Autobauer stellt neues Konzept vor Opel GT: Geht der "Traum vom Fliegen" weiter?

Rüsselsheim · Fast genau 50 Jahre nach dem Debüt der ersten GT Studie nährt Opel jetzt mit einem neuen Schaustück die Hoffnungen auf ein Comeback des Kultautos.

 Deutliche optische Parallelen: Zwischen der Studie Concept GT und dem Opel GT der 60er und 70er Jahre sind die Familienbande nicht zu leugnen.

Deutliche optische Parallelen: Zwischen der Studie Concept GT und dem Opel GT der 60er und 70er Jahre sind die Familienbande nicht zu leugnen.

Foto: dpa, loe

Für Erhard Schnell war es fast so etwas wie ein Deja-vu-Erlebnis: Als der 88-jährige Designer vor ein paar Wochen über den Genfer Salon gebummelt ist, dürfte ihm die Situation jedenfalls seltsam vertraut vorgekommen sein: So wie sich diesmal eine kleine Sportwagenstudie von Opel gegen den 1103 kW/1500 PS starken Bugatti Chiron behaupten konnte, so hat vor fast genau 50 Jahren auf der Internationalen Automobilausstellung im September 1965 in Frankfurt schon einmal ein Auto aus Rüsselsheim der versammelten PS-Elite die Schau gestohlen - und zwar eines aus Schnells Feder. Das hatte nicht nur den gleichen Namen, sondern auch die gleiche Vorgeschichte. Denn damals wie heute ist das Opel GT Concept angetreten, um wiedererwachte Stärke zu demonstrieren und die Zukunftsfähigkeit von Opel unter Beweis zu stellen.

"Dieses Auto zeigt, was wir sind: selbstbewusst, mutig und visionär", gibt Opel-Chef Karl-Thomas Neumann die Marschrichtung vor. "Mit dem Opel GT Concept machen wir den nächsten Schritt hin zu noch mehr Emotionen und Fahrvergnügen. Die Studie zeigt, wofür Opel inzwischen steht." Schnells Wortwahl vermittelt ebenfalls eine gewisse Aufbruchstimmung, wenn er seinen Entwurf einen Befreiungsschlag nennt: "Nachdem wir jahrelang nur Brot- und Butter-Autos zeichnen sollten, durften wir jetzt plötzlich einen waschechten Sportwagen auf die Räder stellen", erinnert sich der PS-Pensionär.

Bei allen Parallelen bis hin zu einigen Details im Design gibt es allerdings (noch) einen gravierenden Unterschied zwischen dem GT von gestern und dem von heute. Während vom neuen Auto bislang nur ein einziges Exemplar existiert, das obendrein kaum mehr als Schrittgeschwindigkeit schafft, hat Opel die Schnell-Studie Experimental GT von 1965 nach Angaben von Classic-Sprecher Uwe Mertin bis 1968 zur Serienreife entwickelt und danach zu vergleichsweise günstigen Preisen ab 10.767 DM in überraschend großer Auflage gebaut.
"Die Summe entsprach damals damit etwa zehn durchschnittlichen Brutto-Monatsgehältern eines Angestellten", haben die Historiker bei Opel ausgerechnet. Nicht zuletzt weil die Amerikaner ganz heiß waren auf die Corvette des kleinen Mannes, liefen laut Mertin in Bochum bis 1973 exakt 103.463 GT vom Band, die nicht umsonst mit dem längst legendären Slogan "Nur Fliegen ist schöner" beworben wurden.

"Nur Fliegen ist schöner"

An diesem Vergleich hat sich bis heute nicht viel geändert. Natürlich bietet mittlerweile selbst der freche Kleinwagen Opel Adam mehr Leistung als die 66 kW/90 PS des 1,9-Liter-Motors, den sich der GT aus dem Opel Kadett geliehen hatte. Aber bei einem Leergewicht von nur rund 900 Kilogramm, dem obligatorischen Heckantrieb, einer knackigen Schaltung, einer überraschend direkten Lenkung und vor allem ohne besserwisserische Elektronik kommt damit auch heute noch glühende Fahrfreude auf. Erst recht, wenn der Vierzylinder mal warm gefahren ist, locker und lässig bis hoch bis zum roten Bereich bei knapp 6000 Touren dreht und der GT seine schlanke Schnauze forsch in den Fahrtwind drückt.

Dann kann man erahnen, wie es sich damals angefühlt haben muss, wenn ein vermeintlich popeliger Opel in 10,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h gesprintet ist und eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h erreicht hat. Für einen Opel Rekord aus dieser Zeit war schließlich schon bei 160 Sachen Schluss. Der Mercedes 280 SE 3,5 mit seinem 147 kW/200 PS starken Achtzylinder hatte gerade erst die Schallmauer von 200 km/h durchbrochen. Und der Vierzylinder-Porsche 912 sah vom GT beim Beschleunigungsduell nur die kreisrunden Rücklichter.

Außerdem war das Fahren nur die eine Seite der goldenen GT-Medaille.
Die andere war seine leidenschaftliche Form: Wie die Corvette von einer Cola-Flasche inspiriert ist, hatte das Original fast schon laszive Formen und wirkte mit der endlos langen Haube, den weit ausgestellten Hüften und den wollüstig ausgestellten Kotflügeln fast so wie ein Pin-up-Girl aus den Fünfzigern. Der absolute Clou waren und sind allerdings die glubschäugigen Klappscheinwerfer. Zwar braucht man selbst heute kein Hanteltraining mehr, wenn man ein paar Mal an dem riesigen Hebel auf dem Mitteltunnel gezogen hat, mit dem man die Seilzüge spannt und die Augen in Längsrichtung aus ihren Höhlen kullern lässt. Doch so einen verführerischen Augenaufschlag wie der GT hatte nicht einmal Marilyn Monroe in ihren allerbesten Zeiten.

1973 endete die Produktion

Wie der Filmstar ist allerdings auch der GT viel zu früh verglüht. Weil die Amerikaner die Sicherheitsanforderungen hochgeschraubt hatten und ein wichtiger Produktionspartner von Opel an Renault verkauft wurde, haben die Hessen die GT-Fertigung nach fünf Jahren 1973 schweren Herzens gestoppt und sich stattdessen auf Manta & Co verlegt. Zwar hat Opel schon zweimal versucht, an die Erfolge des GT anzuknüpfen und dabei erst in den 2000er Jahren mit dem Speedster und dann in den 2010ern mit dem GT Roadster ziemlichen Schiffbruch erlitten. Doch waren das keine eigenen, originären Opel-Entwicklungen, sondern vom Marketing gesteuerte Kooperations- und Konzernprodukte ohne Seele. Schließlich basierte der Speedster auf dem Lotus Elise, und der erste GT war eigentlich ein Saturn aus der amerikanischen GM-Flotte.

Im dritten Anlauf allerdings stehen die Zeichen deutlich besser. Nicht nur weil der Wagen diesmal tatsächlich in Rüsselsheim und vor allem aus eigener Initiative heraus entstanden ist. Sondern auch weil er eine ganz ähnliche Genese hatte wie das Original. Schließlich war das damals auch nur als reines Schauobjekt gedacht, das die Möglichkeiten des neuen Designstudios und die Kreativität der Mannschaft illustrieren sollte, erinnert sich Designer Schnell. "Und dann wurde das Auto auf der IAA so umjubelt, dass wir kaum umhin kamen, es auch in Serie zu bauen." Kein Wunder also, dass Opel jetzt wieder ganz genau hinhört, wie das Publikum auf die Genfer Premiere reagiert und nach Informationen aus Unternehmenskreisen schon eifrig kalkuliert und konstruiert, ob man eine passende Heckantriebsplattform für so einen Sportwagen darstellen könnte.

Für die Zeit bis zur Serienfertigung oder als Trost, falls es doch nicht klappt, bleibt den GT-Fans immer noch der Blick auf die Gebrauchtwagenbörsen: Weil der GT so oft produziert wurde, ist das Angebot an Oldtimern üppig. Für Preise schon unter 10.000 Euro kann man bei Mobile, Autoscout & Co deshalb das Ticket für den Traum vom Fliegen sofort lösen.

(felt/dpa)
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