Tradition: 60 Jahre Volvo Sport P 1900 Im Schatten stehender Pionier

Köln · Selbst unter Volvo-Fans erkennen nur wahre Enthusiasten den Sport P 1900, der vor 60 Jahren als erster schwedischer Sportwagen mit Fiberglas-Karosserie Geschichte schrieb. Für eine glorreiche Karriere reichte es nicht.

60 Jahre Volvo Sport P 1900
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Vor 60 Jahren zielten viele Autohersteller mit glamourösen Sportwagen in Richtung der USA. Auch Volvo wollte ein schillerndes Fahrzeug auf schnelle Umlaufbahnen schicken und mit dem Sport P 1900 neue Kontinente erobern. Ihr Modell mit Karosserie aus GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff) war eine Sensation. Eine neuartige Leichtbau-Technik, die den Volvo zum Konkurrenten der amerikanischen Corvette machen sollte, sich allerdings als noch zu kostspielig erwies und in zu kurzer Zeit realisiert wurde. Die Folge der übereilten Entwicklung waren massive Qualitätsprobleme und schließlich ein vorzeitiges Produktionsende. Dennoch hat der Sport P 1900 viel bewegt, und Volvo für das folgende Jahrzehnt zu einer Marke mit sportlichem Image gemacht.

Zunächst aber sorgte der Volvo Sport P 1900 für Aufregung. Konzern-Chef und Volvo-Gründer Assar Gabrielsson begeisterte sich im Jahr 1953 für die Chevrolet Corvette mit einer leichtgewichtigen Kunststoffkarosserie. Was Gabrielsson allerdings verborgen blieb, waren die Anlaufprobleme des amerikanischen Fiberglas-Pioniers. Tatsächlich sollte das GFK Auslöser dafür werden, dass aus dem Traumwagen zunächst ein Alptraum wurde, zu aufwendig, teuer und langwierig gestaltete sich anfangs die Produktion des glasfaserverstärkten Kunstharzes. Ein Drama, das sich bei Volvo wiederholen sollte, nachdem Gabrielsson den kalifornischen Fiberglas-Spezialisten Glasspar mit der Entwicklung eines entsprechenden Sportwagens beauftragte. Während allerdings Chevrolet für die Produktionsprobleme eine Lösung fand, musste Volvo den Stecker ziehen und auf konventionelles Stahlblech für Sportwagen umsteigen.

Anfangs lief bei den Schweden noch alles nach Plan. Das heißt, Glasspar-Designer Bill Tritt lieferte nach wenigen Wochen einen Entwurf in schlichter Pontonform. Das Chassis hatte Volvo geliefert und dazu den PV 444 als Basis genutzt. Ursprünglich sollte der P 1900 übrigens nur 1900 Pounds (lb) wiegen (entspricht 862 Kilogramm), woraus sich die Typenbezeichnung ergab. Allerdings verlangte Volvo einen zweiten Prototypen mit deutlichen Modifikationen, zu denen auch ein versenkbares Verdeck und das Reserverad zählten.

Ein Problem bekamen die Spezialisten nie in den Griff. Die Karosserie des Roadsters zeigte nach nur wenigen Kilometern Risse. Während Glasspar die Ursache für dieses Problem in dem zu schwachen Volvo-Chassis sah, hoffte Volvo die Qualitätsdefizite lösen zu können, wenn erst einmal die Karosserieproduktion nach Schweden verlegt wurde. Tatsächlich gelang es aber nie, die Karosserie ausreichend solide zu bauen. Ein Grund, weshalb der im Frühling 1957 der neu ernannte Volvo-Chef Gunnar Engellau nach ersten Probefahrten im P 1900 sofort die sofortige Produktionseinstellung beschloss.

Hinzu kamen extrem hohe Preise für den GFK-Roadster. Etwa in Großbritannien, wo der Volvo Sport ab 2.100 Pfund Sterling kostete, womit er zwanzig Prozent teurer war als ein ohnehin ungleich stärkerer Jaguar XK 140. Entsprechend tröpfchenweise liefen auch die Bestellungen für den Roadster bei Volvo ein, obwohl dieser gleich drei Premierenpartys gegeben hatte. Die ersten Kundenfahrzeuge wurden ab 1956 ausgeliefert, dies vor allem nach Nord- und Südamerika und Afrika. Dann fehlte es an Nachfrage, weshalb Volvo den Sportwagen entgegen der ursprünglichen Planung doch auf dem Heimatmarkt anbot.

Der Bestelleingang blieb aber desaströs schlecht, bis zum Ende des ersten Modelljahres wurden nur 45 Wagen gebaut, im Jahr 1957 waren es weitere 23 Roadster. Als das Aus für Schwedens Sportwagenhoffnung kam, lief allerdings schon die Entwicklung für den 1960 präsentierten Volvo P 1800 bereits auf Hochtouren. So wurde der unglückliche Roadster zum Start für ein begehrenswertes Coupé.

(ham)
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