Bayreuth Zuspruch für Castorfs "Ring" steigt

Bayreuth · Bayreuther Festspiele: Die Ablehnung der Inszenierung ist längst aufgeweicht.

Nein, dieser Bayreuther "Ring" ist kein Fest für Otto Normalwagnerianer. Es gibt keinen lodernden Weltenbrand, nur ein olles Ölfass, um das die Protagonisten wie Verlorene nach der Katastrophe stehen. Regisseur Frank Castorf nimmt dafür Buhsalven entgegen; es scheint aber, dass die Zahl der Begeisterten steigt.

Am Vorabend hinterlässt Castorf mehr Ratlosigkeit. Dass er mit der Haudraufoper "Siegfried" hadert, man kann es ihm nicht verdenken. Aber die Mischung aus Zynismus und pubertärem anarchischen Gehabe, die am Ende drei Krokodile - im Vorjahr waren es nur zwei - auf einem Arrangement mit Elementen des Berliner Alexanderplatzes zu DDR-Zeiten aufscheinen lässt, ärgert, weil sie keine Zote auslässt. Ein Spaghetti-fressender Wotan, dem Erda, die bei Castorf gar nicht Urmutter-Mythische, dafür umso Puffmutter-Schweinischere, das Hosentürchen öffnet - es gibt auch subtilere Mittel für einen Regisseur, um seine Antipathie gegenüber Figuren kundzutun.

Das Feinsinnige ist nicht Castorfs Ding, damit verschenkt die Regie einiges. In der "Götterdämmerung", wo sich doch viel gegenüber dem Vorjahr verändert hat, muss eine Döner-Imbissbude für ein großes Fressen und Saufen herhalten, das den Meineid Siegfrieds begleitet. Den rechten Erkenntnisgewinn aus der riesigen Leuchtreklame für "Plaste und Elaste aus Schkopau" mag man immer noch nicht ziehen.

Vielleicht gelingen Castorf und seinem Ausstatterteam in der "Götterdämmerung" die beklemmendsten Momente. Vor allem der Schlussakt um Siegfrieds Tod zeigt eine entmenschlichte Gesellschaft. Die Art, wie Hagen Siegfried erschlägt, wie er nach dem Ring an der Leiche giert, lassen ganz aktuelle Bilder vom Flugzeugunglück aus der Ukraine aufscheinen. Man kann Castorf oft nur schwer folgen, weil er sich einem linearen Erzählstil verweigert, weil Orte für ihn allenfalls Assoziationen beschwören, worin er Wagners Leitmotivtechnik gar fern ist. Dass dieser "Ring", der Bayreuther Inszenierung Chéreaus von 1976 gleich, so nach und nach zum Publikumsfavoriten avancieren könnte - man will es dennoch nicht glauben.

Trotzdem überrascht es, wie sehr Kirill Petrenkos Dirigat diese Ästhetik aufgreift, indem es die musikalischen Strukturen ganz stark als Material begreift. Brünnhildes Schlussmonolog, das Erlösungsmotiv am Ende ohne Generalpause - da ist kein Pathos. Auch wenn Lance Ryan den letzten Akt der "Götterdämmerung" überraschend sinnlich gestaltet, die Stunden zuvor liefern vornehmlich tenoralen Brachialgesang. Catherine Fosters Brünnhilde dagegen bleibt bei aller Feindosierung ihres dramatischen Soprans unausgeglichen und mit intonatorischen Blessuren behaftet.

(RP)
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