Castleton Zwei Richter als Opernhelden

Castleton · In "Scalia/Ginsburg" werden wichtige US-Juristen zu Figuren im Musiktheater.

Als oberste Richter sind sie Kollegen und Rivalen zugleich, sie sind befreundet, beide lieben die Oper: Antonin Scalia (79) und Ruth Bader Ginsburg (82) sind in den USA so etwas wie Polit-Popstars. Die zurückhaltende, fein argumentierende Liberale Ginsburg und der zu Dramatik neigende Konservative Scalia stehen als Richter am Supreme Court seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit. Das sei guter Opernstoff, fand der junge Komponist Derrick Wang (31). Jetzt hatte sein Werk "Scalia/Ginsburg" bei dem von Stardirigent Lorin Maazel gegründeten Castleton Festival im US-Bundesstaat Virginia Premiere.

Wang kennt die juristischen Texte der beiden Star-Richter aus eigener Anschauung. Denn er ist sowohl Jurist als auch Komponist. Beim Jurastudium kam er auf die Idee, die Obersten Richter in den Mittelpunkt eines Werkes zu stellen.

"Es war zunächst nur so eine Idee", die jedoch immer konkreter wurde, sagte Wang, der in Harvard und Yale Musik studierte und danach sein Jurastudium an der University of Maryland absolvierte. Seine Oper bringt beide Interessensgebiete zusammen - und sie reicht in die große US-Politik hinein. Selbst aktuelle Streitthemen wie etwa die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare flossen in das Stück noch ein.

Die Freundschaft von Ginsburg und Scalia muss ihre gegensätzlichen Auffassungen zu Justiz und Staat aushalten. Denn zu den wichtigsten Aufgaben eines Supreme Court Justice - so der offizielle Richtertitel - gehört es, die Verfassung auszulegen sowie Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

In Wangs Oper geht es genau darum: So singt Scalia: "Ruth, kannst du nicht lesen? Du kennst den Text!" Und Ginsburg entgegnet: "Du suchst vergeblich nach einer einfachen Lösung für ein schwieriges Problem. Aber das Schöne an unserer Verfassung ist, dass sie sich genau wie unsere Gesellschaft weiterentwickeln kann."

Scalia hat bereits 28 Jahre auf der Richterbank des Supreme Court verbracht, Ginsburg 21 Jahre. Zusammen haben sie also fast ein halbes Jahrhundert Erfahrung. "Man kann an ihr absolut nichts aussetzen - außer ihrer juristischen Auffassung", sagte der Konservative Scalia einmal über seine Kollegin. Ginsburg erwiderte, ihr passe Scalias Blick auf die US-Verfassung auch nicht. Gut finde sie aber, dass diese ihn nach wie vor so fessele. Ginsburg und Scalia sehen sich regelmäßig auch privat, waren mit ihren Familien gemeinsam im Urlaub. Es gibt Urlaubsaufnahmen, wie sie auf Elefanten reiten.

In seiner Musik nimmt Wang Anleihen bei Händel, Mozart, Verdi, Puccini und anderen Komponisten. "So wie vor Gericht frühere Fälle analysiert werden, um eine neue Entscheidung zu entwickeln, nimmt die Partitur Bezug auf beliebte Opern und verwandelt sie in neue und sprühende Kommentare auf Musik und Gesetz", so Wang.

Sopranistin Ellen Wieser und Tenor John Overholt verkörperten die beiden Protagonisten. Der von Salvatore Percacciolo dirigierte, gut einstündige Einakter "Scalia/Ginsburg" wurde gekoppelt mit Maurice Ravels Einakter "Die spanische Stunde". Regie führte Maria Tucci.

(dpa)
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