Moderne Autotechnik kann auch nerven Pieps-Terror und teure Extras

Düsseldorf · Moderne Autos helfen beim Einparken, sparen an roten Ampeln Sprit und warnen, wenn man die Spur verlässt. Experten loben die Vorteile, doch die ganze Technik kann manchmal auch gehörig nerven.

 Nervenprobe: Wenn es beim rückwärts Einparken leicht bergab geht, kann sich eine elektronische Parkbremse plötzlich ungewollt festsaugen und das Rangieren erschweren.

Nervenprobe: Wenn es beim rückwärts Einparken leicht bergab geht, kann sich eine elektronische Parkbremse plötzlich ungewollt festsaugen und das Rangieren erschweren.

Foto: dpa

Beim rückwärts Einparken in enge Lücken piepst das Auto in den höchsten Tönen. Kommt etwas Gefälle dazu, kann sich mitten im Lenkstress die Parkbremse festsaugen. Und wenn der Fahrer dann in den Leerlauf schaltet und die Kupplung loslässt, um mal durchzuschnaufen, ist plötzlich der Motor aus: Start-Stopp-Automatik.

Moderne Autos werden zunehmend mit Assistenzsystemen ausgestattet, die den Fahrer entlasten, die Sicherheit verbessern und beim Spritsparen helfen sollen.

Doch teils sind die erst seit wenigen Jahren in der Breite verbauten Systeme noch nicht perfekt ausgereift, teils stellen sich altgediente Autofahrer nur mit Mühe um. Medien und Internet sind voll von Klagen über hakelige Assistenz-Technik.

"Auto-Bild"-Redakteur Andreas May startete etwa vor kurzem eine Online-Petition für die alte Handbremse. Beim Zurücksetzen auf abschüssiger Strecke oder in engen Parkhäusern lasse sich mit den elektronischen Parkbremsen nicht mehr fein dosiert rangieren wie bisher mit der alten mechanischen Handbremse, klagt May. Zudem seien Verschleißreparaturen wesentlich teurer. "Weg mit der elektrischen Parkbremse", fordert er. Fast 5000 Unterstützer unterzeichneten die Petition.

Ärger gibt es auch immer wieder mit Spurhalteassistenten. "Unerklärliche Aussetzer" und "aufdringliches Gebimmel" der Systeme konstatiert ein aktueller Test der Zeitschrift "auto motor und sport" selbst für Autos sogenannter Premium-Marken. Ein System warnt mal zu früh, mal zu spät, ein anderes greift laut Test dermaßen rüde in die Lenkung ein, dass der Wagen zickzack zwischen den Markierungen fuhr.

Akustisch bedrängt fühlen sich nach den Erfahrungen des ADAC-Technikexperten Helmut Klein viele Nutzer vom Piepsen ihrer Parkassistenten, wenn mit Näherrücken des Hindernisses die Warntöne immer schriller und höher werden und sich zudem nach Front- und Rückseite des Autos noch unterscheiden. Ein einheitliches Klangbild wäre wünschenswert, sagt er. Viele Sensoren arbeiteten ungenau und sprächen deutlich zu früh an.

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Generell sind die Parkassistenten nach seiner Einschätzung aber eine große Erleichterung im dichten Verkehr und angesichts immer unübersichtlicherer Karosserien. "Das nimmt eine Menge Stress raus", sagt Klein - gerade auch vor dem Hintergrund des steigenden Altersschnittes unter den Autofahrern.

Das gelte auch für den Parklenk-Assistenten, der den bei manchem Fahranfänger gefürchteten Einparkvorgang fast komplett übernimmt. "Die Systeme funktionieren schon ganz hervorragend", berichtet Klein. Die Mehrkosten seien mit 500 bis 600 Euro im Schnitt akzeptabel.

Auch Autoexperte Prof. Stefan Bratzel von der Hochschule Bergisch Gladbach sieht die Fahrerassistenten eher positiv. Schließlich würden die Systeme auf breiter Front erst seit sieben, acht Jahren eingebaut und hätten sich in dieser Zeit schon erheblich verbessert, sagt er.

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Foto: autodrom Archiv/SP-X

Dieser Trend setze sich fort. Die Tendenz gehe dabei vom passiven Warnsystem zum aktiven Assistenten, der etwa durch Lenkeingriffe die Spur hält. Perspektivisch folgt darauf der interaktive Assistent, der sich von Auto zu Auto austauscht und entsprechend handelt. "Ein aktives System wie der Notbremsassistent wird schon in kurzer Zeit zum Standard gehören wie der Sicherheitsgurt", ist Bratzel überzeugt.

Ein Zurück zur alten Handbremse kann sich ADAC-Mann Klein schon deshalb nicht vorstellen, weil eingefrorene mechanische Handbremsen zur Winterzeit lange Jahre immer wieder für Pannen sorgten. Außerdem bieten die modernen elektronischen Parkbremsen mit Elektromotoren Sicherheitsvorteile: Notfalls lässt sich die Parkbremse auch bei höheren Geschwindigkeiten vom Beifahrer als Notbremse nutzen, wenn etwa der Fahrer ohnmächtig wird.

Nicht akzeptabel findet Bratzel kryptische Systeme - ein Spurhalteassistent braucht laut dem Test allein 19 Klicks am Bordcomputer, um die Vibrationsintensität einzustellen - und überzogene Preise für die Extras. "Da sind die Hersteller in der Pflicht, den Kundennutzen im Blick zu behalten."

Das gilt sicher auch für Start-Stopp-Automatik-Systeme, die nach einem Test der Zeitschrift "Auto Bild" in vielen gängigen Fahrzeugen deutlich weniger als einen Liter auf 100 Kilometer einsparen und deren Kosten sich nach jetzigem Stand in einem normalen Autoleben damit nur sehr selten amortisieren.

Das sei eben "ein Rädchen von vielen, um den Verbrauch herunter zu bekommen", sagt ADAC-Experte Klein. Im Einstieg seien die Systeme "etwas teurer". Außerdem brauchen laut dem "Auto Bild"-Test die Wagen mit Start-Stopp an der Ampel vielfach rund eine Sekunde länger als konventionelle Autos, bis sie wieder rollen - für Eilige möglicherweise durchaus ein Hindernisgrund.

Zeitverlust beim Ampelstart und vierstellige Kosten für die Extras sind für Fahrschüler allerdings gar kein Thema: Sie reißen sich um Autos mit den Assistenzsystemen, berichtet Fahrlehrer Friedel Thiele, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen.

Ein Grund sei die Anfahrhilfe, die das bei Anfängern gefürchtete Zurückrollen des Wagens beim Einkuppeln verhindert. Bei modernen Fahrzeugen mit Einpark-Pilot entfällt zudem der Alptraum vieler Fahrschüler: Statt schwitzend die enge Lücke anzuvisieren, können sie die Automatik arbeiten lassen - sie müssen diese nur sicher bedienen können.

(dpa)
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