Begriffsverwirrung Deutsche Autosprache am Ende

Dortmund (RPO). Distronic, iDriveCrossover, Head-up-Displays - in den Preislisten vieler deutscher Auto-Hersteller wimmelt es nur so von unverständlichen Begriffen. Walter Krämer ist sauer: Ohne Wörterbuch ist man aufgeschmissen", schimpft der Vorsitzende des Vereins für deutsche Sprache.

Anglizismen: So geht's auch auf Deutsch
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Foto: AFP

Dass bei der Namensgebung hin und wieder etwas schiefgeht - etwa der Mitsubishi Pajero in Spanien heißt wie ein Selbstbefriediger, der Suzuki Baleno an einen Schokoriegel und der Nissan Serena an eine Damenbinde erinnert -, daran haben sich Autokäufer gewöhnt. Doch dass Bezeichnungen für Funktionen und Ausstattungsmerkmale mehr Fragen aufwerfen als beantworten, will Menschen wie Krämer nicht in den Kopf.

Wer sich im "Car Configurator" durchs Internet klickt oder die Prospekte studiert, kann die Verwirrung der Sprachschützer nachvollziehen. Er stolpert über Begriffe wie "Distronic", "4Motion", "Advantage"-Pakete, "Track & Field", "Head-up-Displays", "Hill Descent Control", "Linguatronic", "Dynamic Stability Control", "Magnetic Ride" oder "iDrive" und muss oft nach dem Sinn suchen.

"Englische, deutsch-englische und pseudo-englische Begriffe verursachen in der Kommunikation immer mehr Probleme, weil deutschsprachige Kunden immer weniger verstehen", klagt Geert Teunis aus Braunschweig, der seit Jahren auf jeder VW-Hauptversammlung eine flammende Rede gegen den Niedergang der Sprachkultur hält.

Wettbewerbsfaktor verschenkt

Damit verschenkt die Industrie einen wichtigen Wettbewerbsfaktor, glaubt Krämer: "Jeder hält den Airbag für eine amerikanische Erfindung, dabei kommt er aus Stuttgart. Hätte man ihn Prallkissen genannt, wäre das nicht passiert", glaubt der Statistik-Professor, der deutsche Bezeichnungen als Vorteil sieht: "Bei Bier und bei Autos sind wir anerkannte Weltspitze. Warum nutzen wir das nicht?"

"Das "Denglisch" zieht sich zum Beispiel bei VW durch die gesamte Begrifflichkeit", klagt Teunis und macht das auch an den Farben fest: "In Spanien haben sie spanische Namen, in Frankreich französische und in Italien italienische. Aber warum muss ein VW in Deutschland in "shadow blue metallic" lackiert sein?", fragt Teunis und lobt Mehrheitsaktionär Porsche für den Mut zu "Steingrau" oder "Seeblau".

Bei der jüngsten VW-Hauptversammlung gab es eine Antwort von ganz oben: "Letztlich ist entscheidend, wie die Farbbezeichnungen bei den Kunden ankommen. Unsere Erfahrung ist, dass englischsprachige Farbbezeichnungen oft positivere Assoziationen erwecken als vergleichbare deutschsprachige Bezeichnungen", entgegnete Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch.

Vorstandschef Winterkorn räumte zwar ein, dass die zu intensive Verwendung englischer Begriffe einen Kulturverlust bedeute. "Trotzdem werden wir als global agierendes Unternehmen im Konzern auf solche Produktbegrifflichkeiten, die international gelten, nicht verzichten können."

Es geht auch anders

Dass es auch anders geht, zeigen ausgerechnet die Importeure, sagt VDS-Vorsitzender Krämer und berichtet von der Lektüre des Prospektes für ein japanisches Oberklassemodell, in dem er kein einziges englisches Wort gefunden habe.

Doch es ist nicht nur die Vermischung verschiedener Sprachen, mit denen die Hersteller zu schweren Gedankensprüngen zwingen. Auch Abkürzungen machen ihnen das Leben schwer, klagt Manfred Gotta aus Baden-Baden, der als professioneller Taufpate schon hunderten Produkten und Funktionen einen Namen gegeben hat.

"Abkürzungen sind dann in Ordnung, wenn sie etwas Erstmaliges und Einmaliges bezeichnen", sagt Gotta und nennt als Beispiel das Kürzel ABS für das Anti-Blockier-System. "Das war neu, das kannte keiner, und das ist heute so fest etabliert, dass eine andere Bezeichnung ohnehin keine Chance mehr hätte."

Doch Bezeichnungen wie PCCB für die Keramikbremse bei Porsche zum Beispiel hält er für schwer vermittelbar. Er fordert bei Funktionen und Ausstattungslinien ähnliches Engagement wie bei Namen für Farben. Dass eine gute Bezeichnung auch auf Englisch sein könne, ficht den Namensschöpfer nicht an: "Man muss nicht auf Teufel komm raus nach Fremdsprachen suchen, aber manchmal passt es einfach besser: Inline-Skates nennt schließlich auch keiner "Ein-Spur-Rollschuhe"."

Mit der richtigen Bezeichnung könnte man in manchen Fällen mehr erreichen, bestätigt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenorganisation KÜS in Losheim am See (Saarland). "Dass das elektronische Stabilitätsprogramm bei vielen Autofahrer noch immer unbekannt ist, liegt auch daran, dass es bei jedem Autohersteller anders heißt." Marmitt regt eine einheitliche Namensgebung für vergleichbare Sicherheitsfunktionen an. "Der Gurt heißt schließlich auch überall Gurt und der Airbag immer Airbag."

Warnung vor Beamtensprache

Bei seiner Kritik an den Sprachpanschereien der Autoindustrie schimpft VDS-Chef Krämer nicht nur über Anglizismen. "Auch im Deutschen gibt es Wortungetüme, sinnleere Sprachhülsen und Zungenbrecher, die man meiden sollte." Krämer warnt etwa vor einer Beamten- und Behördensprache. In seinen Augen gibt es immer eine passende Formulierung: "Wer fünf Minuten nachdenkt, findet für alles eine passende Bezeichnung, die selbst der Dümmste versteht."

Auch die Vermutung, dass den Autoherstellern mit Zahlen gelingt, woran sie mit Worten gelegentlich scheitern, ist übertrieben optimistisch. Nicht immer bedeuten die Ziffern am Heck das, was man hinter ihnen vermutet. So hat ein Mercedes SLK 200 Kompressor eben nicht 2,0 sondern nur 1,8 Liter Hubraum.

Während sie dort übertreiben, stapeln die Schwaben bei der S-Klasse freiwillig tief und führen die Version mit einem 5,5 Liter großen V8-Motor lediglich als S 500. Bei BMW ist das nicht anders: Der 535d hat nur 3,0 Liter Hubraum und der 550i muss mit 4,8 Litern auskommen.

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