Test VW E-Golf - der Volks-Elektriker

Düsseldorf · Wer E-Auto fahren will, dies aber nicht durch exaltiertes Design seines Fahrzeugs ständig zeigen muss, könnte recht schnell auf einen Golf kommen. Tatsächlich hat der Wolfsburger auch in der Öko-Version viele Vorteile. Die Alltagsprobleme mit dieser Antriebsart kann aber auch ein Auto mit einer derart perfekten Basis nicht lösen.

Elektroauto: VW E-Golf im Test - ein unauffälliger Vertreter
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VW E-Golf im Test - ein unauffälliger Vertreter

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Foto: vw

Der Fahrschulwagen — ein Golf, der erste Gebrauchte — ein Golf, der erste Neuwagen — ein Golf, das erste Familienauto — ein Golf (Variant): Nicht alle, aber sehr viele Menschen begleitet der Wolfsburger Bestseller durchs ganze Mobilitätsleben.

Da liegt es gar nicht so fern, auch beim ersten Elektroauto an den Kompakten zu denken. Und siehe da, was gar nicht jeder weiß, VW hat tatsächlich eine E-Version des Golf im Angebot. Es gibt übrigens auch eine Version mit Plug-in-Hybridantrieb (GTE), also eine Kombination von E- und Verbrennungsmotor, aber das nur am Rande.

Unser Testwagen ist der E-Golf, also das reine Elektrofahrzeug. Was man ihm aber nicht ansieht. Denn während andere Hersteller ihre alternativen Antriebe in ebenso alternatives Design verpacken, bleibt sich VW treu und setzt auf zurückhaltendes, langlebiges Design.

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Foto: dpa, loe

Man muss also schon genau hinschauen, etwa auf die exakte Typenbezeichnung, wenn man unseren Golf als E-Auto erkennen will. Umso größer war dann häufig die Überraschung der Passanten, wenn wir an ihnen fast lautlos — nur untermalt von leichten Wind- und Reifengeräuschen — vorbeiglitten. Trotzdem: Ein BMW i3, ein Nissan Leaf oder ein Renault Zoe, erregen natürlich mehr Aufmerksamkeit.

Das Design ist also wenig spektakulär, der Alltag mit diesem Elektroauto ist es genauso wenig. Alles funktioniert wie in einem normalen Auto: Start-Knopf gedrückt, Automatik-Wählhebel auf "D" und ab geht's. Wobei die ersten Sekunden nach dem Start den Fahrern, so sie denn erstmals E-Auto fahren, schon ziemliche Überraschung in die Gesichter schreiben.

Denn diese Art Fahrzeuge zieht dank des von Beginn an vorhandenen maximalen Drehmoments (immerhin 270 Nm) zunächst unwiderstehlich an, nach nur 4,2 Sekunden ist Tempo 60 erreicht, um die 100 km/h zu erreichen vergehen dann schon weniger beeindruckende 10,4 Sekunden und bei 140 km/h Spitze wird rigoros abgeregelt. Ist auch besser so, denn bei "Vollstrom" sieht man die Reichweiten im Rekordtempo dahinschmelzen.

Apropos Reichweite: 190 Kilometer gibt Volkswagen an. Wir kamen im Durchschnitt auf 140 bis 150 Kilometer echte Reichweite, wobei man schon aus Sicherheitsgründen und für ein gutes Gefühl normalerweise schon spätestens an die Steckdose fährt, wenn noch 40 oder 50 Kilometer Rest angezeigt werden. So dass man tatsächlich also schon meist nach 100 Kilometern erneut "tankt".

Das ist solange gar kein Problem, wie man das Fahrzeug nur für kurze Strecken benötigt und zuhause bzw. am Arbeitsplatz Lademöglichkeiten zur Verfügung hat. Ansonsten aber schon. Dies alles sind jedoch keine spezifischen Probleme des E-Golf, sondern vor allem den noch recht unterentwickelten Batterien und der erschreckend schlechten Ladesäulen-Infrastruktur geschuldet.

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Foto: Hersteller

Das "Tanken" selbst ist übrigens kinderleicht und narrensicher. Dort, wo man sonst Treibstoff einfüllt, arretiert man jetzt den Ladestutzen. An der normalen Haushaltssteckdose (Schukostecker) dauert eine volle Beladung bis zu 13 Stunden, mit dem gegen Aufpreis erhältlichen Ladekabel für Ladestationen oder eine Wallbox sind es immer noch 9 Stunden, nur mit dem Kabel für Schnellladestationen geht es wirklich fix, hier können in 30 Minuten rund 80 Prozent der Akkukapazität nachgeladen werden.

Das Problem ist nur: Wo finde ich diese Stationen und sind sie dann auch frei, nicht kaputt oder rücksichtslos zugeparkt? Übrigens soll der E-Golf Anfang nächsten Jahres mit einer größeren Batterie erhältlich sein, mit der die theoretische Reichweite von 190 auf rund 300 Kilometer steigt. Das würde den Alltagsnutzen in dieser Hinsicht zweifellos deutlich erhöhen.

Die Fahrt selbst im E-Golf ist sehr angenehm, eben weil es das Derivat einer Großserie ist. Die Sitze sind toll, die Geräuschdämmung vorbildlich und die Bedienung logisch und selbsterklärend. Nur das Abrollverhalten ist — wohl auch wegen der speziellen Öko-Reifen — recht steif und etwas hart.

Das zumindest kann ein Normalo-Golf viel besser. Positiv zu bewerten ist das Platzangebot. Im Golf sitzt man ja auch dank des unverspielten Designs hinten ohnehin ganz prima. Und der Kofferraum hat nur wenig von seiner Kapazität eingebüßt, statt 380 Liter stehen immerhin 340 Liter zur Verfügung.

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Foto: ap

Neben den für jedes E-Auto geltenden Reichweiten- und Ladeproblemen hat der Golf aber durchaus auch einen individuellen Nachteil: Mit einem Grundpreis von 34.900 Euro ist er ziemlich teuer.

Selbst mit 4000 Euro E-Auto-Prämie bleibt der Preis hoch, zumal andere Elektroautos ja ebenfalls in den Genuss der halb vom Staat und halb von der Industrie finanzierten Prämie kommen. So bleibt sich der Golf auch in der E-Version treu: Er ist einerseits Volksauto und trotzdem für viele Autofahrer unerschwinglich.

Fünftüriger, fünfsitziger Kompaktwagen; Länge: 4,27 Meter, Breite: 1,80 Meter (2,03 m mit Außenspiegel), Höhe: 1,45 Meter, Radstand: 2,64 Meter, Kofferraumvolumen: 341 - 1.231 Liter

Elektromotor, Einstufen-Automatik, 85 kW/115 PS, Drehmoment: 270 Nm, 0-100 km/h: 10,4 s, Vmax: 140 km/h, Durchschnittsverbrauch: 12,7 kWh/100 km, Testverbrauch 18 kWh

Preis: ab 34.900 Euro

(SP-X)
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