"eCall" sendet bei Unfall ein Notrufsignal Ab 2015 wählen Autos automatisch die 112

Brüssel · Viele Autounfälle fordern Todesopfer, weil die Hilfe zu spät eintrifft. Die EU plant jetzt ein verpflichtendes automatisches Notrufsystem, mit dem den Unfallopfern schneller geholfen werden soll.

 Nach dem Willen der EU sollen ab 2015 alle Autos mit einem Notrufsystem ausgestattet sein.

Nach dem Willen der EU sollen ab 2015 alle Autos mit einem Notrufsystem ausgestattet sein.

Foto: Peugeot

Ab Oktober 2015 sollen nach dem Willen der EU-Kommission nur noch Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf den europäischen Markt kommen, die mit dem sogenannten "eCall" ausgerüstet sind. Entsprechende Pläne hat Verkehrskommissar Siim Kallas vorgestellt. Die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament müssen noch zustimmen.

Der eCall funktioniert mit einem Crashsensor, Satellitenortung sowie einem Mobilfunk-Modul. Er wird automatisch aktiviert, sobald der Sensor einen schweren Aufprall über den Airbag registriert. Das System wählt dann automatisch die Notrufnummer 112 und übermittelt den Standort des Fahrzeugs sowie die auf Autobahnen wichtige Fahrtrichtung. Außerdem baut es eine Gesprächsverbindung mit der Leitstelle auf — auch dann, wenn das schwer verletzte Unfallopfer selbst nicht mehr telefonieren kann.

Der Fahrer soll den Notruf jedoch auch selbst manuell auslösen können, wenn er zum Beispiel am Steuer plötzlich starke Schmerzen bekommt. Laut EU verkürzt sich die Zeitspanne zwischen Unfall und Eintreffen der Retter mit dem "digitalen Schutzengel" in der Stadt um 40, auf dem Land um 50 Prozent.

Die EU-Kommission schätzt die Kosten für eCall auf maximal 100 Euro je Neuwagen. Bei Mercedes in der E-Klasse schlägt der automatische Notruf derzeit (inklusive Mehrwertsteuer) allerdings mit rund 3000 Euro zu Buche — als Teil eines umfassenderen Audio- und Navigationssystems. Wenn solch ein System an Bord sei, mache eCall nur "ein paar Euros" aus, erklärte ein Experte der EU-Kommission am Donnerstag. Nach Ansicht des ADAC kann das System einen ähnlichen Sprung für die Verkehrssicherheit bedeuten wie die Einführung des Airbags oder des Anti-Blockier-Systems (ABS).

Derzeit sind weniger als ein Prozent aller Pkw in der EU mit einem automatischen Notrufsystem ausgestattet. Dabei hatte die Kommission die Hersteller aufgefordert, das System bis 2009 freiwillig einzubauen. "Wäre das flächendeckend geschehen, hätten 10.000 Menschenleben gerettet werden können", kritisiert Thierry Willemarck vom internationalen Dachverband der Autofahrer, FIA.

Deshalb setzt Brüssel nun auf gesetzlichen Zwang. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen die nötige Infrastruktur für die Übermittlung der Notrufe bereitstellen. Der EU geht es vor allem darum, ein einheitliches System durchzusetzen. Denn die automatischen Notrufe der einzelnen Hersteller decken derzeit nicht unbedingt alle EU-Länder ab. Außerdem geht der Anruf meist an eine Leitstelle, die im Auftrag der Hersteller und dann bei Bedarf an die 112 weiterverbindet. Das ist ein Umweg, der wiederum wertvolle Zeit kostet.

Der Verband der Automobilindustrie fürchtet, eigene Systeme der Hersteller könnten künftig zu kurz kommen. Die EU-Kommission versicherte jedoch, diese könnten weiter genutzt werden. ECall würde nur anspringen, falls die Hersteller-Systeme versagten. Bedenken von Datenschützern, "eCall" verletze die Privatsphäre, lassen die Befürworter nicht gelten. Das System "schlafe" im Alltag und übertrage nur bei Unfällen Daten, die auch nur für Rettungszwecke erhoben werden dürften. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar dagegen hat mehrfach vor einem Missbrauch des Systems gewarnt.

(RP/nbe)
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