Test Tern Vektron - dieses E-Bike kann man knicken

Düsselodrf · Das Vektron ist nicht nur ein hervorragendes Pedelec, wie typisch bei Hersteller Tern, lässt es sich auch noch kompakt verstauen. Diesem besonderen Vorteil wohnt allerdings auch ein konzeptioneller Schwachpunkt inne.

Tern Vektron - gutes Pedelec für den Kofferraum
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Foto: Tern

In der Klapprad-Szene hat sich die noch junge Marke Tern mittlerweile als feste Größe etabliert. Als E-Bike-Anbieter sind die Asiaten indes noch Außenseiter. Mit dem Vektron könnte sich das ändern.

Das mit Bosch-Mittelmotor aufgemotzte Faltrad macht nämlich als Pedelec eine bemerkenswert gute Figur. In Hinblick auf Terns Kernkompetenz offenbart der Stromer allerdings eine gewichtige Schwäche.

Die Aufrüstung von Falträdern zu Pedelecs ist nicht neu. Auch Tern hat seit 2015 mit dem eLink einen klappbaren Stromer im Programm. Beim zweiten Modell, dem Vektron, kommt erstmals im Segment der Falträder der beliebte Bosch-Mittelmotor der Active-Line zum Einsatz.

Umstieg auf E-Bike - das ist zu beachten
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Foto: dpa, loe

Und dieses Aggregat kann sich im Zentrum des massiv gebauten Rahmens optisch sogar einigermaßen harmonisch einfügen. Etwas klobiger wirkt dagegen die direkt hinter der Sattelstange befindliche, abnehmbare 300-Wh-Batterie.

Während sich das ausschließlich in Schwarz erhältliche Vektron farblich eindimensional gibt, sind die Klapp-, Dreh- und Knickmöglichkeiten mannigfaltig. Knapp überm E-Motor befindet sich ein zentraler Faltmechanismus, der ein Halbieren in der Länge erlaubt.

Stehen die beiden Räder parallel, muss man noch mit ein paar kurzen Handgriffen eine Pedale lösen, den Sattel absenken sowie Lenkerstange und Lenker wegklappen, um am Ende ein halbwegs kompaktes Paket von 86 × 45 × 68 Zentimeter zu bekommen.

Die Origami-Performance hinterlässt einen allerdings zwiespältigen Eindruck. Einerseits ist jeder Klappmechanismus für sich ein Kleinod mit feiner und zugleich durabel anmutender Mechanik, der zudem im entfalteten Zustand äußerst verbindliche Verbindungen eingeht.

An diesem Fahrrad wackelt und zittert nichts. Andererseits sind angesichts der 22 Kilogramm schweren Konstruktion beim Einklappen hohe Haltekräfte gefordert, was den Vorgang deutlich erschwert. Und das bleibt auch im eingeklappten Zustand ein Problem.

Vello Bike+ - ein E-Bike zum Zusammenfalten
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Foto: Vello

Zwar lässt sich das Topmodell von Tern gefaltet auf seinen Rädern leicht schieben, doch abenteuerlich wird es, wenn es zum Bahnsteig eine Treppe hinauf geht oder man das Klapprad in einen ICE wuchten und verstauen muss.

Mit superkompakten und leichten Vertretern der Klapprad-Szene, etwa dem Brompton, geht das locker von der Hand. Wer jedoch das Vektron einmal durch enge Waggongänge bugsieren musste, ist jeglicher romantischen Vorstellung über das smarte multimodale Reisen beraubt. Dennoch: Die kostenlose Mitnahme selbst in ICEs ist möglich.

Ausgeklappt und in Fahrt macht das Vektron diese Handling-Defizite wieder vergessen. Dank des in der Höhe leicht verstellbaren Sattels und eines genialen Lenkerverstellsystems — für das Tern einen Fahrrad-Oskar verdient — findet jeder — ob klein, ob groß, ob sportlich oder entspannt — eine angemessene Position.

Eine für möglichst effiziente Beinarbeit hilfreiche Sitzhaltung muss man ohnehin nicht einnehmen, denn wie bei Pedelecs üblich, kann der Fahrer zusätzlich zur Beinmuskelkraft über zwei Knöpfe am Purion-Display dreistufig zwischen mäßiger Motorunterstützung oder maximaler Elektro-Schubkraft wählen.

Wer diesen Extraschub nicht gewohnt ist, wird meinen, einem Jungbrunnen entstiegen zu sein. Den Verlust jugendlichen Elans macht auch dieses Pedelec in herrlich angenehmer und diskreter Weise vergessen.

E-Bikes und Pedelecs - die neuen Modelle 2017
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Foto: Hersteller

Im urbanen Umfeld bereitet das spritzige, wendige und schräglagenfreudige E-Bike jedenfalls viel Laune. Das Vektron hat auch nichts gegen eine längere Überlandpartie einzuwenden. Wer eine sportliche Haltung einnimmt, dem dürften nach einiger Zeit trotz Ergon-Griffe allerdings die Hände einschlafen. Obwohl 20-Zoll-Ballonreifen montiert sind, klärt zudem das federungslose Bikes in oft unangenehm direkter Weise den Fahrer über Unzulänglichkeiten der Fahrbahn auf.

In nahezu jeder Situation ist man mit dem Vektron dennoch flott unterwegs. Meist stehen um 25 km/h auf dem Digitaltacho, egal ob man im Eco-, Touren- oder Sportmodus fährt. Geht es bergauf oder aus einem anderen Grund langsamer voran, hat die leichtgängige und präzise schaltbare zehnstufige Deore-Kettenschaltung von Shimano stets die optimale Übersetzung parat.

Wer allerdings Anstiege mit 25 Sachen nehmen will, muss kräftig in die Pedale treten. Bergab erreicht man leicht auch mal 40 km/h. Selbst im Temporausch lässt das Vektron keine Unsicherheit aufkommen, da, wie bereits erwähnt, der Rahmen extrem stabil ist, was auch einhändiges oder freihändiges Fahren erlaubt.

Ein Gefühl perfekter Kontrolle vermitteln zudem die hydraulischen Scheibenbremsen von Shimano, die optimal dosierbar sind, feinfühlig arbeiten und extrem gut verzögern.

Doch kann man auch Terns Reichweitenversprechen trauen? Dank der drei Antriebsmodi hat der Fahrer die Wahl zwischen hoher Reichweite und erhöhtem Kalorienverbrauch, oder kurzer Reichweite ohne Schweißbildung.

Egal welchen Unterstützungsgrad, praktisch sind wir mit dem Vektron mit vollem Akku auf ebener Strecke immer über 60 Kilometer weit gekommen. Im Eco-Modus sind sogar über 100 Kilometer drin. Hier hat Tern also keineswegs übertrieben. Der leicht abnehmbare, abschließbare Stromspeicher lässt sich zudem in wenigen Stunden an der Steckdose wieder aufladen.

Eigentlich bietet das Vektron damit ideale Voraussetzungen für Berufspendler, deren Arbeitsweg neben einer Zugfahrt auch eine längere Radstrecke beinhaltet. Ein reichweitenstarker und den Fahrer nicht übermäßig fordernder E-Antrieb kann da ein echter Vorteil sein. Und dann ist das Vektron auch noch betont alltagstauglich.

Zum Serienumfang gehören ein praktischer Gepäckträger, Schutzbleche und eine von der Traktionsbatterie gespeiste Lichtanlage. Außerdem bietet Tern im Zubehör einige clevere Taschenlösungen, dank derer der Stromer fast schon Lastenradqualitäten bieten kann.

So gesehen erscheinen die von Tern geforderten 3000 Euro für das Vektron keineswegs übertrieben. Wer ein Pedelec mit Bosch-Mittelmotor will, darf ohnehin keine Schnäppchen erwarten. Darüber hinaus ist der Vollblut-Stromer voll ausgestattet, sehr solide gemacht und praktischer Weise klappbar.

(SP-X)
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