Familien-Kutsche mit 510 Pferden

Mit dem Nachwuchs verändern sich ganz plötzlich auch die Anforderungen an das eigene Auto. Wir haben den wohl stärksten Mercedes-Kombi im Alltag auf seine Familientauglichkeit getestet.

Das erste Kind ist da. Zeit, etwas seriöser zu werden. Der knallgelbe Mazda MX-5 - stolze 15 Jahre auf dem Buckel - passt nicht mehr ins Familienkonzept. Wir brauchen Klasse. Ein Mercedes strahlt die passende Seriosität aus. Zweite Anforderung: Platz. Wenn ich mir überlege, was wir bei einem simplen Spaziergang alles mitnehmen, denke ich mit Schrecken an den ersten Urlaub mit Auto. Also Platz, am besten reichlich. Aber bloß keine langweilige Familien-Kutsche, Papa will schließlich seinen Spaß haben. PS-Zahl und Fahrdynamik müssen stimmen. Die Lösung: Mercedes-AMG C 63 S T-Modell.

Vorab: Rund 114.000 Euro für den üppig ausgestatteten Kombi, der uns zu Testzwecken von Mercedes zur Verfügung gestellt wurde, übersteigen das Budget unserer kleinen Familie zwar um einiges, aber testen wollen wir das elegante Monster allemal. Wir drehen mit dem Maxi-Cosi eine Runde um den Benz: Die tiefliegende Frontschürze mit ihren mächtigen Lufteinlässen und die langgezogene Motorhaube strahlen schon im Stand Dynamik aus. Hinter den mattschwarzen 19-Zollern glänzt bronzefarben der Bremssattel mit AMG-Logo. Die vier verchromten Endrohre lassen erahnen, was der C 63 S akustisch drauf hat. Mit dem Wagen lässt sich eindrucksvoll beim Kundentermin vorfahren, die Familie kutschieren und auf der Rennstrecke der Konkurrenz die Rücklichter zeigen.

Der Nachwuchs ist dank Isofix in Sekundenschnelle sicher auf der Rückbank verstaut. Die roten Gurte werden fasziniert angestarrt. Dann lassen wir den Motor an: Der Vier-Liter-V8-Biturbo blubbert tief, die leichte Vibration spürt man bis in den Innenraum. Mein Sohn ist zwar ein "Autokind", das selbst auf kurzen Strecken einschläft. Aber im Stand habe ich das noch nie erlebt. Doch Vorsicht: Das sanfte Blubbern verwandelt sich schnell in lautstarkes Brüllen, das an den letzten Zoobesuch erinnert. Sobald man die 375 kW/510 PS abruft, sprintet der Kombi in 4,1 Sekunden auf 100 km/h. Man spürt die wahnsinnige Durchzugskraft. Die Gänge rattert das Automatik-Sportgetriebe nur so durch. Mit Driver's Package geht's bis zu Tempo 280. Das elektronische Sperrdifferenzial an der Hinterachse hält in Kurven die enorme Kraft im Zaum. Langgezogene Drifts sind trotzdem möglich.

Doch wir sind ja mit der Familie unterwegs, worauf mich meine Frau vom Beifahrersitz mit einem bösen Blick hinweist. Deshalb stellen wir vom Fahrprogramm "Race" zurück auf "Comfort", teilen der Motorakustik mit, dass sie sich etwas zurückhalten soll, und bringen das Fahrwerk wieder auf schlagloch-taugliches Niveau. So bleibt etwas Zeit den Innenraum zu begutachten - gewohnt edel mit sportlichen Elementen von Mercedes-AMG gestaltet. Das gebürstete Chrom mit dem schwarzen Leder macht schon was her. Die Oberfläche der Mittelkonsole ist aus Carbon, die Sitze mit weichem Alcantara überzogen. Ob das so sinnvoll ist, wenn der Nachwuchs hinten eine Banane verdrückt - fraglich.

Probleme bekommen wir allerdings, als wir unseren Kinderwagen im Kofferraum verstauen wollen. Zwar hat bei 650 Liter Ladevolumen hinten ein halber Spielzeugladen - wie bei unserem abgebildeten Versuch - Platz. Sperrige Gegenstände machen aber Probleme. Erst mit einseitig umgeklappter Rückbank ist auch für unser wichtigstes Transportmittel genügend Platz.

Das ist aber auch schon der einzige Minuspunkt. Jetzt beginnen die Verhandlungen mit meiner Frau. Mein Argument: Den C 63 mit "nur" 476 PS gibt es schon ab rund 78.000 Euro. Und der würde mir für den Anfang ja schon reichen.

(RP)
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