Freiwillige Fahrschule für Senioren in Essen "Übt, denn es tut euch gut"

Essen · Immer wenn es einen schweren Pkw-Unfall unter Beteiligung eines älteren Autofahrers gibt, werden Diskussionen über besondere Schulungen oder gar Fahrverbote ab einem bestimmten Alter laut. Jedoch: Praxisnahe Angebote für Senioren gibt es bislang nur wenige. Die Essener Verkehrswacht will Senioren jetzt in großem Stil trainieren.

 Senioren, die sich hinter dem Steuer unsicher fühlen, können in Essen einen speziellen Kurs besuchen.

Senioren, die sich hinter dem Steuer unsicher fühlen, können in Essen einen speziellen Kurs besuchen.

Foto: dpa

Im Alter nochmal zur Fahrschule? Ein Essener Verein will Senioren das anbieten - freiwillig, flächendeckend und vertraulich. Ziel des Pilotprojekts "Ü60, aber sicher" sei es vor allem, ältere Autofahrer am Steuer sicherer zu machen. Das erste Dutzend Kandidaten soll am Mittwoch geschult werden, wie die Verkehrswacht Essen mitteilte.

Die älteren Fahrer absolvieren Kreisfahrten, Slaloms und Notbremsungen, sie bekommen Tipps zu seniorengerechten Autos und Assistenzsystemen, ihnen wird außerdem gezeigt, wie man Sitz und Lenkrad altersgerecht einstellt. Bis zum Dienstag meldete der Verein bereits rund 70 telefonische Anmeldungen. "Und es geht munter weiter", sagte Geschäftsführerin Elke Treptau.

Auf die Frage, ob es denn eher die Senioren selbst oder deren Kinder seien, die sich bei Ihnen melden, sagt Karl-Heinz Webels, Vorsitzender des Essener Vereins: "Wir haben vor sieben Jahren schon einmal 150 Senioren durch ein solches Programm geschleust. Damals bestanden Interesse und teilweise auch Ängste überwiegend bei den Senioren selber. Da gab es also ein besonders Maß an Verantwortungsbewusstsein."

 Karl-Heinz Webels ist Vorsitzender der Verkehrswacht Essen.

Karl-Heinz Webels ist Vorsitzender der Verkehrswacht Essen.

Foto: dpa, rwe kde

Typische Ängste bei den Senioren seien, dass das Fahren außerhalb des Nahbereichs, wo man wohne, nicht mehr klappe, sagt Webels. Oder bei komplexen Verkehrssituationen wie beim Abbiegen würden viele unsicher.

Nach den typischen Problemen ältere Autofahrer befragt, sagt Webels: "Teilweise nehmen sie Medikamente, die die Fahrtüchtigkeit einschränken können. Seh- und Hörleistung lassen nach. Und auch die Reaktion ist vielleicht nicht mehr die eines 20-Jährigen. Wobei man das auch üben kann."

"Wenn man solche Trainings ausschreibt, kommen schon viele", sagt Professor Georg Rudinger, emeritierter Psychologe aus Bonn.

Vor allem kämen viele, wenn sie wie in Essen nicht befürchten müssten, ihren Führerschein zu verlieren. Als wissenschaftlicher Beirat der Landesverkehrswacht NRW beobachtet Rudinger den ersten Termin des Projektes.

Die Essener Verkehrswacht sichert den Senioren Vertraulichkeit zu und bietet bei Unsicherheiten am Steuer an, Fahrstunden und Theorieunterricht bei Fahrlehrern zu vermitteln. Dies seien Erfolgsfaktoren, meint Rudinger. Er kenne nicht viele derart realitätsnahe Fahrkurse für Senioren in Deutschland.

Ältere Menschen müssen beim Autofahren unter anderem ein eingeschränktes Sichtfeld und schlechteres Dämmerungssehen ausgleichen, erklärt Rudinger. Der Schulterblick sei nicht mehr so einfach, in komplexen Situationen wie an Kreuzungen seien Senioren schneller abgelenkt.

Sieben bis zehn Prozent seien eine Risikogruppe, weil sie drei oder mehr Medikamente nähmen. "Das sind Einschränkungen, die durchaus kompensierbar sind, wenn der ältere Mensch darüber Bescheid weiß", sagte Rudinger.

Was rät Vereinsvorsitzender Webels den Senioren? Weiterzufahren oder lieber der Unsicherheit nachzugeben? "Es gibt erste wissenschaftliche Untersuchungen, dass bei einer Fahrpraxis von jährlich weniger als 1500 bis 3000 Kilometern die Routine nachlässt. Der Rat kann für jene, die noch fahrtauglich sind, nur sein: 'Fahrt bitte auch. Übt, denn es tut euch gut.'"

Service - Der Kurs findet zwischen 10.00 und 14.00 Uhr statt, die Teilnahme kostet 50 Euro. Verkehrsübungsplatz Am Schacht Hubert 55, 45139 Essen

(csr/lnw)
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