Der Land Rover Defender geht schon bald in Rente

Seit 65 Jahren trotzt der Land Rover Defender jedem Trend, doch Ende 2015 ist Schluss. Die Abgasgesetze sind schuld.

Der Zweite Weltkrieg ist gerade vorbei, die Industrie in England liegt am Boden, da hat Maurice Wilks einen Traum. Der Technische Direktor bei Rover sehnt sich nach einem Auto, das genauso universell einsetzbar ist wie die Jeeps der Amerikaner, von denen er im Krieg so viele sah. "Ein Rover für den Farmer, mit dem man überall hinkommt und alles machen kann" – aus dieser Idee entsteht der Land Rover, mit dem Wilks im Sommer 1947 die erste Testfahrt um das Ferienhaus seiner Familie absolviert.

Technisch war der Allradler denkbar einfach gestrickt: Er bestand aus einem Kastenrahmen, zwei Starrachsen, einem Reduktionsgetriebe sowie einer Vorderachse, die sich über einen Zugschalter entkoppeln ließ. Für den Antrieb sorgte ein 37 kW/50 PS starker 1,6-Liter-Motor aus dem Rover-Regal. Drumherum bauten die Briten eine Karosserie aus Aluminium, die nicht nur korrosionsbeständig war, sondern auch ohne teure Presswerkzeuge hergestellt werden konnte.

Weil der Autobauer den Steuerbonus für landwirtschaftliche Fahrzeuge nicht gefährden wollte, hatte der Land Rover eine sehr spartanische Ausstattung: Ein festes Dach, gefederte Sitze oder Seitenscheiben mit Gummidichtungen galten als verzichtbar. Nur der Fahrersitz in der Mitte des Autos stach hervor. Allerdings erwies sich diese Bauart als Flop und wurde bereits nach dem ersten Prototyp wieder aufgegeben. Alle Exemplare nach dem "Hue 166" – so das Kennzeichen des von Fans heiß geliebten Erstlings – haben das Steuer auf der Seite.

Schon nach zwei Jahren wurde das Modell in 70 Länder exportiert, berichtet Land-Rover-Archivar und Firmenhistoriker Roger Crathorne. Bald gab es verschiedene Radstände und Karosserievarianten. Es folgten Ableger für Monarchie und Militär, Generationswechsel und Hunderte von Sonderkonstruktionen für jeden Einsatzzweck – zum Beispiel einen Eisenbahn-Land-Rover zum Fahren auf Schienen. Die Stückzahlen erreichten 1970 ihr Allzeit-Hoch: 56 000 Land Rover wurden damals gebaut. Heute trägt der Land Rover den Namenszusatz Defender, pro Jahr werden noch etwa 30 000 Fahrzeuge hergestellt.

Richtig viel hat sich seit den Anfangstagen nicht geändert. Zwar steckt unter der Haube mittlerweile ein 2,2 Liter großer Diesel mit 90 kW/122 PS, die Sitze haben auf Wunsch sogar beheizte Lederpolster, die Fenster bewegen sich elektrisch, es gibt eine Klimaautomatik und seit ein paar Jahren Airbags. Trotzdem legen sich allein in Deutschland jedes Jahr fast 2000 Menschen einen Gebrauchten zu. Es gibt zwar kaum ein Auto, das unbequemer ist und weniger Sicherheits- und Komfortausstattung hat. Doch das stört niemanden wirklich. Denn kaum schüttelt einen der Diesel ein bisschen durch, wird jede Landstraße gefühlt zur Dschungelpiste.

Der fabrikneue Klassiker, den es als Editionsmodell im 65-Jahre-Look gibt, ist wie ein Konzentrat aus 60 Jahren Forschergeist und Fernweh und macht aus jeder Alltagsfahrt einen kleinen Abenteuerurlaub. Dabei hat vor allem seine robuste Konstruktion den Land Rover Defender über die Zeit gerettet. Wer zufällig mal in Afrika oder im Amazonas-Delta eine Panne hat, ist dankbar, dass jeder Dorfschmied den Wagen reparieren kann.

Doch auch Legenden haben kein ewiges Leben: "Für Ende 2015 hat Land Rover den Produktionsstopp angekündigt. 2015 wird der Defender an den Abgasgesetzen und dem Fußgängerschutz scheitern und keine Zulassung mehr erhalten", sagt Boris Schmidt, der bereits mehrere Bücher über die Marke geschrieben hat. Land Rover weiß allerdings um den Image-Wert des Klassikers und arbeitet mit Hochdruck an einem Nachfolger, sagt Pressesprecherin Andrea Leitner. Sie verweist auf die IAA-Studie DC100 von 2011, die einen ersten Ausblick auf den neuen Defender geben soll. Vor 2016 sei damit aber nicht zu rechnen. Wer sich auf ein neues Modell erst gar nicht einlassen will, dem gibt Land-Rover-Historiker Crathorne einen Trost mit auf den Weg: "75 Prozent aller je gebauten Defender sind heute noch im Einsatz." Als Gebrauchter dürfte dieser Klassiker also noch eine ganze Weile zu bekommen sein.

(RP)
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