Fahrbericht: Honda CB 650F Günstig muss nicht billig sein

Benidorm · In der Vierzylinder-Mittelklasse hat Honda Boden verloren. Mit der neuen CB 650F, technisch etwas weniger aufwändig angelegt als das Vorgängermodell und in Thailand preiswerter produziert, will man dank günstigerem Preis wieder nach vorne kommen.

Die Honda CB 650F
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Erfahrene Motorradfahrer, die seit Jahren mit technisch höchstgerüsteten und extrem leistungsstarken Motorrädern unterwegs sind, werden sich mit der neuen Honda CB 650F langweilen. Das wissen auch die Honda-Mannen in Japan wie in Europa. Aber Massenhersteller wie Honda brauchen auch Fahrzeuge für andere Zielgruppen im Programm. Beispielsweise solche, die ihre auf 48 PS begrenzte Führerschein-A2-Zeit hinter sich gebracht haben und erstmals ein Motorrad mit unlimitierter Leistung fahren dürfen. Für diese Leute und auch jene, die ganz bewusst nicht 100 oder gar 160 PS unterm Hintern haben wollen, hat Honda die komplett neue, unverkleidete CB 650F mit Vierzylinder-Reihenmotor entwickelt. Besonders einfache Fahrbarkeit stand ganz oben im Lastenheft der Techniker. Der erste Kontakt in der bergigen Region von Benidorm/Spanien hat gezeigt: Dieses Ziel wurde erreicht. Glanzvoll sogar.

Nein, Naserümpfen ist nicht angesagt, auch wenn die Technikelemente der CB 650F von eher einfacherer Art sind. Die 41 mm-Telegabel ist nicht einstellbar, der neue Reihenvierer leistet "nur" 64 kW/87 PS. "Nur" deshalb, weil man schon seit Jahrzehnten aus diesem Hubraum an die 120 PS zu kitzeln vermag. Es gibt auch keine Traktionskontrolle und kein Integralbremssystem; statt letzterem wird eine solide Dreischeibenbremsanlage mit — immerhin — radialer Bremssattel-Anlenkung montiert, die über ein kostengünstiges und relativ leichtgewichtiges Zweikanal-ABS abgesichert ist. Die Bremse ist den Fahrleistungen absolut gewachsen sowie gut dosierbar, und auch das ABS kommt seiner Aufgabe, wenn nötig, unauffällig nach.

Obwohl das Vorgängermodell CB 600 Hornet mit allerlei technischen Feinheiten ausgestattet war und deshalb von Technik-Fans ernster genommen wurde, hatte seine Attraktivität gelitten. Die CB 650F sollte als Nachfolgemodell deshalb neu positioniert werden: Nicht spektakuläre Technik-Details sollten überzeugen, sondern ein auskömmliches Gesamtpaket für höchst unterschiedliche Nutzer. "Die Spreizung der Ansprüche ist bei einem Nakedbike, das als echter Allrounder im Streetfighter-Stil angelegt ist, besonders groß", sagt Projektleiter Yoshiyuki Kurayoshi. Für ihn hieß das: Leichtes Handling und einfache Fahrbarkeit sind besonders wichtig, Höchstleistung und Technik-Gimmicks dürfen entfallen.

So entschied sich Kurayoshi statt für ein prestigeträchtigen Aluminiumchassis für einen Stahlrahmen; der freilich ist pfiffig — nämlich aus ovalen Rohren — konstruiert, so dass die CB 650F eine sehr schlanke Erscheinung geworden ist. eine konventionelle Gabel wählte er, weil sie einen vorteilhafteren Schwerpunkt möglich macht; ihre schweren Elemente sind tiefer positioniert als bei einer Upside-down-Gabel. Es ging beim Konzept der CB 650F zwar durchaus um niedrige Herstellungskosten und die Verwendung preisgünstiger Teile, aber es ging nicht darum, ein billiges Motorrad zu bauen. Denn Honda hat hohe Ansprüche an seine Produkte.

Mit ihrem deutschen Verkaufspreis von 7.955 Euro ist diese durchaus gut anzusehende Honda auch kein billiges Motorrad. Andere japanische Hersteller können billiger — wie, bleibt freilich ihr Geheimnis. Abgesehen von einigen wenigen Details wie beispielsweise den arg klobig wirkenden Blinkern, der nicht vorhandenen Verstellmöglichkeit des Kupplungshebels oder der fehlenden Lenker-Bedienung des kleinen Bordcomputers macht die CB 650 einen durchaus wertigen Eindruck: Sehr saubere Schweißnähte, ergonomisch günstig geformte Lenker-Bedienungselemente und einwandfrei verlegte Elektrokabel untermauern, dass Honda in punkto Verarbeitungsqualität Wert auf seinen guten Ruf legt.

Ist die CB 650 F, der man etwas despektierlich die Funktion eines "Brot- und Butter-Motorrads" zuweisen könnte, aufgrund ihrer Konzeption und ihrer überschaubaren Motorleistung nun ein weiblicher Biedermann geworden? Sicher nicht. Denn ihre Motorleistung ist auf Landstraßen — Autobahnen sind grundsätzlich nicht das bevorzugte Revier von Nakedbikes — prima abrufbar: Der recht drehmomentstarke und wunderbar elastische Vierzylinder-Reihenmotor glänzt mit gutem Durchzug und bis etwa 8.000 Umdrehungen auch vibrationsfreien Lauf. Weiter oben fallen dann die für diesen Triebwerkstyp üblichen feinen Schwingungen auf; sie stören aber nicht. Die Motorleistung ist gut dosierbar und angenehm abrufbar; lediglich beim schnellen Wechsel von Schub auf Last geht das Triebwerk etwas hart ans Gas. Die Sechsgangschaltung arbeitet leichtgängig und präzise, die Kupplung ebenso.

Aus den hier genannten Gründen hat sogar echt engagiertes, sportliches Fahren auf sehr kurvenreichen Land- und Bergstraßen mit der CB 650F ausgesprochen gut funktioniert. Dabei zeigte sich deutlich, dass in dieser Fahrzeugkategorie eine ordentliche Grundabstimmung des Fahrwerks in Verbindung mit einem auch schon bei mittleren Drehzahlen leistungsfähigen Triebwerk zu großem Fahrspaß führen kann. Yoshiyuki Kurayoshi hat das gesteckte Ziel erreicht.

(SP-X )
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