Düsseldorf Woody Allens erfolgreichster Film

Düsseldorf · In "Midnight In Paris" schickt Woody Allen einen amerikanischen Drehbuchautor der Gegenwart ins Paris der 20er Jahre. In den Zeitreisen zur Geisterstunde treten Hemingway, Cole Porter und F. Scott Fitzgerald auf. Der Film hat morgen Premiere im Frankenheim-Freiluftkino in Düsseldorf.

Woody Allen verfilmt Kulturgeschichte, und er nimmt sich für seine neue Produktion "Midnight In Paris" eine Schlüsselszene der Moderne vor, das Leben der Boheme im Paris der 20er Jahre. Wegen der Inflation konnten Amerikaner mit ihren Dollars nach dem Ersten Weltkrieg dort gut leben, zu den besten Zeiten hielten sich 30 000 von ihnen rund um Montmartre auf, darunter Künstler und Autoren wie F. Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda, Gertrude Stein, Cole Porter und Ernest Hemingway. Dessen autobiografisches Buch "Paris, ein Fest fürs Leben" ist der Schlüsseltext dieser Zeit, darin kommen sie alle vor: Picasso trifft auf Djuna Barnes, Dali auf Bunuel, Hemingway selbst spielt den Leibwächter für James Joyce, und es könnte sein, dass sich Woody Allen den Band als Vorlage für sein Drehbuch genommen hat. Entstanden ist eine in ihrem Verlauf absehbare, aber doch sehr amüsante Komödie, die nur der 75-Jährige inszenieren kann – der Stadtneurotiker verirrt sich ins Jazz Age.

Nach einem etwas länglichen Beginn, bei dem Allen zu einem kompletten Cole-Porter-Song Postkarten-Ansichten von Paris im Regen zeigt, gibt es eine Rahmenhandlung aus der Gegenwart: Gil (Owen Wilson), ein amerikanischer Drehbuchautor in der Krise, schreibt an einem Roman – etwas Großes eventuell, die Great American Novel möglicherweise, er ist sich nicht sicher. Gil macht mit seiner Verlobten (Rachel McAdams) Urlaub in Paris, ihre Eltern kommen hinzu, aber die Familie ist doch neue Welt: bisschen laut, zwischen Kunst und Kunstgewerbe macht sie keinen Unterschied, und Shopping ist das Größte. Gil kommt der Verdacht, seine künftige Gattin könnte vielleicht doch nicht die richtige sein, und so schlendert er versonnen durch die dunkle Stadt, dann schlägt es Mitternacht, und Woody Allen eröffnet das Spektakel. Geisterstunde in der Stadt der Liebe.

Ein Peugeot-Oldtimer nimmt Gil auf, er fährt zurück in die Zeit, besucht die Partys in "Deux Magots" und "La Rotonde". Woody Allen persifliert nun jede Figur, auf die Gil trifft, die Mythen der Moderne werden im Kalauer greifbar. Die Eheprobleme des stets angeschickerten Autors des "Großen Gatsby" und seiner ebenfalls schreibenden Frau etwa. Zelda Fitzgerald: "Mein Talent liegt im Trinken." F. Scott Fitzgerald: "Wohl wahr." Die Giganten schrumpfen zu Chargen, Hemingway steht auf dem Rummelplatz und brüllt: "Wer will sich prügeln?", und als Gil den Surrealisten Dali, Man Ray und Luis Bunel begegnet und ihnen anvertraut, wie schwierig es für ihn ist, morgens neben der Verlobten im Hotel zu erwachen und abends ins goldene Zeitalter zurückzukehren, antworten sie: "Du bewohnst zwei Welten, wir sehen darin nichts Seltsames."

Natürlich fühlt sich Gil nur noch unwohler in der Gegenwart, zumal er sich in Adriana (Marion Cotillard), die abgelegte Geliebte Picassos, verliebt und sie sich in ihn. Hemingway berät ihn nicht nur in Herzensangelegenheiten ("Richtige Liebe ist eine Atempause vom Tod"), er verwendet sich auch für Gils Roman. Gil: "Ich schreibe an einem Buch über einen Mann, der in einem Nostalgieladen arbeitet." Hemingway: "Was zum Teufel ist ein Nostalgieladen? So was lese ich nicht." Gil: "Schade." Hemingway: "Aber ich bringe es zu Gertrude Stein."

Die schönsten Szenen spielen dann auch in der Wohnung der Avantgarde-Dichterin Gertrude Stein, bei der die amerikanische Exil-Intelligenz auf europäische Künstler traf. Stein: "Matisse ist da." Gil: "Matisse! Was will er denn?" Stein: "Er will uns ein Bild verkaufen. Ich denke, 500 Franc sind gut." Gil: "Ja, 500 sind gut. Ich nehme auch sechs oder sieben Bilder." Einmal trifft Gil auf Djuna Barnes, die lesbische Themen in ihre Literatur einbrachte. Fitzgerald: "Sie hatten offensichtlich Spaß beim Tanzen mit Djuna Barnes." Gil: "Das war Djuna Barnes? Kein Wunder, dass sie dauernd führen wollte."

In den USA gelang Woody Allen mit "Midnight In Paris" ein kleines Kino-Wunder. Der Regisseur, der jedes Jahr einen Film dreht, ist nach langer Zeit wieder ein Kassenmagnet. Rund 47 Millionen Dollar spielte das aktuelle Werk ein, es übertrifft damit seine großen Hits aus den 70er und 80er Jahren wie "Der Stadtneurotiker" (38 Millionen Dollar), "Manhattan" (39 Millionen) und "Hannah und ihre Schwestern" (40 Millionen).

Tatsächlich treffen Allens Dialoge jedes Klischee dieser populären Epoche und ihrer Hauptpersonen. Präsidenten-Gattin Carla Bruni tritt ebenfalls auf, zweimal sogar, und sie darf als Fremdenführerin Geistreiches über Rodins Denker aufsagen. "Midnight In Paris" wirkt wie ein bildungsbeflissenes Panoptikum, der Film ist eine Geschichtserzählung neben der Kappe.

Aber wenn man überhaupt eine weitere Liebeserklärung an Paris akzeptieren möchte, dann diese.

(RP)
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