Düsseldorf Zeitreise per DNA

Düsseldorf · In der Verfilmung des Computerspiels "Assassin's Creed" triumphiert Schauspieler Michael Fassbender in einer Doppelrolle. Auch die Tricktechnik beeindruckt. Das tröstet über manche inhaltliche Schwäche hinweg.

Es klingt wie eine verrückte Reise durch die Zeit, die in der Gegenwart beginnt. Der zum Tod verurteilte Callum Lynch (Michael Fassbender) wird hingerichtet - aber nur scheinbar. Tatsächlich wird er von Wissenschaftlerin Sofia Rikkin (Marion Cotillard) und ihrem Vater (Jeremy Irons) vom Abstergo-Konzern gerettet. Für sie soll er mit Hilfe einer Maschine namens Animus Erinnerungen durchleben. Aber nicht seine eigenen, sondern die seines Vorfahren Aguilar de Nerha (ebenfalls Michael Fassbender). Der lebte 1492 zu der Zeit der spanischen Inquisition. Der Grundgedanke der erfundenen Wissenschaft in der "Assassin's Creed"-Welt: In unserem Erbgut, der DNA, sind nicht nur genetische Informationen gespeichert, sondern auch die Erinnerungen unserer Vorfahren. Das Ziel: Callum Lynch soll den berüchtigten Apfel von Eden finden, den der Assassine Aguilar 1492 vor dem geheimen Templerorden versteckt hatte. Der Orden steckt hinter dem Abstergo-Konzern und will den Apfel nutzen, um die Menschheit zu kontrollieren. Das wiederum will die Geheimbruderschaft der Assassinen verhindern.

Das klingt zunächst etwas befremdlich. Wenn man es aber akzeptiert, dann ist "Assassin's Creed" die bislang beste Verfilmung eines Computerspiels. Und das hat einen Grund: den überragenden Darsteller Michael Fassbender. Ob als leidender, traumatisierter, desillusionierter Callum Lynch, der von etwas getrieben wird, das er erst gegen Ende des Films versteht. Oder ob als kompromissloser, entschlossener, aber auch melancholischer Aguilar: Fassbender spielt beide Rollen mit einer solchen Intensität, dass der Zuschauer ihm folgt - in das Jahr 1492.

Mit viel Aufwand hat Regisseur Justin Kurzel ("Macbeth") diese vergangene Welt auf der Leinwand auferstehen lassen. Und doch ist es nur eine Kulisse: Temporeich, akrobatisch und dynamisch kämpfen, klettern, springen die Assassinen durch Andalusien. Das ist großes, mitreißendes Action-Kino. Und Kurzel hat es tatsächlich geschafft, viele Elemente der Spiele überzeugend und ohne Abstriche auf die große Leinwand zu bringen.

Wie kompromisslos der Regisseur an den Film herangegangen ist, zeigt sich in einem Detail: Alles, was 1492 in Spanien spielt, ist auch auf Spanisch gedreht - mit Untertiteln für alle, die der Sprache nicht mächtig sind. Mehr als ein Drittel des Films spielt in der Vergangenheit - nicht jeder Kinobesucher wird das gut finden, aber es schafft eine dichte, stimmige Atmosphäre.

Tatsächlich sind die Sequenzen, die im Jahr 1492 spielen, die besten des Films. Die Handlung findet aber auch in der Gegenwart statt. Und da offenbart "Assassin's Creed" einige Schwächen: Die Story, die zu den Erinnerungen aus dem Jahr 1492 führt, ist etwas zäh und statisch. Zumal es mit dem Abstergo-Gebäude über weite Strecken nur einen Handlungsort in der Gegenwart gibt. Zudem waren in den Spielen die "Edenäpfel" Hightech-Instrumente der längst untergegangenen "Ersten Zivilisation", um andere Wesen zu manipulieren. Im Film verfolgt man eine etwas andere Richtung, die nicht ganz so überzeugend ist. Auch bei der Frage nach der Herkunft des recht technisch wirkenden "Apfels" wird die "Erste Zivilisation" nur angedeutet. Für Michael Fassbender, der den Film auch mitproduziert hat, soll "Assassin's Creed" der Beginn einer Trilogie sein. Das würde zwar erklären, warum man einiges offen lässt. Aber der Zuschauer im Kino hofft auf ein paar Antworten, die es indes noch nicht gibt. Der Film lebt in den Gegenwart-Sequenzen darum von den beeindruckenden Effekten. Noch mehr setzt er aber erneut auf Michael Fassbender, der großartig mit Marion Cotillard zusammen spielt. Die beiden kennen und verstehen sich, und das sieht man auch. Schließlich standen sie ebenfalls unter Justin Kurzels Regie auch für die Shakespeares-Verfilmung "Macbeth" vor der Kamera. Cotillards und Fassbenders Rollen sind zudem die einzigen komplexen Charaktere im Film. Die Nebenfiguren wirken dagegen eindimensional und farblos. Nur Charlotte Rampling mit ihren Kurzauftritten als eiskalte Templer-Großmeisterin und Ariane Labed als Aguilars Kampfgefährtin hinterlassen Eindruck.

Am Ende steht ein optisch und tricktechnisch überaus beeindruckender Film mit einem herausragenden Michael Fassbender. Die Story dagegen muss man einfach akzeptieren, um sich in die großen Bilder fallen zu lassen.

(jov)
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