Manipulationsskandal ADAC entschuldigt sich

Der ADAC weist auf einer Pressekonferenz zum Manipulationsskandal alle Schuld Pressesprecher Ramstetter zu und verspricht lückenlose Aufklärung. Die tut not. Zuvor wurden weitere Betrugsvorwürfe laut. Auch ein Ministerpräsident teilt aus. Ein Auto-Experte fordert die Zerschlagung.

 ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair entschuldigte sich am Montag für den Manipulationsskandal.

ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair entschuldigte sich am Montag für den Manipulationsskandal.

Foto: afp, CHRISTOF STACHE

Nach den Manipulationen beim Autopreis "Gelber Engel" wies die ADAC-Führung alle Schuld dem bisherigen Kommunikationschef zu. Michael Ramstetter habe einen "unverzeihlichen Fehler" gestanden, den Geschäftsführung und Präsidium nicht für möglich gehalten hätten, sagte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair am Montag. Es handle sich um einen isolierten Vorgang. Doch Zweifel sind längst in der Welt und halten sich hartnäckig.

Der ADAC zählt zu den mächtigsten Organisationen Deutschlands. 19 Millionen Mitglieder, das ist ein Faustpfand. Die meisten haben sich dem Verband angeschlossen, weil sie von der zuverlässigen Pannenhilfe des ADAC profitieren wollen. Auf anderer Ebene agiert die Organisation, die eigentlich ein Verein ist, als Wirtschaftsunternehmen. ADAC-Reisen, ADAC-Busse, ADAC-Versicherungen, zudem intensive Beziehungen zu den deutschen Autoherstellern, auch das ist der ADAC.

Allein durch seine Größe nimmt der ADAC längst eine Rolle als politischer Faktor ein. Zuverlässig positioniert er sich bei strittigen Themen wie Pkw-Maut, Tempolimit oder Spritpreisen möglichst klar. Zuletzt trieben den Verein vor allem steigende Kosten für Benzin und Diesel um. Im Wahlkampf legte sich dabei gleich mit der CSU-Führung an, bisweilen mit aggressiver Wortwahl. Autofahrer wurden in der Regel "abkassiert".

Schlagartig kleinlaut

Erhebliche Marktmacht entfaltete der Verband zudem durch seine Bewertungen. Crashtests von Fahrzeugen, Sicherheit von Kindersitzen, Dachboxen, Waschanlagen und und und. "Kompetent, unabhängig und objektiv untersucht der ADAC seit Jahrzehnten Produkte, Dienstleistungen und Infrastrukturen für alle mobilen Verbraucher", heißt es auf der Internetseite.

Am Wochenende löste sich das gute Bild, das so viele Deutsche von dem Autoverband haben, in Luft auf. Kommunikationschef Michael Ramstetter nahm seinen Hut, Geschäftsführer Karl Obermair räumte ein, dass schon seit Jahren Zahlen geschönt wurden. Vor wenigen Tagen noch hatte er den ersten Enthüllungsbericht der Süddeutschen Zeitung verächtlich mit Spott abgetan. Nichts sei so schnell vergessen wie die Zeitung von gestern: "Mit der packt man den Fisch ein."

"Dreistigkeit eines Einzelnen"

Nun klingt es aus München kleinmütig. Auf einer Pressekonferenz am Montagmittag bedauerte die Geschäftsführung den Vorfall und versprach Aufklärung. Bei der Süddeutschen Zeitung habe man sich inzwischen entschuldigt.

Die aufgeblasenen Teilnehmerzahlen bei der Wahl zum Lieblingsauto des Jahres stellt Obermair als Werk eines einzelnen Sünders dar, von dem die Geschäftsführung keine Kenntnis gehabt habe. "Wir müssen davon ausgehen, dass auch in vergangenen Jahren die Zahl der abgegebenen Stimmen zum Lieblingsauto nach oben korrigiert wurde", räumte der ADAC-Chef ein.

Er sei fassungslos über die "Dreistigkeit des Fehlverhaltens einer einzelnen Führungskraft, für den selbstverständlich bis zuletzt die Unschuldsvermutung gegolten hat", sagte Obermair. Dem ADAC sei dadurch schlimmer Schaden zugefügt worden. Man werde alles unternehmen, um das Vertrauen in den ADAC zurückzugewinnen.

Seehofer kartet nach

Doch von einem Einzelfall kann am Montagmittag längst keine Rede mehr sein. Selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer äußerte Zweifel an der Redlichkeit des ADAC. Von den Manipulationen sei er keineswegs überrascht, sagte der CSU-Chef am Montag in München. In der Diskussion um die Pkw-Maut habe er sich über die Zahlen des Clubs immer gewundert. "Wir haben immer andere Zahlen gehabt", so Seehofer.

Mag man das Nachkarten Seehofers noch als Racheakt für die Anfeindungen des ADAC im Kampf um die Pkw-Maut ansehen, setzen andere Vorwürfe den Automobilclub in ein noch diffuseres Licht. So erinnerte die Frankfurter Allgemeine Zeitung an einen Bericht aus dem Jahr 2005, der den Verband erheblich belastete, damals aber nur wenig Beachtung fand.

Auch ein Test wurde offenbar gefälscht

Dabei ging es um die Manipulation eines Testberichts. So habe der ADAC einen rumänischen Dacia vor dem Test absichtlich minderwertige Reifen aufgezogen, um einen Überschlag zu provozieren. Anschließend habe der ADAC die Meldung "Billigflieger aus Rumänien" an die Presse gegeben. Was anschließend folgte, erinnert fatal an die Ereignisse der vergangenen Tage: Nachdem Journalisten berichteten "Schummelclub ADAC?" habe der ADAC mit Beschimpfungen reagiert, musste jedoch anschließend zurückrudern.

Die Parallelen sind offensichtlich: Auch in diesen Tagen ist von einem Gebahren zu lesen, bei dem sich der ADAC aufführt, als sei Kritik an ihm eine Majestätsbeleidigung. Auf den Hochmut folgte der Fall. Das Verhalten der ADAC-Spitze im Skandal um den Autopreis "Gelber Engel" sei "katastrophal" gewesen, lautet das Urteil des Medien-Experten Michael Spreng. Die Führung habe dem Autoclub "unermesslichen Schaden" zugefügt.

Die Glaubwürdigkeit hat nicht nur bei Experten schwer gelitten. In sozialen Netzwerken ergießt sich seit Sonntag eine Welle sarkastischen Spotts, bei Facebook postete ein Nutzer beim ADAC ein Austrittsformular, in mehr als tausend Kommentaren machen andere ihrer Enttäuschung Luft.

Experte will ADAC zerschlagen

Auch deswegen fordern Stimmen aus Medien, Politik und Autobranche nun grundlegende Veränderungen beim Verein aus München. Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer etwa hält die derzeitige Organisationsstruktur für gescheitert. "Es gibt keine Kontrolle beim ADAC. Man schottet sich ab", sagte Dudenhöffer am Montag im Bayerischen Rundfunk und warf dem Verein Arroganz und Selbstherrlichkeit vor. "Offensichtlich ist das System ein Nährboden dafür, dass sich Dinge entwickeln, die sich in Unternehmen nicht entwickeln dürfen."

Kosmetische Änderungen genügten nicht mehr, der ADAC brauche "eine völlig neue Struktur". Sonst werde er seine Glaubwürdigkeit verlieren. Nach Ansicht des Experten, der Professor an der Universität Duisburg-Essen ist, sollte der ADAC in einen Pannenservice und ein Wirtschaftsunternehmen aufgeteilt werden. Denn es gebe Verflechtungen, die mit der Unabhängigkeit von einer Testorganisation nichts zu tun hätten.

(pst)
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