Range Rover Evoque Der kleine Lord

Düsseldorf · Die Familie Rover hat Zuwachs bekommen. Range Rover Evoque heißt der kleine Lord, der da auf die Straße geschickt wird. Ein Auto, das überall angestarrt wird.

Range Rover Evoque
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Die britische Autofamilie Land Rover ähnelt einem altenglischen Adelsgeschlecht. An der Spitze steht der beeindruckende Range Rover in der großen (und bisher einzigen) Version: Der kommt edel und vornehm daher, strahlt Seriosität und Überlegenheit aus, scheint ein "von" in der Typenbezeichnung zu tragen und ist so distinguiert, dass man ihn am liebsten nur mit Burberry-Jackett, handgenähten Pferdeleder-Schuhen, maßgeschneidertem Hemd und Paisley-Tuch besteigen und ausschließlich mit feinen Lederhandschuhen lenken möchte. Klarer Fall von Sippen-Vorstand. Deshalb ist er auch der beliebteste Off-Roader der schnieken Hamburger Gesellschaft für den Trip nach Kampen auf Sylt.

Gewollt altbacken und weich wie ein Sänfte, gänzlich ohne Krawalleffekt, sondern eindeutig Understatement ausstrahlend. Ganz anders der (auch deutlich billigere) Land Rover: bescheiden und kerniger, weniger herausragend, fast wie der bürgerlich verheiratete Bruder der an sich feinen Familie. Und regelrecht hemdsärmelig sieht der echte Geländegänger Defender aus — benimm-technisch das schwarze Schaf der Familie.

Schlammspritzer müssten eigentlich serienmäßig am Lack kleben, das automobile Ur-Viech ist eindeutig für Wald, Wiese oder Acker gemacht und man meint, gleich steigt Queen Elizabeth II. aus, nimmt sich das karierte Kopftuch aus den Haaren und wirft die speckige Barbourjacke ins geräumige Abteil hinter den Fondsitzen, wo schon ein paar gerade erlegte Moorhühner und die noch qualmende Schrotflinte liegen. Auch wenn man längst zu Ford gehört: alles very british.

Nun hat die Familie Zuwachs bekommen: Range Rover Evoque heißt der kleine Lord, der da auf die Straße geschickt wird. 2008 war er erstmals als Studie auf der Autoschau in Detroit zu sehen. Er erregte so viel Aufsehen und bekam so reichlich Beifall, dass man sich entschloss, das Ding exakt nach dem Entwurf zu bauen. Heraus kam ein Auto, das überall angestarrt wird wie sonst nur Lamborghini, Maserati, Ferrari und Porsche: Anerkennend gehen die Daumen nach oben, viele verrenken sich den Hals nach dem Wagen.

Freilich hat man dem automobilen Youngster auch eine unglaublich freche Optik aufs Blech geschneidert. Nix von vornehmer Zurückhaltung, hier ist Auffallen angesagt. Die Front mit den schräg gestellten, zur Seite in Spitzen verlaufenden Scheinwerfern empfindet man durch die leicht über die Lampen gezogene vordere Kante der Motorhaube wie einen lasziven Schlafzimmerblick, sie lässt aber am Temperament des Range-Sprosses keinen Zweifel — hoppla, hier komm ich, ist die Botschaft.

Auf jeden Fall ist den Designern bei dem Kleinen auch beim spacigen Innenraum der ganz große Wurf gelungen: Kompakt, deutlich kleiner als der Vater, sieht der Evoque aus wie ein halbstarker Mini. Die Räder sind in der Relation eigentlich zu groß für diese Karosse, aber durch die geduckte Form und die nach hinten abfallende Linienführung schaffen sie ein verblüffend harmonisches, gänzlich neues Design, das sämtliche anderen Mini-SUVs (in diese Kategorie gehört der Evoque) weit hinter sich lässt. VW-Tiguan, Audi Q 3, BMW X 3, Ford Kuga — neben dem Evoque sehen sie aus wie die buckelige Verwandschaft, die dem blaublütigen Beau bei den Mädels zähneknirschend den Vortritt lassen muss: Das Auto als Womanizer, ein George Clooney unter den Geländewagen, sozusagen.

Allzu viel sollte man aber nicht mitnehmen wollen: Zwar sitzt man vorne wie hinten im Evoque ganz kommod auf erstklassigen Möbeln, aber der Kofferraum ist bescheiden. Das jedoch wird im Zweifel keinen stören: Die Zielgruppe ist eher das junge Paar, das sich gerne in diesem Auto zeigt und mit kleinem Gepäck reist oder fürs Rimowa-Kofferset die Rückbank nutzt. Frauen werden das Auto so oder so lieben: Tüten von Abercrombie oder Louis Vuitton haben Stauraum satt.

Ach ja, der Preis: Will man den vierrädrigen Don Juan ein bisschen nett mit Einparkhilfe, Soundsystem und witzig-buntem Beleuchtungskonzept für innen, ist man schnell bei über 40.000 Euro, den angegebenen Verbrauchswerten von irgendwas um sechs Liter misstraut man zurecht — realistisch sind 8,5 bis zehn Liter (beim 190-PS-Diesel).

Und aufpassen sollte man bei den ellenlangen Listen der Farb- und Ausstattungs-Optionen: Da wird so viel optischer Schnickschnack angeboten, dass man leicht übers Ziel hinausschießen kann und aus dem pfiffigen Mini-Range eine geschmacklos-überladene Proll-Schleuder macht.

(chk)
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