Fahrbericht Aprilia Dorsoduro 900 - aus zwei mach eine

Madonna di Campiglio · Statt der Dorsoduro 750 und früheren 1200 gibt es im aktuellen Modellprogramm von Aprilia nur noch die neue Dorsoduro 900. Das ist kein Verlust.

Aprilia Dorsoduro 900 sammelt Pluspunkte im Test
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Aprilia Dorsoduro 900 sammelt Pluspunkte im Test

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Aprilia hat die Zahl der Dorsoduro-Varianten im Zuge der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Euro 4-Norm halbiert. Statt der 91 PS leistenden Dorsoduro 750 und der schon ein Jahr zuvor ausgemusterten, 130 PS starken Dorsoduro 1200 gibt es ab sofort nur noch die Dorsoduro 900 mit 70 kW/95 PS.

Die hat zwar nur geringfügig mehr "Schmalz" als die frühere 750er, stemmt allerdings mit 90 Nm Drehmoment gleich acht zusätzliche Newtonmeter. Der erste Fahrtest der 9990 Euro teuren Italo-Supermoto offenbarete, dass die gegenüber der Ur-Version nur geringfügig veränderten Outfits ein fast neues Motorrad darstellt.

Das Antriebsaggregat der neuen Dorsoduro 900 ist identisch mit dem der ebenfalls neuen Shiver 900. Auch die Rahmenkonstruktion und die Bremsanlage entsprechen den jeweiligen Baugruppen des Nakedbikes. Neues Herzstück der Dorsoduro 900 ist der dank elf Millimeter mehr Kolbenhub auf 896 Kubikzentimeter Hubraum vergrößerte V2-Motor; er ist nach wie vor als Kurzhuber zu bezeichnen und entsprechend drehfreudig.

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Foto: KTM

Das Hubraumplus war nötig, um die leistungsschluckenden Euro 4-Maßnahmen ausgleichen zu können. So hat der V2 an Leistung nur geringfügig zugelegt; statt bislang 91 PS für die 750er gibt Aprilia nun 70 kW/95 PS Maximalleistung bei 8750 U/min. an. Das nunmehr 90 Nm Drehmoment produzierende Triebwerk hängt gut am Gas, die Ride-by-Wire-Motorsteuerung funktioniert auf hohem Niveau.

Beim Fahren durchaus spürbar ist die gegenüber der Shiver geringfügig kürzer ausgelegte Endübersetzung. Grund dafür war für die Entwickler, die als "souveräne Supermoto" positionierte Dorsoduro 900 spritziger wirken zu lassen.

Das ist sie auch: Auf kurvenreichen Dolomitenstraßen drückt sie kräftig aus engen Kurven und stürmt auf den Geraden energisch vorwärts. Auffällig ist die sehr präsente Leistung im Bereich zwischen 4500 und 7500 Umdrehungen; es ist aber kein Problem, auch bei nur 2500 Touren die Drosselklappen zu öffnen, und auch jenseits der 7500 U/min geht noch was, auch wenn man den allerobersten Drehzahlbereich nicht gerade als Feuerwerks-Abschussrampe werten darf.

Bei artgerechter, also durchaus gasiger Fahrweise in den Dolomiten kamen wir auf einen Verbrauch von knapp über 6 Litern/100 Kilometer; wer nicht aus jeder Kurve voll herausfeuert, wird den Normwert von 5,6 Litern/100 Kilometer eher unter- als überschreiten. 200 Kilometer ohne Tankstopp sind angesichts des 12 Liter-Tanks aber das Maximum.

Nach wie vor eine Besonderheit der Dorsoduro 900 stellt der gegenüber der Shiver nur geringfügig modifizierte Rahmen aus Gitterrohr- und Aluminiumelementen dar. Optisch hervorgehoben werden lediglich die in klarem rot lackierten Stahlrohre; die schwarzmatt lackierten seitlichen Aluminiumplatten werden so optisch in den Hintergrund gedrängt.

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Foto: Bosch

Die gegenüber dem Vormodell fast ein Pfund leichtere USD-Gabel und der etwas kürzere Radstand als bei der Shiver tragen ebenfalls zur Handlichkeit der Dorsoduro bei. Einige Supermotos anderer Hersteller — wir denken primär an Ducatis Hypermotard — sind der 212 Kilogramm wiegenden Aprilia in punkto Agilität allerdings ein wenig voraus.

Ein Grund dafür ist in der sehr breiten Hinterradfelge zu sehen, sie verändert die Kontur des 180er Pneus unvorteilhaft. Hat die Dorsoduro die gewünschte Schräglage eingenommen, ist ihr hohe Stabilität zu attestieren.

Auch bei Tempi jenseits der 160 km/h gab's an der Geradeauslaufstabilität trotz der recht langen Federwege von 17 Zentimetern vorne und 16 Zentimetern hinten nichts zu kritisieren. Das Ansprechverhalten der Federungs- und Dämpfungselemente ist ausreichend feinfühlig.

Ebenfalls einen Pluspunkt verdient die in drei Stufen variierbare Traktionskontrolle: In Stufe drei greift sie sehr früh ein, hält auch ein auf klatschnasser Straße rollendes Hinterrad sicher auf Kurs. In den Stufen zwei und eins erfolgen die Eingriffe spürbar später, wobei wir die Unterschiede zwischen den beiden letztgenannten Stufen auf dem durchwegs sehr griffigen Asphalt nicht erspüren konnten. Zusätzlich lässt sich die Traktionskontrolle abschalten.

Als gut, aber nicht überragend empfanden wir die Dreischeiben-Bremsanlage mit je einer radial montierten Vierkolben-Zange an den vorderen, immerhin 32 Zentimeter großen Bremsscheiben. Die Wirkung war zwar gut und auch der Druckpunkt war stabil, doch das Ansprechverhalten wirkte ein wenig verzagt.

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Foto: dpa, loe

Die Ergonomie der Dorsoduro ist einer, nicht übertrieben sportlich ausgelegten, Supermoto angemessen. Der Lenker ist breit genug für zielgenaues Anpacken, die Sitzposition leicht vorderradorientiert. Der in 87 Zentimetern Höhe montierte Sitz ist für zügige Ausflugsfahrten ausreichend komfortabel, tagelanges Fahren erfordert ob der Straffheit des Gestühls dagegen öfter mal eine Pause.

Bei der Bedienung des Fahrzeugs fällt auf, dass sich Aprilia — wie leider allzu viele andere Hersteller auch — die Entwicklung selbstrückstellender Blinker spart, abgewinkelte Reifenventile zur leichteren Kontrolle des Luftdrucks finden sich an der Dorsoduro bedauerlicherweise ebenfalls nicht.

Eher verständlich ist da schon, dass teure LED-Scheinwerfer nicht zum Einsatz kommen. Funktional genügt der Halogenscheinwerfer allemal; Supermotos werden kaum einmal im Dunkeln bewegt.

Auch wenn die Fahrzeugoptik nur in winzigen Details geändert wurde, so finden sich an der Dorsoduro 900 doch trotz Beibehalten der Grundkonstruktion zahlreiche technische Veränderungen. Sie sind durch die Bank positiv zu bewerten: Mehr Durchzug dank mehr Hubraum, feiner ansprechende Federelemente, eine Traktionskontrolle, das gut ablesbare TFT-Display — es ist also eine Menge passiert an der Dorsoduro 900.

Motor: Flüssigkeitsgekühlter V-Zweizylinder (90°), 896 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, 70 kW/95 PS bei 8.750 U/min., 90 Nm bei 6.500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette.

Fahrwerk: Modul-Brückenrahmen aus Stahl-Gitterrohr-Elementen und Aluminium-Seitenplatten; vorne 4,1 cm-USD-Telegabel, Vorspannung und Zugstufe einstellbar, 17 cm Federweg; hinten Aluminiumguss-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein, Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar, 16 cm Federweg; Leichtmetallgussfelgen; Reifen Dunlop Qualifier, Größe 120/70 R 17 (vorne) und 180/55 R 17 (hinten). 32 cm Doppelscheibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten.

Assistenzsysteme: ABS, drei Motor-Mappings, Traktionskontrolle (dreifach einstell- und abschaltbar).

Maße und Gewichte: Radstand 1,515 m, Sitzhöhe 87 cm, Gewicht fahrfertig 212 kg; Tankinhalt 12 l.

Verbrauch: Normverbrauch lt. EU4 5,6 l/100 km.

Preis: 9.990 Euro

(SP-X)
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