Neuwagen haben ein Gewichtsproblem

VW hat getrickst, um bei Abgastests besser abzuschneiden. Auch andere Hersteller haben Probleme, die CO2-Vorgaben einzuhalten. Der Versuch der Industrie, leichtere Autos zu bauen, schlägt fehl - das zeigen Zahlen der Bundesregierung.

Der Skandal um die Abgasmanipulation des Volkswagen-Konzerns trifft die deutsche Autoindustrie tief ins Mark. Wirklich überraschend ist diese Entwicklung allerdings nicht, denn die Probleme mit CO2-Emissionen beschäftigen die Hersteller bereits seit geraumer Zeit. Die Angaben der Hersteller zum Spritverbrauch und gemessene Werte im Realverbrauch klaffen laut verschiedener Verbände bereits seit Jahren teils eklatant auseinander - und damit auch die CO2-Werte.

Aluminium und Dünnbleche, ja sogar Motorenteile aus Plastik: Die Autoentwickler versuchen deshalb alles, um in ihren Fahrzeugen Gewicht einzusparen. Denn nur so können sie die immer strengeren gesetzlichen Richtlinien einhalten, die die Politik für Abgasgrenzwerte vorgibt. Nach einer EU-Verordnung von 2009 soll der CO2-Ausstoß bei Neufahrzeugen in der EU bis zum Jahr 2020 schrittweise auf durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer gesenkt werden.

Doch richtig abgespeckt wurde noch nicht - im Gegenteil: Neuwagen sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich schwerer geworden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Danach wog ein in Deutschland zugelassener Neuwagen im Jahr 2013 durchschnittlich 1,475 Tonnen. Zum Vergleich: 2004 waren es noch 1,408 Tonnen. Der Grund für die Gewichtszunahme könnten die gestiegenen Sicherheitsanforderungen an moderne Autos sein. Hinzu kommt der Wunsch nach Komfort: Navi, Assistenzsysteme, Bordcomputer, Radio - selbst Klein- und Kompaktwagen haben heute viele Extras. Über 90 Prozent der Neuwagen werden mit Klimaanlage ausgeliefert.

Auch bei der Leistung haben die Autos ordentlich zugelegt - im Schnitt um 15 PS. Hatte ein Neuwagen 2004 noch durchschnittlich 122 PS, waren es 2013 rund 137 PS. Trotz aller Debatten um die CO2-Vorschriften sind viele Pferdestärken unter der Haube also nach wie vor das schlagende Verkaufsargument der Autoindustrie. Die Angaben der Bundesregierung decken sich mit einer Studie, die Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen vorgelegt hat. Danach war die durchschnittliche Motorleistung der verkauften Neuwagen im vergangenen Jahr höher als je zuvor.

Die PS-Gier der Deutschen hält an - die Motoren sind im Vergleich allerdings kleiner geworden. Die 122 PS holte ein Auto 2004 noch aus knapp 1,9 Litern Hubraum. 2013 reichten 1,7 Liter Hubraum, um bis zu 137 PS aus dem Motor herauszukitzeln. "Insgesamt zeigt sich für die in Deutschland zugelassene Neuwagenflotte ein Trend zu kleineren Motoren mit höherer Leistung", erklärt das Bundesverkehrsministerium dazu. Was unerwähnt bleibt: Das beliebte Downsizing und das Streben nach immer mehr Effizienz führt häufiger zu Pannen.

Nach einer Schadensbilanz von Car Garantie, einem der größten europäischen Garantieversicherer, stieg der Anteil der Motorschäden vergangenes Jahr erneut an: auf mehr als zehn Prozent. 2013 betrug er noch knapp neun Prozent. Experten gehen davon aus, dass steigender Kostendruck bei den Herstellern und immer mehr Elektronik an Bord dazu führen, dass die Langlebigkeit der Motoren sinkt. "Nichts geht über Hubraum", sagte man früher. Heute wird stattdessen auf empfindliche Turbolader gesetzt, die nur selten ein komplettes Autoleben durchhalten.

Beim Spritverbrauch und CO2-Emissionen gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Nach Berechnungen der Bundesregierung sanken die durchschnittlichen CO2-Werte von Neuwagen in Deutschland seit 2004 von 175 auf 136 Gramm CO2 pro Kilometer. Dieser Wert entspricht einem Verbrauch von rund 5,5 Litern auf 100 Kilometer. "CO2-Ausstoß und Spritverbrauch sind unmittelbar gekoppelt", erläutert Autoexperte Urs Maier von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Senken könnten die Hersteller den CO2-Ausstoß daher nur durch einen geringeren Verbrauch, etwa durch weniger Gewicht oder effizientere Motoren.

Die Umwelthilfe hat allerdings ganz andere Daten als die Bundesregierung ermittelt. Der Verband untersuchte nicht den offiziellen Verbrauchszyklus (NEFZ - Neuer Europäischer Fahrzyklus) und die von den Herstellern gelieferten Angaben, sondern sogenannte "reale Verbrauchsdaten". Nach Angaben der DUH stieg der tatsächliche CO2-Ausstoß der Neuwagen zwischen den Jahren 2009 und 2013 sogar leicht von 184 auf 188 Gramm CO2 pro Kilometer an, was einem Verbrauch von etwa 7,5 Liter auf 100 Kilometer entspricht.

Zu ähnlichen Ergebnissen seien der ADAC und die Zeitschrift "Autobild" gekommen, erklären die Grünen. Und der International Council on Clean Transportation (ICCT) habe ermittelt, dass sich die Differenz zwischen Herstellerangaben und tatsächlichem Verbrauch zwischen den Jahren 2009 und 2013 sogar von 19 auf 38 Prozent verdoppelt habe.

Die Bilanz der Grünen fällt entsprechend vernichtend aus: Während andere Sektoren deutliche Verminderungsfortschritte vorweisen könnten, seien die Emissionen im Verkehrsbereich weitgehend konstant auf hohem Niveau geblieben. "Zahlreiche Nachprüfungen weisen darauf hin, dass Autos lediglich auf dem Papier und nicht auf der Straße emissionsärmer geworden sind."

Die Antwort der Bundesregierung zur Anfrage der Grünen-Fraktion gibt es im Internet: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/056/1805656.pdf

(RP)
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