Düsseldorf Wie Künstler Geheimdienste sehen

Düsseldorf · Eine Schau der Düsseldorfer Quadriennale zeigt eine Welt im Griff allgegenwärtiger Überwachung.

Die weltweiten Abhöraktionen der NSA, des größten Auslandsgeheimdienstes der USA, beschäftigen ebenso wie andere Bespitzelungen, Überwachungen und Manipulationen im Internet längst auch die Künstler. Einige herausragende Köpfe hat die Kunsthalle Düsseldorf nun zusammengetrommelt für einen technisch aufwendigen Ausstellungsbeitrag zur bevorstehenden Quadriennale: "Smart New World".

Die Diagnose ist inzwischen Gemeingut: Der Binär-Code regiert die Welt. Und selbst wer glaubt, er habe nichts zu verbergen, kann durch unzulässige Kombinationen von Mitteilungen über ihn in Verdacht geraten, im schlimmsten Falle sogar unverschuldet seine Existenzgrundlage verlieren. "Smart New World" lehrt seine Besucher schon im Foyer das Gruseln. Wer eintreten will, muss die Geschäftsbedingungen von "INS" unterschreiben, der "International Necronautical Society", die mit der Abwicklung des Zugangs beauftragt ist. Dabei handelt es sich um eine Versammlung von Schriftstellern, Künstlern, Philosophen und Kulturaktivisten.

Ist man in den "Kino-Saal" der Kunsthalle emporgestiegen, bekommt man von Simon Denny eine Lektion darüber, wie wir im digitalen Zeitalter noch immer analog und damit veraltet und der neuen Wirklichkeit unangemessen denken: Hinter einer Fassade moderner Schaltkästen reihen sich verschmorte Fernsehapparate auf.

Ein Stockwerk höher sitzt der New Yorker Kenneth Goldsmith zwischen Stapeln von Papier und Laptops, an denen Studenten der Kunstakademie jobben. Goldsmith lässt unablässig alte wissenschaftliche Texte aus dem Internet drucken, damit den Betrachtern bewusst wird, welche Datenmengen darin lagern. Im Vergleich zur Energie, die eine elektronische Ablage kostet, sind die Kosten des Papiers zu vernachlässigen. Mehrere Videos setzen das Thema Überwachung ins Bild. Der in Berlin lebende Israeli Omer Fast zeigt in "5000 Feet is the Best", wie Drohnen aus dieser Höhe alles, aber auch wirklich alles erfassen. Und er zeigt nachgestellte tödliche Zwischenfälle, von denen ihm ein ehemaliger Drohnenführer berichtete. Christoph Faulhaber aus Uedem dagegen führt in seinem Video "Jedes Bild ist ein leeres Bild" vor, wie Künstler ständig an die Grenzen herrschender Systeme stoßen. Die Schau der Kunsthalle setzt das digitale Zeitalter mit dessen eigenen Mitteln unterhaltsam in Szene und schafft zugleich eine Distanz der Befremdung.

Der Kunstverein im selben Haus stellt an seine Besucher die höchsten Ansprüche. Er hat eine vom Philosophen Francois Lyotard konzipierte Pariser Kunstschau aus dem Jahr 1985, "Les Immatériaux", zu einer Ausstellung über das Ausstellen rekonstruiert und ergänzt. Um Werke von Anselmo und Morellet gruppieren sich Dokumente und eine wandfüllende Rückenansicht einer Badenden – das erste mit Hilfe von Photoshop entstandene Bild. Bei der Eröffnung der Schau wird mit Hilfe einer Schwarzlichtlampe ein medienkritischer Text sichtbar werden; anschließend wird das Gerät zerstört. Eine andere Installation nimmt das absehbare Ende des Fotopapiers vorweg. "Über das Morgen hinaus" lautet das Motto der Quadriennale. Bald werden wir die Welt kaum noch wiedererkennen.

Ausstellungen vom 5. April bis zum 10. August; Grabbeplatz, Düsseldorf

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort