Kölner Busunternehmer erzählt "Der Wettbewerb im Fernverkehr ist pervers"

Düsseldorf · Mit extrem niedrigen Ticketpreisen hat der Marktführer Flixbus große Konkurrenten nach und nach zur Aufgabe gezwungen. Leidtragende des ruinösen Preiskampfes sind Subunternehmer und Fahrer. Ein Busunternehmer erzählt.

 Immer mehr Menschen nutzen Fernbus-Angebote wie den Flixbus. Die niedrigen Preise setzen indirekt auch die Busfahrer unter Druck.

Immer mehr Menschen nutzen Fernbus-Angebote wie den Flixbus. Die niedrigen Preise setzen indirekt auch die Busfahrer unter Druck.

Foto: dpa, dan lof

Wer mit einem der günstigen grünen Flixbusse fährt, unterstützt mittelständische Busunternehmen. Mit dieser Botschaft wirbt der Marktführer aus München, in dessen Auftrag insgesamt 1000 Busse von 250 Partnerunternehmen unterwegs sind. Denn Flixbus kauft seine Busse nicht, sondern vergibt seine Linien als Aufträge an lokale Busbetreiber, für die das Unternehmen anschließend Marketing und Online-Ticketverkauf übernimmt. Mit anhaltend niedrigen Fahrtpreisen hinterlässt der Branchenriese verbrannte Erde für die Konkurrenz, sorgt aber auch für Kritik von Arbeitsrechtlern und den beauftragten Busbetreibern.

"Der Wettbewerb ist extrem, um nicht zu sagen pervers", sagt der Kölner Busunternehmer Jürgen Weinzierl. Seine Angestellten fuhren seit 2012 für Meinfernbus.de und blieben dabei, als diese Plattform — wie zuletzt auch der Postbus — mit Flixbus fusionierte. Ein Gewinn ließe sich nur mit stets vollbesetzten Bussen machen, dies sei aufgrund von schwächeren Fahrstrecken allerdings nicht immer umzusetzen. So suchen Betreiber und Fahrer nach anderen Wegen.

Erst am Donnerstag veröffentlichte das NRW-Arbeitsministerium die Ergebnisse umfassender Arbeitsschutzkontrollen von Fernbus-Unternehmen im Zeitraum März bis Mai dieses Jahres. 1215 Mängel deckten die Kontrolleure dabei auf. Jeder fünfte Fall betraf überschrittene Arbeitszeiten; hinausgezögerte oder verkürzte Pausen machten ein Drittel der Verstöße aus. Auffällig war allerdings, dass die Hälfte aller Fälle auf lediglich drei der 40 kontrollierten Busunternehmen fiel.

Dass Fernbus-Betreiber durch den gewaltigen Anstieg der Fahrgastzahlen und gleichzeitige Dumpingpreise unter Druck geraten, ist für Peter Büddicker, Verdi-Fachbereichsleiter Verkehr in NRW, nicht neu: "Das war schon immer eine problematische Branche, aber Flixbus verstärkt die Probleme noch." Büddicker kennt die Methoden der Unternehmen, die schmalen Margen noch etwas weiter aufzubessern: Fernbusfahrer räumen in den Pausen Gepäck ein, umgehen die Vorgaben zur maximalen Lenkzeit durch zusätzliche Fahrten im innerstädtischen Linienverkehr, die nicht auf der Fahrtkarte vermerkt werden müssen, oder haben sogar eine zweite Karte, um noch mehr Touren fahren zu können. "Die Unternehmen haben nur die Stellschraube Personal", sagt Büddicker. Strategische Niedrigpreisphasen, wie Flixbus sie zum explosiven Wachstum genutzt habe und weiter nutzen will, würden stets "über die Mitarbeiter ausgeschwitzt".

"Die Argumentation, dass sich Niedrigpreise auf unsere Partner und Fahrer negativ auswirken würden, trifft nicht zu", sagt ein Flixbus-Sprecher. Es gebe auch teurere Angebote im Portfolio des Unternehmens, außerdem nutze auch die Bahn niedrige Preise zum Kundengewinn. Dass der Preiskampf zu Lasten der Fahrer — und damit der Sicherheit der Fahrgäste - tobt, dementiert Flixbus ebenfalls. Ein eigenes Team dokumentiere und kontrolliere alle Fahrtdaten aller 1000 Fernbusse. "Potenzielle Verstöße werden identifiziert und mit den Partnerunternehmen besprochen, in berechtigten Fällen auch geahndet", sagt der Sprecher.

"Dauerhafte Niedrigpreise beschädigen das Produkt"

Das bezweifelt allerdings nicht nur Verdi, sondern auch Busunternehmer Weinzierl. Alle Fahrtdaten zu kontrollieren, sei einfach nicht leistbar. "Alle meckern über Kinderarbeit und kaufen am Ende doch die günstigsten Fußbälle. Im Busbereich ist es genauso", sagt Weinzierl. Die Fernbus-Kundschaft sei "extrem preissensibel", eine Erhöhung der Preise um wenige Euro führe zu massiven Umsatzeinbußen.

Wie andere Busbetreiber, die über Flixbus in den boomenden Markt einstiegen, hofft Weinzierl auf einen Anstieg der Preise auf wirtschaftliches Niveau. Dies sei allerdings nicht im Sinne von Flixbus, das stattdessen auf höhere Auslastung und neue Linien setzen wolle. Das könnte aus Weinzierls Sicht zum Bumerang werden: "Dauerhafte Niedrigpreise beschädigen das Produkt."

(bur)
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