Ducati Supersport Jeden Tag Rennfahrer

Die neue Ducati Supersport ist ein Alltagsmotorrad im Rennanzug und nicht zu vergleichen - so eine Maschine gab es noch nie. Kann das gut gehen?

 Die Ducati Supersport S ist unter anderem mit einem Öhlins-Fahrwerk und einem Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne Kupplung ausgestattet.

Die Ducati Supersport S ist unter anderem mit einem Öhlins-Fahrwerk und einem Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne Kupplung ausgestattet.

Foto: Ducati

Der Name "Supersport" hat bei Ducati Tradition. Anfang der 1970er Jahre brachten die Italiener das erste Modell mit dieser Bezeichnung auf den Markt. Vor zehn Jahren lief die letzte Modellreihe dieser Tourensportmaschinen aus. Von da an hieß es in Borgo Panigale, dem Bologneser Stadtteil, in dem Ducati seinen Sitz hat: schneller, stärker, leichter.

Das Wettrüsten der Motorradhersteller gipfelte um das Jahr 2010. Kurz davor brachte BMW die S 1000 RR auf den Markt, Ducati folgte mit der Panigale. 200 PS starke Superbikes - für die Rennstrecke entwickelt und für Jedermann gezähmt. Die Panigale ist pure Unvernunft auf zwei Rädern. Laut, unbequem und pfeilschnell. Ein extremes Motorrad, wie es nur von Ducati kommen kann. Mit der neuen Supersport bricht Ducati mit dieser unvernünftigen Tradition und bietet ein Sportmotorrad für die Landstraße an. Die Supersport ist allerdings ein wirtschaftliches Risiko, weil sie ganz Ducati-untypisch vernünftig ist. Wir sind die Maschine auf kurvenreichen spanischen Landstraßen um Sevilla und auf der Rennstrecke gefahren, um herauszufinden, ob ein Alltagsmotorrad im Rennanzug sinnvoll ist.

Der Anzug passt und steht ihr jedenfalls perfekt. Das Motorrad ist so schön, modern, detailverliebt, wie man es nur von einer Ducati erwartet. Es wirkt stark und leicht. In der vorderen Hälfte steckt mit dem Motor die technische Masse, hinten ist sie luftig hochbeinig. Ihr Design weckt Emotionen, schafft Begehrlichkeiten und zeigt Familiensinn: Panigale und Supersport sind optisch ähnlich. Die Lichter vorne so unauffällig, dass sie nur hervorstechen, wenn sie leuchten. Tief sitzt die Frontverkleidung und mündet in eine verstellbare Windschutzscheibe aus Plexiglas. Der ausgeschnittene untere Teil der Verkleidung gibt den Blick frei auf Auspuff und Motor. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ein Spiel mit den Sinnen. Der Antrieb ist ein überarbeiteter Testastretta-Motor aus der Hypermotard mit 939 ccm und 110 PS bei 9000 Umdrehungen. Für die Supersport wurden das Kurbelgehäuse und die Zylinderköpfe verändert, um aus dem Antrieb ein tragendes Rahmenelement zu machen. Ästhetischer lässt sich Technik nicht in Szene setzen.

Das Motorrad wirkt dynamisch, kompakt und leicht, was wenig überraschend für Ducati ist. Der mit 12.990 Euro günstige Preis für die Supersport aber schon. Die Wartungsintervalle sind mit 15.000 Kilometern oder nach zwölf Monaten lang. Die Zielgruppe zu definieren ist schwierig, "weil die Maschine ein gänzlich neues Segment begründet und damit konkurrenzlos ist", sagt Pressesprecher Robert Glück. Er vermutet, dass gestandene Motorradfahrer mit zehn, 15 Jahren Erfahrung die Supersport kaufen werden. "Menschen, die kein Alltagsmotorrad wollen, das exklusiv und schön sein soll, und die ihr Hobby Motorradfahren ganz bewusst leben." Glück schätzt, dass in diesem Jahr zwischen 300 und 500 Maschinen in Deutschland verkauft werden.

Angeboten werden zwei Varianten: Standard und S. Die Standard gibt es ausschließlich in Ducati-Rot. Bei der S ist beim roten Modell der Rahmen schwarz lackiert, die Weiße hat einen roten Rahmen. Die S ist mit Öhlins-Fahrwerk und Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne Kupplung sowie einer Soziusabdeckung ausgestattet. Identisch ist der 110-PS-Motor.

Die Sitzposition ist auf beiden Modellen gleich ergonomisch. Der Oberkörper neigt in leichtem Winkel nach vorne, so dass der Druck auf den Handgelenken erträglich ist. Die Position der Fußrasten ist bequem. Auf der Landstraße lässt sich das Motorrad spielend leicht fahren. Die Kurven im südlichen Andalusien wieselflink zu nehmen, macht riesigen Spaß. Das Fahrwerk ist tadellos, die Bremsen verzögern prächtig, nur das Getriebe hakelt hin und wieder. "Es braucht einige Zeit, bis es richtig eingefahren ist, dann schaltet es präzise", sagt Glück. Auf der Rennstrecke macht sich das Schaltwerk deutlicher bemerkbar als auf der Straße: hin und wieder kuppeln Gänge nicht ein. Ansonsten ist die Supersport auf der Rennstrecke genauso daheim wie auf der Landstraße.

Das Öhlins-Fahrwerk hält sie präzise auf Kurs, die Bremsen verzögern bissig. Mit der Panigale wäre man wohl nur auf der langen Start-Ziel-Geraden in Höchstgeschwindigkeit schneller, in den Kurven nicht. Zudem muss man sich auf der Supersport viel weniger anstrengen, um den gleichen Spaß zu haben. Mit diesem Motorrad kann Ducati gleich mehrere Zielgruppen passend bedienen: Rennstrecken-Heizer, Landstraßen-Genießer und Tourenfahrer. Denn ein Koffersystem gibt es auch.

Die Ducati Supersport ist sinnvoll und eine eierlegende Wollmilchsau - die leider an anderen Sportmotorrädern gemessen werden wird. Das ist ihr Problem, denn die Wettbewerber haben bärenstarke Sportler. "Jeder vernünftige Motorradfahrer weiß, dass 110 PS im Alltag reichen", meint Glück. Recht hat er, aber welcher Motorradfahrer ist schon vernünftig - Ducati-Fahrer schon gar nicht. Daher ist die Supersport ein wirtschaftliches Risiko fürs Unternehmen, das Motorrad aber für den Markt ein riesiger Gewinn.

(RP)
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