Teure Sicherheitstrainings für Fahranfänger Wie die Regierung den ADAC fördert

Düsseldorf · Eine zentrale Forderung des Autoclubs steht im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Sollte daraus ein Gesetz werden, winkt dem Club das nächste Millionengeschäft. Leidtragende wären die Fahranfänger, für sie würde es teurer.

 Ein Sicherheitstraining im Rahmen des „Zwei-Phasen-Modells“ müsste laut ADAC auch eine Fahrt in einem Parcours beim gleichzeitigen Senden einer SMS enthalten, um so Gefahren durch Ablenkung zu demonstrieren.

Ein Sicherheitstraining im Rahmen des „Zwei-Phasen-Modells“ müsste laut ADAC auch eine Fahrt in einem Parcours beim gleichzeitigen Senden einer SMS enthalten, um so Gefahren durch Ablenkung zu demonstrieren.

Foto: ADAC

Es ist nur ein unauffälliger Halbsatz, der auf Seite 45 des Koalitionsvertrages steht, doch für den ADAC könnte er Millionen wert sein. In der Fahranfängerausbildung, steht dort, will die Koalition aus CDU/CSU und SPD ein Mehr-Phasen-Modell entwickeln — "unter Einbeziehung von Fahrsicherheitstrainings". Fahranfänger müssten dann nach dem Führerschein-Erwerb eine Art Aufbaukurs machen.

Das klingt zunächst vernünftig, wer wäre nicht für mehr Sicherheit im Straßenverkehr? Doch ob die Einführung Vorteile hätte, ist höchst umstritten — und so zeigt der Satz vor allem, wie groß der Einfluss des ADAC auf die Verkehrspolitik ist.

Der Autoclub wäre der größte Profiteur einer solchen Regelung. Seit Jahren macht er sich deshalb dafür stark, Führerscheinneulinge zu zusätzlichen Fahrsicherheitstrainings zu verdonnern, während er gleichzeitig mit 52 Trainingsanlagen der größten Anbieter ist. Momentan schreibt der Großteil der Anlagen Verluste, doch die Auslastung würde durch eine neues Gesetz natürlich sprunghaft steigen — allein 2012 machten 958 252 Personen ihren Pkw-Führerschein. Experten rechnen damit, dass es durch die Einführung eines "Mehr-Phasen-Modells" mehr als hundert Millionen Euro zwischen Anbietern von Fahrsicherheitstrainings zu verteilen gäbe. Die Verwunderung über den Halbsatz im Koalitionsvertrag hält sich daher in Grenzen. "Wir wissen, dass der ADAC in der Lage ist, seine Themen bei Verhandlungen in den Mittelpunkt zu rücken — auch um seine Investitionen zu schützen", sagt Wolfgang Schultze, Präsident der Landesverkehrswacht Niedersachsen.

In einem politischen Positionspapier forderte der ADAC bereits vor der Bundestagswahl die Ausdehnung der Fahrausbildung, Peer Steinbrück fragte man in der hauseigenen Zeitschrift "Motorwelt" ganz direkt: "Finden sie es gut, wenn junge Fahrer spezielle Fahrsicherheitstrainings oder Nachschulungen absolvieren?" Der Kanzlerkandidat warnte damals vor zusätzlichen Kosten, genau wie Wolfgang Schultze: "Die heutige Führerscheinausbildung ist sehr teuer für junge Leute." Eine Verlängerung würde sie noch teurer machen, auch wenn sich der ADAC laut eigenen Angaben dafür einsetzen will, dass sich die Kosten nicht erhöhen. Wie das funktionieren soll, sagt er nicht.

Das Unfallrisiko bei jungen Leute dürfte sich indes nicht reduzieren. Das behaupten zumindest die Wissenschaftler der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die dem Verkehrsministerium unterstellt ist. Sie bezweifeln den Sinn des so genannten "Zwei-Stufen-Modells" — ein eintägiger Kurs könne am Fahrverhalten nicht viel ändern. "Es ist schon lange wissenschaftlich erwiesen, dass die größte Unfallgefahr zu Beginn der Fahrkarriere besteht", sagt Michael Bahr, stellvertretender Leiter des Referats Fahrausbildung. Bewährt hätte sich hingegen das Begleitete Fahren, bei dem Jugendliche den Führerschein bereits mit 17 Jahren machen können, im ersten Jahr aber nur in Begleitung eines fahrerfahrenen Begleiters unterwegs sein dürfen. "Je mehr unter Begleitung gefahren wird, desto geringer ist das Unfallrisiko in der Phase des selbständigen Fahrens."

Doch diese Erkenntnis hielt die beiden bayerischen Verhandlungsführer Peter Ramsauer (CSU) und Florian Pronold (SPD) nicht davon ab, die Wahlforderung des Münchner Autoclubs in den Koalitionsvertrag zu übernehmen. Dem ADAC kam dabei zugute, dass bei den Verhandlungen Themen wie die Pkw-Maut im Vordergrund standen. Über die Fahrausbildung habe man nicht lange gesprochen, sagt ein Mitglied des Verkehrsausschusses.

Dabei sollten den Politikern die Erfahrungen aus der Vergangenheit Warnung sein: Bereits bei der Einführung des Führerscheins mit 17 wurden parallel "freiwillige Fortbildungsseminare für Fahranfänger" eingeführt, nachdem sich auch der ADAC dafür stark gemacht hatte. Wer ein solches Seminar besuchte, bekam ein Jahr der Probezeit erlassen. Fahrsicherheitstrainings waren hierbei — in abgewandelter Form — fester Bestandteil. Schnell wurden die Seminare wieder eingestellt: Die Ergebnisse waren verheerend. Statt die Sicherheit zu erhöhen, stieg das Unfallrisiko sogar. "Die Absolvierung eines solchen Fahrsicherheitstrainings hat oft dazu geführt, dass bei den Autofahrern die Hemmschwelle gesunken ist", sagt Michael Bahr. Statt sicherer fuhren die Fahranfänger vor allem rasanter.

Der ADAC beruft sich daher heute lieber auf eine Studie aus Österreich, die belegen soll, dass Unfallzahlen bei Fahranfängern nach einem mit zeitlichem Abstand absolvierten Fahrsicherheitstraining deutlich zurückgingen. Die BASt zweifelt die Aussagekraft der Studie jedoch an. Denn nicht nur in Österreich sanken im Untersuchungszeitraum die Unfallzahlen — sondern auch in anderen Ländern Europas. Einfacher Grund: Junge Menschen fahren immer seltener Auto.

Das alles hieße nicht, dass man die Führerscheinausbildung nicht verbessern müsste, sagt Wolfgang Schultze: "Alles was der Verbesserung der Verkehrssicherheit dient, ist in Ordnung." Ökonomische Interessen sollten dabei jedoch nicht der Antrieb sein.

(RP)
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