Autotuning im Wandel

Tieferlegungssätze und Sportauspuff machten vor Jahren aus Alltagsautos Rennwagen. Heute ist Tuning mehr als ein frisierter Motor und eine große Bass-Box.

Autotuning im Wandel
Foto: CFC-StylingStation Jordi Miranda

Wummernde Bässe, tiefergelegte Karosserien, breite Reifen - getunte Autos fallen auf. Doch Tuning ist heute mehr als dunkle Folien und große Spoiler. In den 1980er Jahren galten BMW 3er, Mercedes 190, Opel Manta und VW Golf als beliebte Tuning-Autos. Heute stehen längst auch Kleinwagen oder Luxusautos im Zentrum des Interesses.

"Tuning ist ein schönes Wort. Früher wurden Motoren getunt, dass die Schwingungswellen sich verbesserten und der Motor schöner klang. Wie bei einem Klavier. Nur, dass der Motor danach mehr Leistung hatte", sagt Paolo Tumminelli, Designprofessor an der TH Köln. Für den Wissenschaftler wandelte sich das Tuning in den vergangenen vier Jahrzehnten maßgeblich, so dass er es in drei Epochen unterteilt: Tuning zum Fahren (Motortuning), zum Zeigen (Karosserietuning) und zum Erleben (Licht-, Material- und Sound-tuning).

In den 1960er und 70er Jahren lag der Schwerpunkt auf technischem Tuning. Mechaniker frisierten Motor, Vergaser und Auspuff und bauten Spoiler, um Leistung, Sound und Fahrverhalten der Fahrzeuge zu steigern. Auch optisches Tuning mit Breitreifen und Spoiler kam damals in Mode. Den Höhepunkt feierte das optische Tuning in den 1980er und 90er Jahren. Breitbau-Karosserien, Tieferlegungen und Tönungsfolien sollten aus biederen Kompaktwagen heiße Kisten machen. Firmen wie BB, Oettinger, Rieger, Irmscher oder Strosek legten Hand an. "Der Tuner war kein Sklave der Marke, er konnte das Aussehen komplett verändern, und die Kunden bekamen ein individuelles Fahrzeug. Eines, das sich von dem Auto des Nachbarn deutlich unterschied", sagt Tumminelli. Filme über Manta-Prolls und GTI-Heizer liefen zu der Zeit erfolgreich in den Kinos.

Vor ein paar Jahren lief dieser Trend aus - ausgenommen der großen Felgen. Heutiges Tuning, die dritte Epoche nach Tumminelli, setzt mehr auf Charakter. Dazu zählen seiner Meinung nach der Wunsch nach individueller Beleuchtung innen wie außen, Soundanlagen, spezielle Lackierungen wie Thermo-Lacke und Lederpolster mit besonderer Prägung. "Heute geht es um überraschende Erlebnisse, innovative Oberflächen und stimmungsvolles Ambiente", sagt Tumminelli. Denn durch strengere Zulassungsbeschränkungen, Sicherheitsbestimmungen und Vorgaben sei der Fahrer mehr der Marke verpflichtet als noch vor Jahren. "Heute müssen Tuner die technische Substanz des Autos erhalten, sie ändern mehr den Charakter", sagt Tumminelli.

Heute wie damals sind laut Verband der Automobil Tuner (VDAT) Sonderräder, Fahrwerkskomponenten und Sportauspuffanlagen beliebt. Dazu kommen Motoroptimierung oder Komplettfolierungen. Die Auspuffanlagen mit Klappensteuerung oder Soundgenerator arbeiten heute auch leise. Karosserieteile seien dagegen weniger gefragt.

"Verändert hat sich dafür die Wettbewerbslage. Die Tuner konkurrieren nicht nur miteinander, sondern auch mit den Autoherstellern, die inzwischen sehr umfangreiche Individualisierungsmöglichkeiten anbieten", sagt Harald Schmidtke vom VDAT. Die Branche sieht er deshalb aber nicht in Gefahr: "Die Innovationskraft und Spezialisierung der Betriebe auf kleine Stückzahlen und das schnelle Reagieren auf Trends macht die individuellen Tuner weiterhin wettbewerbsfähig", sagt Schmidtke.

Auch die Tuner selbst sehen einen Wandel in den vergangenen Jahren, zumindest bei den technischen Möglichkeiten. Anders sieht es bei den Kunden aus: "Die Anforderung des Kunden ist in den vergangenen 30 Jahren gleich geblieben: Er möchte sein Fahrzeug verbessern und individualisieren", sagt Rainer Vogel, Geschäftsführer der 1987 gegründeten Firma AC Schnitzer. Gewachsen seien die Räder: Die erste AC-Schnitzer-Felge maß 14 Zoll - heute verkauft der Tuner 23-Zoll-Räder.

Brabus verfeinert schon seit fast 40 Jahren Fahrzeuge, meist Modelle von Mercedes. Wurden früher schon große Räder, Innenausstattungen und Spoiler verkauft, setzen Brabus-Kunden heute auf Leistungssteigerungen, Leichtbauteile oder Komplettumbauten. "Immer mehr Kunden wünschen nicht nur ein starkes, sondern auch ein leichtes, effizientes Fahrzeug", sagt Sven Gramm von Brabus. Außerdem seien Kunden heute in Sachen Qualität und Optik noch anspruchsvoller. Grelle Farben gebe es nur noch auf Kundenwunsch.

Die gesetzlichen Anforderungen und Auflagen für Fahrzeuge stiegen in den vergangenen Jahren - mit Folgen für die Tuner. Fußgängeraufprallschutz und Abgasnormen müssen auch veränderte Fahrzeuge einhalten. "Man kann nicht einfach ein paar Spoiler an die Karosserie schrauben oder durch einen höheren Ladedruck die Leistung fast ins Unendliche steigern", sagt Gramm. Steigt mit dem Ladedruck die Leistung, muss man auch andere Baugruppen wie den Katalysator anpassen. Dazu werden bei modernen und vernetzten Autos alle Kennfelder des Motorsteuergeräts neu berechnet. Selbst für Zusatzscheinwerfer in der Front ist ein Eingriff ins Steuergerät nötig.

Ganz anders entwickelt sich übrigens die Motorradszene. Statt auf Anbauteile, Motor- und Soundtuning setzen die Biker aufs Abspecken. Bei Café-Racern, Choppern, Bobbern und Scramblern wird viel Substanz vom Fahrzeug genommen. "Die Bikes verändern sich komplett, die Tuner bauen richtige Kunstwerke", sagt Tumminelli. So etwas wünsche er sich auch für die Autoszene.

(RP)
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