Mittelklasse-Limousine im Test Infiniti Q50 — Angriff auf BMW, Audi und Co.

Barcelona · Mit dem Q50 installiert Infiniti nach rund fünf Jahren eine neue Mittelklasse und will mit dynamischer Optik Kunden aus dem deutschen Premium-Lager abziehen. Zudem hat der Japaner aber auch eine echte technische Revolution zu bieten.

Das ist der Infiniti Q50
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Das ist der Infiniti Q50

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Wenn schon neu, dann auch richtig: Der Infiniti Q50 ist das erste Markenmitglied des japanischen Premium-Herstellers, das die neue Nomenklatur mit vorangestelltem Q für sämtliche Modell-Linien von Beginn an nutzt. Doch das ist letztlich nur ein Hinweis auf die inneren Werte der frisch entwickelten Mittelklasse.

Japanische Nobelmarken haben es in Deutschland schwer, da muss das Motorenprogramm schon stimmen. Daher gibt es den Infiniti auch mit einem Vierzylinder-Diesel, der von Mercedes zugesteuert wird. Mit 2,1 Litern Hubraum und 125 kW/170 PS ist der Hecktriebler ordentlich motorisiert und mit 4,4 Liter auch sparsam. Ab 34.350 Euro gibt es den Q50, der neben Selbstverständlichkeiten wie Klimaautomatik und Radio immerhin auch mit Bluetooth-Freisprechanlage, Rückfahrkamera und schlüsselfreiem Startsystem aufwartet, aber kurioserweise auf Stahlfelgen steht. Der Kunde darf wählen zwischen einem manuellen Sechsgang-Getriebe oder einer siebenstufigen Wandlerautomatik; wer die höchste Ausstattungslinie "Sport" (ab 41.480 Euro) ordert, bekommt nicht nur LED-Vollscheinwerfer, sondern auch ein revolutionäres Lenksystem.

Beim so genannten DAS (Direct Adaptive Steering) gibt es keine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und den Rädern mehr. Der Fahrer kann außerdem frei konfigurieren, wie direkt oder komfortabel eingelenkt werden soll und welche Lenkübersetzung er gerne hätte. Da stellt sich natürlich gleich die Frage: Wie viel Fahrbahnkontakt vermittelt eine solche Lenkung?

Sportmodus auf Landstraßen

Auf holprigen Strecken jedenfalls ziemlich wenig — rütteln die Lenkräder konventioneller Systeme die Fahrer-Arme auf Schlagloch-Passagen ordentlich durch, bleibt "DAS" völlig gelassen; man könnte gar die Hände vom Volant nehmen, ohne dass der Q50 die Fahrtrichtung ändern würde. Bei windungsreichen Landstraßen ist natürlich der Sportmodus angesagt. Dann wird das Lenkrad spürbar schwergängiger und direkter. In der Tat vermittelt der Hecktriebler viel Spaß auf der Landstraße, durchläuft Wechselkurven auf Wunsch in rasanter Gangart, ein Restgefühl von synthetischer Anmutung kann die Lenkung aber nicht leugnen. Und was passiert eigentlich, wenn die Elektronik einmal versagt? Ingenieur Takeshi Kimura beruhigt: Im Notlaufmodus stellt eine Kupplung die mechanische Verbindung zu den Rädern her, so dass konventionell in die Werkstatt gelenkt werden kann.

Bei den Aggregaten bietet Infiniti keine großen Wahlmöglichkeiten: Wer die Brot- und Butterlösung mit bezahlbarem 170 PS-Diesel ablehnt, wird quasi in die Sportabteilung geschickt. Dann übernimmt ein Team aus 50 kW/68-Elektromotor und 3,5 Liter großem V6 den Antrieb, um insgesamt 268 kW/364 PS auf die Räder loszulassen. Mit zwei Kupplungen und zwischengeschalteter Siebengang-Automatik gehört das bereits aus der größeren M-Limousine bekannte Hybridsystem zu den aufwendigeren Lösungen, arbeitet allerdings flüssig. Wann gerade welche Maschine für Bewegung sorgt, erfährt man von der Infografik.

Umfangreiches Assistenz-Package

Der im oberen Drehzahlbereich kernig klingende und außerdem mächtig anschiebende Sechszylinder mit Elektrounterstützung (5,1 Sekunden bis 100 km/h) muss mit 51.356 Euro allerdings auch üppig abgegolten werden. Wer zusätzliche 2500 Euro investiert, bekommt sogar Allradantrieb. Weitere Möglichkeiten zum Geldausgeben bestehen durchaus. So kostet ein umfangreiches Assistenz-Package 2600 Euro und bietet neben den Klassikern wie Spurhalte-Warner oder Totwinkelüberwachung auch ein automatisches Notbremssystem inklusive aktivem Tempomat und einer Spurhalte-Einrichtung, die aktive Lenkeingriffe vornimmt, um den Wagen auf Kurs zu halten.

Der Infiniti Q50 zeigt sich aber auch als gelungener Reiseprofi mit ausladenden Platzverhältnissen vorn und hinten. Beim Interieur haben die Verantwortlichen einen Mix aus Tradition und Moderne geschaffen und die Instrumente beispielsweise erstaunlich konventionell belassen. Rundskalen mit mechanischen Zeigern treffen auf eine knöpfchengespickte Landschaft, da haben Markenneulinge einiges zu erlernen. Immerhin erlaubt die Tastenstruktur eine intuitive Bedienung.

Zwei Bildschirme — einer für die Farbkarte des optionalen Navis (2400 Euro) und ein weiterer für die umfangreiche Menü-Auswahl — sorgen für leuchtende Augen bei der Technik-Fraktion. Eine graphische Darstellung der G-Kräfte kommt aus dem Reich der liebenswürdigen Spielereien, und darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Vielzahl von Apps zu nutzen. Design-Liebhaber dagegen sind auf der Suche nach einem Schuss mehr Eigenständigkeit. Der zweifellos drahtig gezeichnete Mittelklässler ringt nach Markenidentität mit Zitaten von BMW, Lexus und Mazda.

Händlernetz verdreifachen

Unterm Strich aber haben die Verantwortlichen ein gelungenes Fahrzeug auf die Räder gestellt, dessen Verkaufserfolg nicht nur durch fehlendes Image und den ausbleibenden Kombi gefährdet ist, sondern vor allem durch fehlende Händler. Infiniti-Vorstandsmitglied Fintan Knight gelobt Besserung und möchte das Vertriebsnetz von derzeit 60 Händlern in Europa, davon bisher nur fünf in Deutschland, bis 2017 gerne verdreifachen. Was dann allerdings immer noch ein eher bescheidenes Netz wäre.

(SP-X)
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