75 Jahre Autobahn Hitlers Autobahn-Lüge

Düsseldorf (RP). Im September 1933 tat Adolf Hitler den ersten Spatenstich für ein modernes Schnellstraßennetz. Bis heute halten viele das Prestige-Projekt der Nazis für einen Arbeitsmarkterfolg – zu Unrecht.

 Adolf Hitler beim Spatenstich der ersten Reichsautobahn am 23. September 1933.

Adolf Hitler beim Spatenstich der ersten Reichsautobahn am 23. September 1933.

Foto: ddp

Düsseldorf (RP). Im September 1933 tat Adolf Hitler den ersten Spatenstich für ein modernes Schnellstraßennetz. Bis heute halten viele das Prestige-Projekt der Nazis für einen Arbeitsmarkterfolg — zu Unrecht.

In frisch gewichsten Stiefeln steht er da, braun uniformiert, breitbeinig. Dann lässt er den Spaten ins lockere Erdreich fahren, umringt von feixenden NSDAP-Funktionären. Kameras surren, Fotoapparate klicken. Adolf Hitler will, dass dieser perfekt inszenierte Augenblick am 23. September 1933 in Erinnerung bleibt.

Damals begann bei Frankfurt der Bau der ersten Reichsautobahn. Zugleich wurde eine deutsche Legende geboren. Bis heute hält sich hartnäckig die Mär, wonach es Hitler gelungen sei, mit dem Großprojekt die grassierende Massenarbeitslosigkeit der Weimarer Republik erfolgreich zu bekämpfen. Nach dem Motto: "Hitler war schlecht, aber immerhin hat er doch die Autobahnen gebaut." Die Wirklichkeit sah etwas anders aus.

"Der Autobahnbau als Arbeitsbeschaffung ist nur ein großer Mythos", sagt der Frankfurter Verkehrshistoriker Reiner Ruppmann. Auf den Baustellen waren bestenfalls 125.000 Arbeiter beschäftigt, wenn man die Zulieferindustrie mitrechnet rund 250.000. Angesichts von sechs Millionen Arbeitslosen konnte so nur ein kleiner Teil der Stellensuchenden wieder in Lohn und Brot gelangen. Trotzdem, in der NS-Propaganda wurde daraus das Job-Wunder des Führers.

Per Flugzeug angereist

Hitler war per Flugzeug eigens aus Berlin angereist, um den symbolträchtigen Spatenstich zu vollziehen. Wieder einmal erwiesen sich die Nazis als Meister der Inszenierung. Zur selben Zeit veranstaltete die NSDAP ihren Gau-Parteitag Hessen-Nassau unter dem Motto "Frieden und Arbeit" in Frankfurt. 700 eigens angeheuerte Arbeiter marschierten mit geschultertem Spaten als "Soldaten der Arbeit" zur Baustelle. An den Straßenrändern jubelten SA-Männer und NSDAP-Genossen, abgeordnete Schulklassen und Passanten. "Eine minutiöse Choreografie", sagt Historiker Ruppmann.

Und weil es so schön war, wiederholte Hitler den feierlichen Akt noch einmal, im März 1934, als bei Unterhaching der Bau der Strecke von München nach Salzburg begann. "Um diese beiden Spatenstiche rankte sich die ganze Propaganda", so Ruppmann. Schon im Mai 1935 eröffnete Hitler dann das erste fertiggestellte Autobahn-Teilstück, und wieder wurde daraus ein gigantisches Jubel-Ereignis.

Nur abgekupfert

Dabei hatten die Nazis ihr großes Prestige-Objekt eigentlich nur abgekupfert. Die Autobahnidee war bereits 1925 im Frankfurter "Wirtschaftsamt" unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann entwickelt worden. 1926 wurde daraufhin der "Verein zur Förderung der Autostraße Hamburg-Frankfurt-Basel" (Hafraba) gegründet. Die Hafraba plante ein Straßennetz mit "allein dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltenen, völlig kreuzungsfreien Straßen". Doch dann wurde das ehrgeizige Vorhaben im Reichstag gekippt — von einer Koalition aus NSDAP und KPD.

Nach der Machtergreifung musste Hitler die fertigen Pläne der Hafraba nur noch aus der Schublade ziehen und sich mit dem Spaten in der Hand zum Vorarbeiter der Nation erklären. Hitlers Mann für die Realisierung war Fritz Todt, der zum Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen ernannt wurde. Bauherrin wurde die von der Reichsbahn gegründete und mit 50 Millionen Reichsmark ausgestattete Gesellschaft "Reichsautobahnen".

Halb zu Tode geschippt

Todt war ein großer Organisator, aber auch er wusste, worauf es bei den Autobahnen vor allem ankam: "Sie haben einzig und allein als die Straßen des Führers zu gelten." Film, Literatur und Kunst feierten die "Führerautobahn" in schwülstigen Hymnen. Ihre Erbauer wurden als Helden stilisiert.

Dabei schippten sich die Männer halb zu Tode. Maschinen kamen kaum zum Einsatz. Selbst das NS-Propaganda-Blatt "Die Straße" kritisierte 1937: "Die Arbeitsbedingungen entbehren jeder Würde."

(RP)
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