen Sozialgesetzgebung als vergleichsweise fortschrittlich. Kritiker sehen in dem Preußen einen konservativen Unterdrücker und Militaristen, der als "Kartätschenprinz" die Revolution von 1848 niederschlug und später blutige Kriege führte. Entsprechend hart und lang wurde in Wesel der Konflikt um Kunst und Kommiss geführt. Denn auch der Künstler Begas galt lange als verpönt. Dass er in der Kunstwelt mittlerweile rehabilitiert ist, führt ein Kreis von Denkmalfreunden um Dagmar Ewert-Kruse, Ernst Joachim Trapp und Dominik an der Heiden ins Feld. Schon 1907, als die Figur repräsentativ am Weseler Bahnhof aufgestellt wurde, war sie von Bürgern finanziert worden. Nicht anders läuft es jetzt. Der Freundeskreis sammelt privates Geld ein und denkt, mit rund 30.000 Euro für ein Betonfundament und eine gläserner Behausung des dann liegenden Kaisers auszukommen. Standort wird nach dem mit der Stadt erzielten Kompromiss eine Stelle zwischen dem Haupttorgebäude der Zitadelle und dem Preußen-Museum sein, das derzeit vom neuen Träger Landschaftsverband Rheinland in ein Niederrheinmuseum umgewandelt wird.

Denkmalfreunde, die auch die Rekonstruktion der gotischen Rathaus-Fassade in Wesel vorangetrieben haben, argumentieren zudem mit den Verlusten im Zweiten Weltkrieg. Genau heute vor 73 Jahren begann die gewaltige Bombardierung durch die Alliierten, die Hunderte Tote kostete, die Stadt zu 97 Prozent zerstörte und ihrer Kunstschätze beraubte. Der verschrammte Kaiser ist eins der wenigen Relikte.

(fws)
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