Niederländischer Bürgermeister "Die Maut ist gegen den europäischen Gedanken"

Düsseldorf · Jetzt ist eingetreten, was Deutsche und Niederländer in der Grenzregion seit Jahren befürchten: Verkehrsminister Dobrindt ist sich mit Brüssel in Sachen Maut einig. Bürgermeister entlang der Grenze setzen sich nun umso mehr für mautfreie Autobahnen ein.

 Niederländer in der Grenzregion sind gegen die deutschen Mautpläne.

Niederländer in der Grenzregion sind gegen die deutschen Mautpläne.

Foto: dpa, jbu vfd tba jai

Für viele Niederländer ändert sich nur noch die Bauart der Häuser, die Farbe der Straßenschilder und die Sprache. Die Landesgrenze ist längst kein Hindernis mehr für Urlauber oder Pendler, die zur Arbeit oder einkaufen wollen. So geht es auch Michael Sijbom. Er ist Bürgermeister der Gemeinde Losser, direkt hinter der niederländisch-deutschen Grenze in der Nähe von Enschede. Losser hat etwa 22.000 Einwohner.

Sijbom ist grundsätzlich gegen jede Maut. Er findet deutliche Worte für die Pläne des deutschen Verkehrsministers, eine Gebühr für das Benutzen deutscher Autobahnen zu erheben. "Das ist ein politischer Trick. Ich bin sehr enttäuscht von der Europäischen Kommission", sagt Sijbom auf Anfrage unserer Redaktion. "Es geht nur darum, das politische Gesicht eines Politikers oder einer Partei zu retten. Das ist nicht in Ordnung."

Er hoffe, dass seine Regierung Klage einreichen werde. Die niederländische Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen kündigte an, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Pläne zu klagen. Die Österreicher schließen eine Klage ebenfalls nicht aus. Wenn sich herausstellen würde, dass Österreicher diskriminiert werden, dann werde man die Maut mit allen Mitteln bekämpfen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Regierungspartei SPÖ, Anton Heinzl, am Freitag.

Sijbom erklärt, warum gerade die Grenzregion so stark von einer Autobahnmaut betroffen sei: "Für uns würde die höchste Jahresgebühr anfallen, weil wir so häufig über die Grenze fahren." Denn der Bürgermeister weiß, dass die Niederländer — im Gegensatz zu den Deutschen — keine Gebühren zurückerstattet bekämen. Die schadstoffabhängige Erstattung ist für ihn bloße Augenwischerei. "Meine deutschen Freunde ärgert das noch mehr als mich. Wir leben nicht an der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden, wir leben mitten in Europa", sagt Sijbom. "Die Maut ist gegen den europäischen Gedanken."

Der Politiker befürchtet auch wirtschaftliche Einschränkungen für die Grenzregion. Es werde für Niederländer etwas weniger attraktiv, auf der deutschen Seite der Grenze Urlaub zu machen. "Gerade die kurzen Urlaube über das Wochenende oder Tagesausflüge werden weniger, wenn man dafür Maut bezahlen muss."

Außerdem erwartet der Bürgermeister mehr Verkehr auf den Landstraßen. "Viele Menschen werden versuchen, Schleichwege zu nehmen. Damit haben unsere Bürger mehr Verkehr vor der Haustür."

Dieselbe Befürchtung teilt Mark Slinkman, Bürgermeister in Groesbeek nahe Berg en Dal. Er fragt sich, ob die Kommunen für den vielen Verkehr und die Geschäftsausfälle Ausgleichszahlungen erhalten würden. Ein rethorische Frage. Er meint, durch die neue Maut-Regelung gingen die "Pennys nach Berlin", die Pfunde hingegen verlören die deutschen Firmen in der Grenzregion. Im Sinne der europäischen Idee seien Grenzen verschwunden, Deutschland baue sie nun wieder auf.

Deutsche, die bisher zum Shoppen in die Niederlande gereist seien, würden sich nun vermutlich das Geld für die Vignette sparen und in ihrer Heimat einkaufen. "Sie werden vermutlich überdenken, wo sie ihr Geld ausgeben", sagte Slinkman unserer Redaktion. Vergleichbar sei die Situation gewesen, als Den Haag Extra-Steuern auf Benzin erhoben hatte: Damals reisten die Niederländer nach Deutschland, um dort zu tanken.

Euregio hat beim Verkehrsminister interveniert

Lossers Bürgermeister Sijbom befürchtet auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. "In Deutschland boomt die Wirtschaft, viele gering qualifizierte niederländische Arbeitnehmer haben Jobs in Deutschland." Wenn die nun Maut bezahlen müssten, befürchtet Sijbom, lohne sich für einige der Weg nicht mehr, sie würden sich in den Niederlanden arbeitslos melden müssen. "Oft liegt das deutsche Einkommen nur wenig über dem, was ein Arbeitsloser in den Niederlanden bekommen würde."

Sijbom ist genau wie viele seiner Kollegen Mitglied im Euregio-Rat. Die Euregio setzt sich für die Interessen von Kommunen und Unternehmen dies- und jenseits der Grenze ein. Der Rat hat vergangenen Freitag einen Offenen Brief an Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geschreiben und auf die nachteilige Wirkung der Gebühr hingewiesen. "Die Maut bedeutet für viele Bürger Unsicherheit über die Zahlungs- und Nachweisformalitäten, administrativen Aufwand und Angst vor möglichen Strafen." Eine Antwort auf den Brief gab es bislang nicht. Sijbom hofft nun, dass er und seine Kollegen die Möglichkeit haben, ihren Protest in Berlin vorzutragen.

(heif)
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