Düsseldorf Burroughs – Urvater der Beat-Kultur

Düsseldorf · Vor 100 Jahren wurde der US-amerikanische Kultautor geboren.

Noch im hohen Alter blieb William S. Burroughs ein Ärgernis der bürgerlichen Gesellschaft. Klapperdürr war er da schon, ausgemergelt und ausgelaugt vom Alkohol und fast lebenslangem Drogenkonsum. Kaum mehr als ein Skelett, ein makabrer Totentänzer, der partout nicht sterben wollte oder konnte. Burroughs, vor 100 Jahren als Millionärsspross in St. Louis geboren, wurde immerhin 83 Jahre alt. Bei seinem Lebensstil ist das ein Lebensalter von methusalemischen Ausmaßen.

William S. Burroughs ging es nicht ums Überleben oder Altwerden, sondern um die Erweiterung des Bewusstseins um nahezu jeden Preis. Ausprobiert hat er beinahe alles, was ihn psychedelisch vorwärtszubringen versprach. Neben dem Konsum von Drogen schöpfte er seine Erkenntnisse aus diversen kosmologischen Theorien, zwischendurch verehrte er Ron Hubbard und Scientology, bis man nicht mehr genau zu wissen schien, ob das, was man von ihm hörte und las, nun einer Erkenntnis, seiner Phantasie oder einer Paranoia entsprungen war.

Literarischer Glutkern seiner Arbeit ist das Buch "Naked Lunch" — eine Art Bewusstseinsprotokoll, um das sich natürlich auch wieder viele Legenden ranken. Danach soll das Hotelzimmer von Burroughs in Tanger übersät gewesen sein mit voll geschriebenen Manuskriptblättern. Als sei das Wort in ein Urchaos zurückgefallen. Bis seine Freunde und Brüder im Geiste, Allen Ginsberg und Jack Kerouac, sich daran machten, den Erzählstoff halbwegs zu sortieren und wieder Blatt für Blatt zusammenzusetzen.

Doch nicht immer hat dieses scheinbar entgrenzte Leben zu verlockender Freiheit geführt. Das war ein tragisches Missverständnis, und am 6. September 1951 wurde es offenbar. Burroughs lebte damals mit seiner Frau Joan in Mexiko-Stadt. Es kam wieder einmal zu einem Saufgelage, und Burroughs, der Waffennarr, wollte seine Schießkünste mit einer Art Wilhelm-Tell-Nummer demonstrieren. Dabei tötete er seine Frau. Den Behörden konnte später erklären, dass es ein Unfall gewesen sei. Nach nur zwei Wochen war er wieder auf freiem Fuß.

Das Perfide dieses Unglücks: Offenbar machte erst dieses Ereignis aus Burroughs einen Schriftsteller, wie er es später selbst bekannte; seine großen Bücher — neben "Naked Lunch" unter anderem "Junkie" — entstehen allesamt erst nach dem Unglück.

William S. Burroughs ist ein Pfadfinder seiner Generation gewesen mit seinem Widerstand gegen jede Form von Kontrolle, von Regeln und Grenzen. Medientheoretiker bewunderten ihn, Dekonstruktivisten lernten von ihm. Und viele Helden des Pop machten ihn zu ihrem Helden, Vorgänger und Urvater — Künstler und Musiker wie Andy Warhol und Frank Zappa, Patti Smith und Lou Reed. Bob Dylan lud ihn 1977 ein, sich seiner Rolling-Thunder-Tour anzuschließen. Burroughs lehnte ab mit der Begründung, dass das Angebot zu unklar sei. Dabei war der Autor selbst kaum zu fassen — ein Junkie, schwul, verheiratet, freiheitsliebend, reaktionär und Waffennarr.

Beerdigt wurde er mit seinem Lieblingsrevolver, einem Joint und einer kleinen Tüte Heroin.

Neuerscheinung William S. Burroughs: Radiert die Worte aus. Briefe 1959-1974. Nagel und Kimche, 304 Seiten, 19,90 Euro

(RP)
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