Fahrbericht: Hyundai Genesis Feinkost aus Fernost

Hamburg · Jetzt wollen es die Koreaner aber wissen: Als technologisches Aushängeschild bringen sie gegen Fünfer & Co. im Sommer ihr neues Flaggschiff Genesis in Stellung. Der Absatz ist dabei allerdings weniger wichtig. Worauf es den Aufsteigern aus Asien ankommt, ist vor allem der Abstrahleffekt des Leuchtturm-Modells

Das ist der Hyundai Genesis
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Noch vor zehn Jahren waren sie Nobodys, die ihre Autos allein über den Preis verkaufen konnten. Doch mittlerweile haben die Koreaner kräftig aufgeholt und sind an den meisten Japanern vorbeigezogen: Hyundai und Kia stehen als Konzern unter den Top-5 in der weltweiten Zulassungsstatistik und werden in einem Atemzug mit VW oder Ford genannt. Das färbt nicht nur ab auf Absatzkurven und Marktanteile, sondern auch auf das Selbstverstrauen. Denn nicht umsonst will sich Hyundai jetzt sogar in der gehobenen Mittelklasse mit den Platzhirschen messen.

Nachdem sie in Amerika und Asien mit der großen Genesis-Limousine schon einen Achtungserfolg erzielen konnten, bringen die Koreaner die neue Generation ihres Flaggschiffs deshalb im August auch bei uns in Stellung: Knapp fünf Meter lang, vorn mit einem stolzen Chromgrill und hinten mit einem fast fließenden Heck soll sich der repräsentative Luxusliner gegen Autos wie den Fünfer BMW, die Mercedes E-Klasse und den Audi A6 behaupten. Selbst ein neues Markenzeichen hat sich Hyundai dafür ausgedacht: Weil das geschwungene "H" für die Oberklasse offenbar nicht fein genug ist, fährt der Genesis quasi unter falscher Flagge und reckt ein geflügeltes "G" in den Wind, als wolle er es gleich auch noch mit Bentley oder Aston Martin aufnehmen.

Zwar weiß auch Deutschland-Chef Markus Schrick, dass diese Kampfansage kaum das Marktgefüge durcheinander bringen wird und ist deshalb froh, wenn in Bremerhaven pro Jahr eine niedrige dreistellige Stückzahl angelandet wird. Zumal er mit einem Preisziel von knapp 65.000 Euro ausgesprochen selbstbewusst kalkuliert, weil er das Auto auf keinen Fall verramschen möchte. "Wir wollen zeigen, dass wir auch Luxus und Technologie beherrschen", sagt Schrick mit Blick auf die noble Fünf-Meter-Limousine und ihre endlos lange Ausstattungsliste: So bietet der Genesis nicht nur reichlich Platz unter einem riesigen Panoramadach und jede Menge elektrischer Helfer, sondern auch ein großes Navi samt iDrive-Controller wie beim BMW, es gibt ein Head-Up-Display, das ähnlich scharf und vielfältig ist wie bei Mercedes, und mindestens so viel Assistenzsysteme wie bei Lexus & Co: Vom Tempomat mit Abstandsregelung und Notbremsfunktion bis zum Einpark-Roboter und der Spurführungshilfe — fehlen eigentlich nur noch die LED-Scheinwerfer und ein Nachtsichtsystem.

Da müssen die Koreaner zwar passen. Doch zumindest mit zwei Details gehen sie sogar in Vorlage: Als erste bauen sie eine Klimaanlage mit CO2-Sensor ein und mischen automatisch mehr Frischluft ins Gebläse, wenn der Sauerstoff knapp wird und deshalb die Konzentration des Fahrers beeinträchtigt werden könnte. Und wo andere noch mit der Gestensteuerung für den Kofferraumdeckel zufrieden sind, muss man bei Hyundai nur lange genug hinter dem Auto stehen, schon schwingt die Klappe wie von Geisterhand auf. "Und anders als bei unseren deutschen Kollegen ist all das bei uns serienmäßig an Bord", sagt Produktmanager Grégoire Patrigot: "Auswählen muss der Kunde nur noch bei den Lackfarben und dem Design des Interieurs — natürlich ebenfalls ohne Aufpreis."

Dazu gibt es einen Antrieb, der sich zumindest auf dem Papier vor E-Klasse & Co. nicht verstecken muss. Schließlich steckt unter der Haube ein 3,8 Liter großer V6-Motor, der seine 232 kW/315 PS und bis zu 397 Nm über eine achtstufige Automatik an alle vier Räder verteilt, das Dickschiff in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt und genau wie zum Beispiel der Fünfer über einen Fahrerlebnisschalter verfügt: Auf Knopfdruck soll der Luxusliner deshalb den Charakter wechseln und mal betont komfortabel durch die Landschaft gondeln und dann wieder beherzt die Kurven kratzen.

Im Prinzip ist das kein schlechtes Paket. Doch in der Praxis kann der Genesis die Erwartungen dann kaum erfüllen, die Hyundai mit dem vor allem zur Abgrenzung vom mittlerweile eingestellten Coupé gewählten Beinamen "Sportlimousine" weckt. Denn dafür geht zu viel Leistung im Räderwerk der butterweichen Automatik verloren, die Unterschiede zwischen den einzelnen Fahrmodi kann man trotz fast völlig variabler Kraftverteilung zwischen den beiden Achsen eher hören als fühlen. Und wer mit den Geschäftslimousinen aus Deutschland mithalten will, der darf seinem Flaggschiff nicht freiwillig bei 240 km/h den Saft abdrehen. Außerdem könnte die Lenkung etwas gefühlvoller und das Fahrwerk zumindest im Sportmodus etwas straffer sein, wenn man sich ausgerechnet den Fünfer zum Vorbild nimmt.

Und sonderlich sparsam ist der Genesis auch nicht: Mit Blick auf den US-Markt ohne Start-Stopp-Automatik entwickelt und mit all der Ausstattung schnell über zwei Tonnen schwer, gönnt sich der Fünfer aus Fernost schon auf dem Prüfstand stolze 11,6 Liter und in der Praxis auch ein paar mehr — zumindest in dieser Disziplin steht der Genesis den echten Sportlimousinen in seiner Klasse also in nichts nach.

So ambitioniert der Genesis bei Auftritt, Ambiente und Ausstattung auch sein mag, so halbherzig ist deshalb das Engagement der Koreaner beim Antrieb. Das weiß auch ihr europäisches Management. "Wenn wir wirklich Stückzahlen machen wollten, dann bräuchten wir natürlich einen Diesel", räumt ein Verantwortlicher aus dem Marketing ein. Doch für ein paar hundert Zulassungen sei dieser Aufwand nicht gerechtfertigt. Und viel mehr Autos werden es auch bei optimistischster Betrachtung nicht werden, räumt der Mann mit Blick auf die starken Platzhirsche ein. "Schließlich bewegen wir uns hier in der Höhle der Löwen." Aber schon dafür braucht es schließlich jede Menge Mut und mehr Selbstvertrauen, als man den Koreanern noch vor zehn Jahren zugetraut hätte.

(SP-X)
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