Interview mit E-Auto-Experten "Der moderne Diesel ist ein Teil der Lösung"

Düsseldorf · Dem Verbrennungsmotor droht das Aus, der Diesel im Speziellen steht auf der Abschussliste. Politik und Umweltverbände rufen nach dem Elektroauto. Wie realistisch sind die Ausstiegsszenarien? Wir haben mit einem Experten gesprochen.

 Ein BMW X5 xDrive40e als Plug-in-Hybrid mit eDrive lädt mit anderen Elektroautos an Ladesäulen.

Ein BMW X5 xDrive40e als Plug-in-Hybrid mit eDrive lädt mit anderen Elektroautos an Ladesäulen.

Foto: dpa, woi jda pwst

Professor Günther Schuh hat zusammen mit der Deutschen Post den E-Transporter StreetScooter entwickelt. 2018 will er einen eigenen E-Kleinwagen auf den Markt bringen. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen. Wir haben ihn zu den Themen Verbrennungsmotor, Elektroautos und E-Mobilität in NRW befragt.

Großbritannien, Frankreich und andere Länder nennen konkrete Ausstiegsdaten für den Verbrennungsmotor, etwa 2040. Für wie realistisch halten Sie ein solches Szenario?

Schuh Das halte ich für ziemlichen Unsinn. Es wird die Öko-Bilanz der Länder verschlechtern und die Pferdezucht anheizen. Denn es ist ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll, mit reinen E-Autos schnell und weit zu fahren, solange wir auf Feststoffbatterien angewiesen sind.

 Professor Günther Schuh.

Professor Günther Schuh.

Foto: Denise Krentz

Ist die Entwicklung bei den E-Autos überhaupt schon soweit, dass diese den Verbrennungsmotor bis dahin komplett ablösen könnten?

Schuh Nein. Und sie wird auch nicht so weit kommen, wenn wir nicht mit Wasserstoff und Brennstoffzellen einen wesentlichen Teil der elektrischen Energie im Auto bereitstellen können. Und das ist heute noch nicht ausgemacht, ob wir das 2040 schon skalieren können. Ich rechne eher mit 2050 bis 2060.

Die Bundesregierung hält sich bei dem Thema zurück und nennt kein Datum. Wäre es besser, ein Datum zu nennen, um den Druck auf die Automobilindustrie zu erhöhen?

Schuh Ich halte ein prinzipielles Verbot von Verbrennerfahrzeugen für falsch. Also erst recht ein Datum. Anstelle eines Verbots sollten wir die klassischen Kraftstoffe - also Benzin, Diesel, Erdgas - kontinuierlich mehr besteuern, also etwa die Benzinsteuer jährlich um sieben Prozent erhöhen und das für die nächsten 20 Jahre festschreiben. Die Industrie würde sich sofort darauf einstellen und die Kunden auch. Plötzliche Verbote sind unsozial, enteignend gegenüber den bisherigen Kunden und unfair gegenüber den Anbietern.

Hat der Diesel noch eine Zukunft?

Schuh: Klar, denn der moderne Diesel ist ein Teil der Lösung. Die alten Diesel sind unser Problem. Wir haben die Ökobilanz der Diesel-Motoren in den letzten 25 Jahren um 94 Prozent verbessert und müssen diesen Vorteil jetzt auch nutzen. Die steigenden Stickoxid-Werte können durch die in der Euro-6-Norm vorgesehenen Maßnahmen weitgehend kompensiert werden. Das ist zwar sehr aufwendig und teuer, aber immer noch viel günstiger als E-Autos mit großen Batterien auf Langstrecke zu trimmen. Wenn wir jetzt also den Diesel pauschal verbieten, bleiben die alten Diesel noch länger in Betrieb und die Kunden wechseln auf Benziner. Unsere Ökobilanz wird schlechter statt besser.

Warum sind Elektroautos eigentlich so viel teurer als eine vergleichbare Variante mit Verbrennungsmotor?

Schuh Das liegt an den zu großen, teuren Batterien, den derzeit niedrigen Stückzahlen der Fahrzeuge und den für kleinen Stückzahlen teilweise ungeeigneten Fahrzeug- und Produktionskonzepten. Leider werden Lithium-Ionen-Batterien auch nicht kontinuierlich billiger, wie wir das von den Halbleitern gewohnt sind. Kleine E-Autos mit kleinen Batterien können aber schon jetzt zu vergleichbaren Preisen wie entsprechende Verbrennerfahrzeuge angeboten werden.

Wann werden Elektroautos also ein mit 'normalen' Autos vergleichbares Preisniveau erreichen?

Schuh Das ist mit Feststoffbatterien vorerst nur mit E-Autos mit begrenzter Reichweite (100-250 Kilometer) möglich. Ansonsten bleiben die E-Autos teurer als die vergleichbaren Verbrenner oder der Hersteller arbeitet unprofitabel.

Ein weiteres Problem bei E-Autos sind die Ladezeiten. Wann rechnen Sie mit Schnellladetechnologien wie etwa bei aktuellen Smartphones, dass der Akku nach, sagen wir mal, zehn Minuten mindestens zur Hälfte gefüllt ist?

Schuh Schnellladestationen sind notwendig, aber für den Ausnahmefall, nicht den Normalfall. Wer elektrisch fährt, lädt da, wo er sowieso parkt, also zu Hause oder am Arbeitsplatz oder im Einkaufszentrum. Schnellladestationen sind aber auch sehr teuer. Die Netzinfrastruktur ist überhaupt nicht dafür ausgelegt. Wenn zehn Tesla S gleichzeitig auf unserem Campus ankommen würden und in zehn Minuten aufgeladen werden müssten, ginge das Licht auf dem Campus und ganz Aachen-Melaten geht aus. Daher werden die Kommunen das Schnellladen von großen Batterien nur sehr eingeschränkt zulassen können.

Sind E-Autos wirklich so viel sauberer als Modelle mit Verbrennungsmotor? Schließlich muss der Strom ja irgendwo produziert werden und das passiert ja aktuell zum Großteil noch in Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Opel Ampera-e - Test auf der Langstrecke
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Foto: Harald Dawo

Schuh In den Städten lohnt es sich sehr wohl, jetzt schnell auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge umzustellen. Hier müssen wir die lokalen Emissionen von Stickoxiden, Feinstaub und CO so schnell wie möglich drastisch reduzieren. Auf der Landstraße und auf vielen Autobahnen sind die durch Verbrennerfahrzeuge entstehenden Stickoxid- und Feinstaub-Konzentrationen aber unkritisch. Da werden durch E-Autos die Emissionen nur räumlich verlagert. Solange so viel elektrische Energie aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, bleibt der Vorteil des elektrischen Fahrens bezüglich der CO2-Bilanz noch sehr überschaubar. Deshalb lohnt es sich auch ökologisch nicht, rein elektrisch weit und schnell zu fahren.

Wenn ja, müsste der Staat fördernd eingreifen, um den Absatz zu fördern. Die aktuell angebotene Prämie ist ja eher ein Flop.

Schuh Die Umweltprämie für E-Autos ist ein guter Impuls, der vielen Kunden derzeit schon beim Umdenken hilft. Ich glaube, der Marktbedarf für E-Autos ist schon da, nur noch nicht das passende Angebot an Fahrzeugen. Vielfahrer in den Städten - wie Pflegedienste, Essen-auf-Rädern, Zusteller, Taxis, Handwerker, Verkäufer - fahren mit Kleinwagen oder älteren Gebrauchtwagen. Sie können maximal 0,15 Euro/km ausgeben. E-Autos fangen aber derzeit noch bei 0,35 Euro/km an. Auf diese sehr kostensensiblen Vielfahrer in den Städten sollten die Hersteller ihr Produktangebot erweitern. Das ist eher eine Aufgabe der Hersteller, nicht des Staates.

Wie ist NRW auf die Elektromobilität vorbereitet?

Schuh Naja, Deutschland ist als Auto-Land insgesamt etwas spät dran. NRW ist aber relativ gesehen vorne mit dabei. Wir haben in Aachen zusammen mit der Deutschen Post mit dem StreetScooter einen guten Start für NRW hingelegt. Mit der e.GO Mobile AG legen wir jetzt noch mal nach. Wir werden nicht nur im Frühjahr 2018 unser erstes E-Auto, den e.GO Life, auf den Markt bringen. Wir werden auch in den nächsten Jahren jeweils ein weiteres E-Fahrzeug in Serie bringen.

Das klappt bisher gut, weil ein großer Teil unserer Zulieferer und Partner aus NRW kommt. Wir müssen aber noch mehr tun, und in NRW die Kompetenzen besser vernetzen und ausbauen und auch in Produktionsstätten investieren, damit die neuen Arbeitsplätze der Autoindustrie auch in großer Zahl in NRW entstehen.

Elektroauto e.GO Life - Stadtflitzer aus Aachen
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Foto: e.GO

Entwickelt sich Aachen zu einem Mekka der E-Auto-Industrie? Und damit auch NRW?

Schuh Aachen ist die größte Ingenieur-Ausbilder-Stadt Europas. Am RWTH Campus sind schon 20 Prozent der führenden Technologie-Unternehmen Deutschlands immatrikuliert. Wir haben nun eine kritische Masse, mit der wir noch schneller wachsen können und aus der noch viele disruptive Produkte, nicht nur in der Elektromobilität, entstehen werden.

Wird Deutschland in zwanzig Jahren noch immer die führende Rolle in der Automobilwelt innehaben? Oder liegen beim E-Auto dann andere vorn?

Schuh Wir haben noch alle Chancen, eine führende Rolle zu behalten. Aber wir müssen jetzt Gas, nein, Strom geben. Wir brauchen eine Strategie, die auf den Stärken von NRW aufbaut. Ministerpräsident Armin Laschet nennt das 'Engineering Valley', vielleicht auch, weil er als Aachener miterlebt hat, wie wir auf dem RWTH Aachen Campus über 300 Technologieunternehmen mit der Wissenschaft verzahnt haben. Das Konzept könnten wir in ganz NRW ausrollen und die großen Stärken auch unserer mittelständischen Industrie in NRW dann voll nutzen.

Würden Sie mir als Otto Normalverbraucher aktuell zu einem E-Auto raten?

Schuh Wenn Sie mehrere Autos in Ihrem Haushalt brauchen, dann würde ich Ihnen ein kleines Kurzstrecken-E-Auto empfehlen. Wenn Sie ein Universal-Auto für die Stadt und die Autobahn brauchen, dann sollten Sie einen Plug-in-Hybrid fahren, bei dem Sie den Verbrenner in der Stadt immer komplett abschalten können.

(csr)
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