Viel Geld fürs TieferlegenTuning wird in Deutschland immer beliebter
Essen (rpo). Tuning wird in Deutschland immer beliebter. Die Branche jedenfalls verbuchte im abgelaufenen Jahr ein kleines Plus von 0,5 Prozent. Doch das Tuning bringt im Alltag nicht nur Freude, wie ein Verkehrspsychologe zu berichten weiß. Trotz der vielfach miesen Stimmung - wenn es ums Auto geht, sitzt dem Deutschen der Euro offensichtlich lockerer als sonst. So wird munter angeschraubt und aufgemotzt. "Power meets Emotion" hieß nicht von ungefähr das Motto der diesjährigen Essener Motorshow.Die fahrzeugtechnische oder wenigstens optische Nähe zu Rennsportfahrzeugen verleitet erfahrungsgemäß dann manchen dazu, schneller und risikofreudiger zu fahren, weiß der Bamberger Verkehrspsychologe Martin Berger. Straßenverkehrssituationen würden tendenziell mehr als Wettkampfsituationen interpretiert, mit Folgen für mehr Kraftstoffverbrauch und mit den Risiken kostenträchtiger Crashs. Eine gefährliche Maxime, findet Berger. Denn: "Menschen mit einer problematischen Einstellung zum Straßenverkehr greifen tendenziell eher zu Tuningmaßnahmen", und diese wiederum "fördern und stabilisieren problematisches Fahrverhalten" wie risikoreiches Fahren, warnt er.Tuningfirmen werden sicher widersprechen. Ihnen hält der Verkehrspsychologe, der täglich mit Autofahrern arbeitet, die mit der Straßenverkehrsordnung in Konflikt geraten sind, die Frage entgegen: "Warum geben Menschen so viel Geld aus, um Autos zum Beispiel tiefer zu legen?" Nach seiner Ansicht verweist "die Tatsache, dass Autotuning nahezu ausschließlich ein männliches Phänomen und dabei überwiegende jüngerer Männer ist", auf einen Bereich, den er "mal grob mit Balzverhalten oder Imponiergehabe" umschreibt.Die technische Ausstattung eines Kfz solle einen Sozialstatus oder eine finanzielle Potenz anzeigen, analysiert er mögliche Hintergründe. Un- oder halbbewusst erhoffe sich der Besitzer, dass ein Betrachter vom Aussehen des Fahrerzeugs - ob bullig, chromglänzend oder extravagant - auf ähnliche oder analoge Persönlichkeitsmerkmale beim Fahrer schließt. "Ich will als potent, schillernd, kraftvoll, sportlich oder leistungsbereit erstrahlen", beschreibt der Psychologe solches Wunschdenken.Mit den meisten Tuningarbeiten werde versucht, eine fahrzeugtechnische oder wenigstens optische Nähe zu Rennsportfahrzeugen herzustellen, erläutert Berger. Der Fahrer umgebe sich mit Rennsportflair und wolle damit Leistungsfähigkeit, Risikofreude oder zumindest Leistungsbereitschaft demonstrieren - ein Zusammenhang, der auch in der Auto- und Reifenwerbung gerne benutzt werde. Auch Frauen legten zum Teil solch eine Art "Balzverhalten" an den Tag, sagt der Experte. Sie täten dies nur anders.Erwartungshaltung wird erzeugtNun kann man zu Recht einwenden, dass zu schnelles und risikoreicheres Fahren auch mit anderen Wagen geschehen kann. Nur: Wer in einem getunten Auto sitzt, erzeugt in den Köpfen anderer (Freunde, Bekannte, aber auch fremde, anonyme Verkehrsteilnehmer) eine Erwartungshaltung: "Schau Dir doch das Auto an, jetzt wollen wir doch mal sehen, was der drauf hat", sagte der Psychologe. Dieser Erwartungshaltung in den Köpfen anderer sei sich der Fahrer des getunten Kfz weitgehend bewusst - und er verhalte sich tendenziell entsprechend im Verkehr.Skeptisch? Versuchen Sie doch mal, in einem topgetunten 5er BMW auf der Autobahn Tempo 120 oder auf der Landstraße deutlich unter dem Tempolimit zu fahren. Die höhnischen Blicke der Überholenden halte nur jemand aus, der über derlei Denken steht, betont der Experte. Selbst wer keine spottenden Blicke sehe, werde oft auf solche Gedanken anderer schließen und "sein Fahrverhalten tendenziell den vermuteten oder tatsächlichen Erwartungen der anderen Verkehrsteilnehmer anpassen und Gas geben".