Glühbirne wechseln - macht 54 Euro

Früher konnte man kleine Reparaturen am Auto mit ein paar Handgriffen erledigen. Heute sind wegen komplizierter Technik oft sogar Fachleute überfordert.

Gerade in der dunklen Jahreszeit sind "einäugige" Autos eine Gefahr auf den Straßen. Bitte das defekte Lämpchen an der nächsten Tankstelle auswechseln, möchte man den Fahrern gerne zurufen. Gemäß Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung müssen vorgeschriebene Beleuchtungseinrichtungen betriebsbereit sein.

Doch auf die Schnelle ist die Reparatur mitunter gar nicht mehr möglich. Klar, früher gab es Austauschbirnen für Abblend- oder Rücklichter in fast jedem Bau- und Supermarkt - man konnte sie noch auf dem Kundenparkplatz selbst einbauen. Und wenn es etwas komplizierter wurde, griff man zu Selbsthilfebüchern.

Heute hingegen müssen Autobesitzer selbst mit Lappalien wie einer defekten Birne meist in die Werkstatt. Der Grund ist die sogenannte Modulbauweise in modernen Fahrzeugen. Viele Komponenten werden von den Zulieferern einbaufertig an die Montagebänder der Hersteller geschafft - etwa Innenraumeinrichtungen oder ganze Fahrzeugfronten. Der Vorteil für die Hersteller: Baukästen, die idealerweise in verschiedenen Modellen eingesetzt werden können, senken die Produktionskosten.

Der Nachteil liegt oft beim Kunden: Denn wenn ein Einzelteil defekt ist, muss der ganze Baukasten auseinandergenommen beziehungsweise ausgetauscht werden. Und das geht oft nur mit Extra-Werkzeug. In den vergangenen Jahren habe es eine regelrechte "Inflation" von Spezialwerkzeugen im Kfz-Bereich gegeben, sagt Johannes Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AvD). Der Verband kritisiert, dass die Hersteller zu wenig Werkstatthandbücher publizierten. Zwar würden spezielle Bulletins für die Reparatur komplexer Bauteile herausgegeben. Aber diese Anleitungen bekämen nur die Vertrags- und nicht die freien Werkstätten, sagt Hübner.

Reporter vom NDR-Verbrauchermagazin "Markt" haben den Praxistest gemacht. Einer freien Werkstatt brachten sie zwei Autos mit defektem Abblendlicht: einen Audi 100 aus dem Jahr 1990 und einen Renault Modus von 2006. Beim Audi war die Glühlampe in drei Minuten ausgewechselt, die Kosten für Einbau und Birne: 5,70 Euro. Beim Renault musste aufgrund der Modulbauweise dagegen der komplette Stoßfänger abgenommen und der Scheinwerfer ausgebaut werden - ein enormer Aufwand. Selbst die Kfz-Mechaniker brauchten 30 Minuten, um die Glühlampe beim Renault auszutauschen, die Kosten lagen bei über 54 Euro.

Aber das ist noch nichts im Vergleich zu Problemen bei der Motorsteuerung: Beim NDR-Test kam auch eine A-Klasse von Mercedes-Benz (Baujahr 2001) in die Werkstatt. Das Problem war eine leuchtende Motorlampe im Cockpit - der Wagen zog schlecht an und ruckelte. Per Software-Ausleser wurde der Fehler schnell gefunden: ein defekter Luftmassenmesser. Normalerweise würde der Wechsel dieses Teils in der freien Werkstatt 200 Euro kosten, erklärte der Kfz-Meister. Doch bei der getesteten A-Klasse war der Luftmassenmesser in einem Steuergerät verbaut, das mitgetauscht werden musste. Kostenpunkt: rund 1150 Euro. Bei älteren Gebrauchtwagen bedeuten solche Summen nicht selten den Totalschaden.

"Unterm Strich können mit der Standardisierung von Bauteilen, Maßen und Produktionsabläufen die Kosten gesenkt und Fertigungszeiten reduziert werden", schreibt die Fachzeitschrift "auto motor und sport" zu dem Thema. Die Kosten sinken meist aber nur für die Hersteller - und nicht für die Verbraucher, die für jeden Defekt in die Werkstatt fahren müssen. Die EU gab deswegen schon eine Richtlinie heraus, die die Autohersteller zur Vereinfachung des Lampenwechsels zwingt. Seit 2006 sind die Hersteller laut einer Ergänzung der Richtlinie ECE 48 verpflichtet, die Scheinwerfertechnik ihrer Neuwagen so zu konstruieren, dass die Lampen ohne Spezialwerkzeug auswechselbar sind.

Das Problem sei weniger die Modulbauweise, sondern vielmehr die gewachsene Komplexität vieler Kfz-Technikteile, meint Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen. Beispiel Beleuchtung: Lichtassistent, Kurvenfahrlicht, Leuchtweitenregelung - die Leuchteinheit beim Auto beinhalte heutzutage Hightech-Produkte, sagt Diez. Der Scheinwerfer sei nicht mehr bloß Scheinwerfer, sondern ein richtiger Computer mit den verschiedensten Funktionen. "Von einer simplen Glühlampe kann da nicht mehr die Rede sein."

Hochschulprofessor Diez war früher selbst ein Schrauber. "An meinem VW Käfer habe ich als Student alles selbst gemacht. Ja, ich war ein richtiger Autospezialist", erinnert sich der Experte. Doch mit ein paar Schlüsseln und Schraubenziehern den Wagen selbst reparieren - diese Zeit sei definitiv vorbei, sagt er.

Immer mehr Bauteile würden heute nicht mehr mechanisch, sondern digitalisiert gesteuert. Schon in der Fahrzeugtür oder in den Sitzen sind sechs, sieben Steuergeräte verbaut - die elektrische Sitzverstellung oder die Massagefunktion will ja bedient werden. Die Konsequenz ist, dass bei der Reparatur von Fahrzeugen fast nichts mehr ohne Auslesegeräte für die komplexe Software geht. "Das ist gewissermaßen der Preis, den die Autofahrer für Komfort und Sicherheit zahlen", erklärt Diez.

Wer sich über komplex verbaute Kfz-Teile und das Ende von Do-it-yourself ärgert, dem bleibt also eigentlich nur ein Ausweg: Einen Oldtimer mit so wenig Elektronik und Extras wie möglich fahren. Denn eine alte Schrauberweisheit lautet: Was nicht eingebaut ist, kann auch nicht kaputtgehen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort