Neues Zeitalter der Mobilität Länder-Duell um autonome Autos

Berlin · Selbstfahrende Autos sollen in Bayern und NRW getestet werden. Es ist auch ein Wettstreit der Minister.

Die wichtigste Autobahn Bayerns wird auf ihrem Abschnitt zwischen München und Nürnberg zum Testlabor für ein neues Zeitalter der Mobilität. Mit dem "Digitalen Testfeld Autobahn", für das Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gestern in Berlin den Startschuss gab, sollen auf der A 9 automatisiertes und vernetztes Fahren erprobt werden. Für Ärger sorgt allerdings, dass die moderne Anlage ausgerechnet in Dobrindts Stammland errichtet wird - und nicht etwa im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW oder der jeweiligen Heimat der Autobauer Daimler (Baden-Württemberg) oder Volkswagen (Niedersachsen).

Denn begehrt ist das Testfeld fast überall in der Republik, hat es doch auch Strahlkraft bis weit über Europa hinaus. Geplant ist, die Fahrbahn mit spezieller Sensorik auszustatten, so dass die Straße Daten an entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge senden kann. So kann sie schon mehrere Kilometer im Voraus etwa vor Nässe oder Glätte warnen kann. Neu ist, dass künftig nicht nur intelligente Fahrzeuge miteinander kommunizieren könnten, sondern die Fahrbahn auch als Datenlieferant genutzt würde. So sollen Staus und Unfälle vermieden werden.

Dobrindt zeigte sich zuversichtlich, dass es keine zehn Jahre mehr dauern werde, bis Technik vollständig die Steuerung von Autos übernimmt. Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, sagte voraus, dass in etwa drei Jahren 80 Prozent aller Fahrzeuge deutscher Hersteller vollständig vernetzt fahren werden - nach 2020 auch immer mehr mit voll automatisierten Funktionen.

Unerlässlich für diese Art des Fahrens, bei der der Mensch hinter dem Steuer immer mehr zum Nichtstun verdammt sein wird, ist aber eine schnelle Datenübertragung. Die Strecke an der A 9 soll daher mit Priorität Hochgeschwindigkeits-Mobilfunk erhalten, ein weiterer Vorteil für den bayerischen Infrastrukturausbau. Zumal das Testfeld allen Unternehmen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland offensteht, die ihre Technik dort erproben wollen. Gestern hieß es, auch amerikanische Unternehmen - etwa aus dem kalifornischen Silicon Valley - hätten bereits ihr Interesse bekundet. Namen wollte Dobrindt aber nicht nennen.

25 Millionen Euro hat er aus seinem Etat dafür eingeplant, wohlgemerkt nur für eine nicht näher definierte erste Ausbaustufe. Unternehmen aus der Automobil- und IT-Branche werden sich ebenfalls an der Finanzierung beteiligen, genaue Zahlen wurden aber nicht genannt.

Erste Maßnahmen sind laut Dobrindt noch für dieses Jahr geplant. Der Minister garantierte zudem, dass der übliche Verkehr nicht von den Tests betroffen sei - etwa, indem Bewegungsprofile erstellt würden oder ähnliches. Das werde es nicht geben, so Dobrindt.

Unklar blieb wiederum, bis wann die Technik auch in anderen Gegenden oder gar flächendeckend in Deutschland Einzug halten werde. Zumal es ja schon jetzt schwierig zu sein scheint, das Autobahnnetz angemessen in Stand zu halten.

Und so gab es gestern aus mehreren Bundesländern Kritik am Entscheidungsprozess des Bundesverkehrsministers, das Testfeld nur an der A 9 einzurichten. NRW-Minister Michael Groschek (SPD) sagte, die Landesregierung habe von Anfang an gefordert, die Technik des autonomen Fahrens in NRW, im verkehrs- und bevölkerungsreichsten Bundesland, zu erproben. "Wer ein solches System effektiv einsetzen will, der muss da hingehen, wo der Verkehr am dichtesten ist", hatte Groschek gefordert. Er zeigte sich aber erfreut, dass es auf einer Landesstraße in Wuppertal ein Projekt gemeinsam mit dem Automobilzulieferer Delphi geben werde. "Inzwischen sind die Vereinbarungen soweit vorbereitet, dass im kommenden Jahr mit dem Testbetrieb begonnen werden kann", sagte Groschek. Dann soll auf einem 17 Kilometer langen Abschnitt der Landesstraße 418 ein Delphi-Testfahrzeug fahren dürfen. "Ich freue mich außerordentlich, dass wir hier in NRW bei dieser Technik ganz vorne dabei sein werden", so Groschek.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ätzte gegen das Bundesverkehrsministerium. Baden-Württemberg und Niedersachsen hätten ebenfalls Straßen angemeldet, weil solche Teststrecken für die jeweilige Autoindustrie in diesen Ländern sehr wichtig wäre. "Das hat der Bund bedauerlicherweise abgelehnt", so Hermann. Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es, die Entscheidung sei für die A 9 gefallen, weil sie drei wichtige Eigenschaften mitbringe: Sie sei hochfrequentiert, teils ohnehin schon mit moderner Technik wie Falschfahrer-Warnsystemen ausgestattet und liege im Hightech-Standort Bayern.

(RP)
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