Lifestyle-Objekt Fixie - das Fahrrad für Freaks

Edewecht/Düsseldorf (RPO). Wer glaubt, ein normales Rennrad vor sich zu haben, täuscht sich. Erst auf den Blick sieht man, dass ein "Fixie" keine Gangschaltung besitzt. Im Zweifel nicht einmal eine Bremse. Was ein Radler-Erlebnis der besonderen Art verspricht, liegt derzeit klar im Trend.

Fixie - Das Fahrrad für Risikofreudige
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Welche Schaltung mit wie vielen Gängen ist die beste? Wie sieht es mit Federung an Vorder- und Hinterrad aus? Was hat es mit den aktuell so beliebten Elektro-Zusatzantrieben auf sich? All diese Fragen stellen sich den Fahrrad-Puristen nicht, die sich auf die sogenannten Fixies oder Singlespeeds eingeschworen haben. Diese Fahrräder kommen ohne jeglichen technischen Schnickschnack aus und garantieren ein ursprüngliches Rad-Vergnügen. Der Nachteil: Mit einem Fixie legen sich Ungeübte sozusagen fix mal auf die Nase.

Wo kommen die Fixies her? "Den Ursprung bilden eigentlich Bahnsport-Räder", erklärt Bettina Cibulski, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Bremen. Es sind also im Grunde reinrassige Rennräder, die ihren Einsatz allerdings ohne Gangschaltung absolvieren. Der einzig mögliche Fahr-Gang steht hinter dem Begriff Singlespeed. Weil sie ursprünglich auf Rennpisten unterwegs waren, haben die Originale - und auch viele moderne Nachbauten - keine Bremsen. Der Szenejargon dafür: "brakeless".

Mit dem Schlagwort Fixie wird eine weitere Eigenheit beschrieben. Oft gibt es einen starren - oder fixen - Antrieb: Anders als bei einem herkömmlichen Rad existiert kein Freilauf. Wenn sich das Hinterrad dreht, setzen auch die Pedale ihre Bewegungen fort. Mit geschicktem Einsatz und reichlich Kraft in den Beinen wird gebremst, indem die Beine sich gegen die Drehbewegung der Pedale stemmen. Ebenfalls möglich ist hier das "Flip Flop"-Prinzip: Das Hinterrad kann umgedreht werden - je nach Montagerichtung wird das Fahrrad zum "Fixie" oder hat einen Freilauf.

Fahrrad als Lifestyle-Objekt

Stellt sich die Frage, warum sich ausgerechnet Fahrräder zum Trend entwickelt haben, die ohne Schaltung anstrengender zu fahren sind - und wenn sie einmal in Fahrt sind, auch nur schwer zum Stehen gebracht werden können. "Für so etwas interessieren sich Menschen, die das Fahrrad nicht nur als reines Fortbewegungsmittel, sondern auch als Lifestyle-Objekt ansehen", sagt Bastian Roet, Verkehrssoziologe des Automobilclubs von Deutschland (AvD) und einst semiprofessioneller Radrennfahrer. "So etwas ist im Grunde eine Gegenbewegung zu den aktuellen Techniken von Scheibenbremsen bis Full Suspension."

Entstanden ist der Hang zum Fahrrad-Purismus in den Trendmetropolen dieser Welt - und nicht zuletzt auch in der Szene der Fahrradkuriere. Anfangs ging es dabei nicht um neue Fahrräder im Stil der alten Rennmaschinen, sondern um die Originale. "Bis vor etwa einem Jahr konnte man zum Beispiel bei eBay noch Originalteile der alten bekommen", weiß Stefan Scheitz von der Firma Sportimport in Edewecht (Niedersachsen). Das Unternehmen vertreibt die Modelle der Marke Felt, zu deren Programm auch moderne Singlespeeds gehören.

Aus diesen Teilen haben sich die meist jungen Enthusiasten dann die Klassiker zusammengebaut. "Gerade in den Studentenstädten sieht man viele der echten Fahrräder neu aufgebaut", so Scheitz. Mittlerweile jedoch ist der Nachschub an Originalteilen so gut wie versiegt. Und so ist es kein Wunder, dass sich nun die Hersteller mit neuen Modellen an den Trend anhängen - nicht ohne Erfolg. Scheitz nennt zwar keine Zahlen, berichtet aber von einer "sehr erfreulichen und signifikanten Steigerung" bei der Nachfrage.

Ohne Bremsen

Der Reiz an den Fahrrädern ist laut Bastian Roet nicht nur in der Einfachheit an sich zu finden: "Der eine Gang zwingt den Fahrer dazu, in einem gleichmäßigen Rutsch zu fahren, einen runden Tritt zu finden." Allerdings hat die Sache nach Meinung der Verkehrsexperten einen recht großen Haken - und der drückt sich in Form der Bremsen aus, beziehungsweise der oft nicht vorhandenen Bremsen.

Ein puristisches Fixie hat nur die Möglichkeit, über die Tretkurbeln gestoppt zu werden. Rein rechtlich muss ein auf der Straßen eingesetztes Fahrrad aber zwei unabhängige Bremsen haben, mit denen sich das Zweirad auch aus hohem Tempo zuverlässig stoppen lässt. Zum einen sind aber die Tretkurbeln auch nach Ansicht von ADAC-Jurist Jost Hennig Kärger eher Teil des Antriebs als einer Bremsanlage.

Und selbst wenn so etwas rechtlich durchgehen würde, wäre es nur eine statt der geforderten zwei Bremsen. Hersteller wie Felt rüsten ihre neuen Fixies daher auch mit zwei Bremsen aus. Und darauf sollten auch Liebhaber des neuen Fahrradtrends Wert legen - um eben nicht fix auf der Nase zu landen.

(tmn/kpl)
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