Luxus-E-Auto im Test Ist der Tesla Model S sein Geld wert?

Düsseldorf · Dass ein Tesla Model S längsdynamisch eine echte Hausnummer ist, steht außer Frage. Doch kann es die Limousine auch bei Fahrgefühl, Komfort und Verarbeitung mit der Premium-Konkurrenz aufnehmen?

Test: Tesla Model S 100D - Luxus mit ein paar Schwächen
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Tesla Model S 100D - Luxus mit ein paar Schwächen

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Foto: Tesla

Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn sich das Model S von Tesla lautlos vom Parkplatz bewegt und in den Straßenverkehr einfädelt. Dort wähnt man sich — so völlig ohne Antriebsgeräusche und lokale Emissionen — stets wie ein Fremdkörper.

Denn obwohl im ersten Halbjahr 2017 mehr als doppelt so viele Elektroautos verkauft wurden wie im Vorjahreszeitraum, die Stromer stellen immer noch eine winzig kleine Minderheit auf unseren Straßen dar.

Aber warum eigentlich? Sicher, im Anschaffungspreis sind die meisten E-Autos noch weit von den gängigen Verbrennermodellen entfernt und auch das Ladenetz ist bisher recht dürftig ausgebaut. Aber rein fahrdynamisch betrachtet, bieten E-Autos wie das Model S einen großen Reiz.

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Foto: Faraday Future

Zwar beschleunigt die 100D-Variante (ohne Performance-Zusatz "P") "nur" in 4,3 statt in 2,7 Sekunden (wie der P100D) aus dem Stand auf Tempo 100, das augenblicklich einsetzende Drehmoment von 660 Newtonmeter ist jedoch ein ums andere Mal beeindruckend.

So wird nicht nur der ständige Stop-and-Go-Verkehr in der täglichen Rush-Hour zur leisen und sanften Angelegenheit, auch kurze Zwischensprints auf Autobahn und Landstraße gelangen selten gleichzeitig so entspannt und druckvoll.

Mit 310 kW/422 PS ist das zweitschnellste Model S zwar ähnlich großen Limousinen vom Schlage eines BMW M5 (447 kW/608 PS) oder Cadillac CTS-V (477 kW/649 PS) nominell unterlegen, die Faszination einer ansatzlosen und flüsterleisen Beschleunigung bietet allerdings in diesem Vergleich nur der Tesla.

Doch selbst wenn man das Beschleunigungsverhalten eines Model S 100D unbedingt loben muss, am Ende einer Geraden kommt auch immer eine Kurve. Und hier büßt der Elektro-Pionier gegenüber der Konkurrenz viele Punkte wieder ein. Um diese Kritik zu rechtfertigen, muss man vielleicht erst einmal einen Blick auf das Model S als "Gesamtkunstwerk" werfen.

Die automatisch ein- und wieder ausfahrenden Türgriffe, der klar strukturierte Innenraum mit dem gigantischen Infotainment-Bildschirm und das klinisch-saubere Beschleunigen nehmen es vorweg: Das Model S ist eigentlich mehr rollendes Smartphone als klassisches Auto. Die Lenkung vermittelt zwar einen ausreichend großen Widerstand, um das Fahrzeug nicht permanent korrigieren zu müssen, eine wirkliche Rückmeldung von der Straße lässt sie allerdings nicht zum Fahrer durchdringen.

Gleiches gilt für das Fahrwerk. Der Tesla ist nicht unbequem und liegt dank seines tiefen Schwerpunkts auch recht satt auf der Straße, adaptive Dämpfer für verschiedene Einsatzzwecke des Autos wären dennoch wünschenswert.

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Foto: Opel

So setzt der Stromer zwar alle Fahrbefehle recht gut um, eine wirkliche Verbindung zum Auto kommt allerdings nicht auf. Man fühlt sich eher wie in einer manuell gesteuerten S-Bahn. Nicht ganz ausreichend dimensioniert erscheint außerdem die Bremse, die mit dem 2,1 Tonnen Koloss bei flott angefahrenen Autobahn-Abfahrten oder auf einer Passstraße leichte Probleme bekommt.

Zu den weiteren negativen Punkten zählen kleine Dinge, die Design und Bedienung angehen und zeigen, dass das Model S als erstes Fahrzeug von Tesla noch nicht zu 100 Prozent zu Ende gedacht ist.

So sorgt die Abwesenheit des Heckscheibenwischers zwar für ein schlankeres Erscheinungsbild, nach einem Regenguss bleiben die Wassertropfen allerdings sehr lange auf dem Glas zurück. Das löst etwa Porsche beim mit einer ähnlichen Heckscheibe ausgestatteten 911 besser.

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Foto: Lucid Motors

Auch auf dem Dach des Model S sammelt sich bei Regen Wasser, das dann im Stop-and-Go-Verkehr der Innenstadt gerne nach vorne auf die Frontscheibe läuft — selbst wenn der Rest des Autos bereits trocken ist.

Drei weitere Kritikpunkte lassen sich auf die Elektro-Technik des Model S zurückführen. Erstens: Durch die Batterien im Fahrzeugunterboden ist die Sitzposition im Fond maximal als "bescheiden" zu bewerten. Zwar ist die Sitzbank recht niedrig angebracht und die Kopffreiheit durchaus akzeptabel, durch den hohen Fahrzeugboden sitzt man im Fond trotzdem eher wie auf einer Toilette als in einer Luxuslimousine.

Zweitens: Das Model S verfügt über zwei unterschiedlich starke Rekuperations-Modi. Der stärkere eignet sich am besten für die Stadt, der schwächere eher für Überland- und Autobahn-Fahrten. Leider lässt sich nur mit mehreren Klicks auf dem großen Tablet in der Mittelkonsole zwischen den beiden Modi wechseln. Ein spontanes "Segeln" oder stärkeres Rekuperieren wäre nur mit einem Schalter am Lenkrad möglich und würde maßgeblich zur Effizienz beitragen.

Last but not least: Das mitgelieferte Ladekabel könnte länger sein. Gerade wenn man Zuhause laden möchte, ist das Kabel etwas kurz geraten.

Doch einigen Kinderkrankheiten stehen wichtige Pluspunkte gegenüber. Was lange im Kopf bleibt, ist die bereits erwähnte Beschleunigung. Doch das Model S kann mehr. Der Kofferraum ist groß (675 Liter), das Auto ist hervorragend gedämmt und die Ruhe beim Fahren ist im hektischen Verkehr auf deutschen Straßen ein wahrer Genuss.

Darüber hinaus fällt der Tesla trotz seines eher konservativen Designs vielen Fußgängern und Autofahrern auf, die dem E-Auto gerne mit einem nach oben gestreckten Daumen ihre Anerkennung zollen.

Abschließend muss noch einmal das große Tablet in der Mittelkonsole erwähnt werden. Zwar benötigt man eine kleine Eingewöhnungszeit, dann ist der Bildschirm allerdings sehr praktisch. Die virtuellen Tasten sind so groß, dass man sie selbst bei einem kurzen Blick selten verfehlt und damit dem Verkehr mehr Aufmerksamkeit schenken kann.

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Foto: Tesla

Die Menüführung ist simpel, gut strukturiert und erschlägt den Nutzer nicht mit vielen kleinen Unterpunkten. Angenehmer Nebeneffekt des Tablets: Das Cockpit ist — abgesehen vom Warnblinker — völlig frei von Knöpfen. Dinge wie der allerdings langsame Internet-Browser oder die große Google-Earth-Karte sind nette Spielereien.

Natürlich kommt ein Tesla-Test nicht ohne Erwähnung der Reichweite aus. Der Hersteller gibt einen Wert von 632 Kilometer nach dem NEFZ-Zyklus an. Im Realbetrieb schafft man zwischen 450 und 500 Kilometer, bevor ein Stopp am Supercharger nötig wird, der dem Model S in einer halben Stunde wieder 270 Kilometer "einflößt".

Damit lassen sich selbst längere Fahrten problemlos zurücklegen, auch wenn der Gedanke ans Liegenbleiben ohne Strom irgendwie immer noch beängstigt. Auch sind die Supercharger-Punkte noch nicht so weit verbreitet, wie es Tesla seinen Kunden eventuell glauben lassen möchte. Selbst um Köln, Bonn oder Düsseldorf herum muss man teilweise recht lange Anfahrten für die kurze Ladezeit in Kauf nehmen.

Aber: Immer noch besser, als das Model S über Tage an der Haushaltssteckdose zu parken. Denn auch wenn Tesla ein Kabel für diese Lademöglichkeit mitliefert, es macht eigentlich keinen Sinn. Schließlich würde ein vollständiges Laden der Batterie hier über 40 Stunden dauern.

Fünftürige, fünfsitzige Limousine der Oberklasse, Länge: 4,98 Meter, Breite: 1,96 Meter, Höhe: 1,45 Meter, Radstand: 2,96 Meter

Elektromotoren an beiden Achsen, 310 kW/422 PS, maximales Drehmoment: 660 Nm, Automatik mit einem Vorwärtsgang, Vmax: 240 km/h, 0-100 km/h: 4,4s, Reichweite (NEFZ): 632 Kilometer, Test-Reichweite: 490 Kilometer, CO2-Ausstoß: 0 g/km,

Grundpreis ab 111.920 Euro

(SP-X)
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