Experten für neue Promillegrenze für Radfahrer Wir sind ein Volk von Alkohol-Liebhabern

Meinung | Düsseldorf · Alkohol und Fahren vertragen sich nicht. Das gilt für Auto- wie für Radfahrer. Doch die Promillegrenze für Radler wird nicht gesenkt werden – weil die Toleranz von Bier und Co. in Deutschland zu groß ist.

Promillegrenzen für Radfahrer im Ausland
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Foto: dpa

Alkohol und Fahren vertragen sich nicht. Das gilt für Auto- wie für Radfahrer. Doch die Promillegrenze für Radler wird nicht gesenkt werden — weil die Toleranz von Bier und Co. in Deutschland zu groß ist.

Radfahren verträgt sich scheinbar prima mit viel Alkohol. Erst ab 1,6 Promille drohen Fahrradfahrern strafrechtliche Konsequenzen. Bei weniger Alkohol im Blut kriegt nur Probleme, wer der Polizei im Straßenverkehr auffällt. Autofahrer hingegen gelten mit 1,1 Promille als absolut fahruntüchtig und werden strafrechtlich verfolgt, wenn sie erwischt werden. Schon ab einem Promillewert von 0,5 drohen Bußgeld, Punkte und Fahrverbot. Ein Ungleichgewicht, gegen das Experten nun (mal wieder) vorgehen wollen.

Vor Beginn des Verkehrsgerichtstages im niedersächsischen Goslar haben die Deutsche Verkehrswacht, der Verkehrssicherheitsrat und mehrere Verkehrsclubs die Einführung einer 1,1-Promille-Grenze verlangt. Zur Begründung lassen sie Zahlen sprechen: 2013 gab es nach einer vom Auto Club Europa veröffentlichten Studie in Deutschland rund 77.000 Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden und Fahrradfahrer beteiligt waren. Mehr als 3400 dieser Radler waren betrunken.

Die Grenze von 1,1 Promille wurde schon im Jahr 1990 vom Bundesgerichtshof als ein Wert festgelegt, ab dem kein Autofahrer mehr dazu in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Da wäre es nur konsequent, wenn auch Radfahrer diesen Wert beachten müssten. Doch was ist mit berauschten Fahrradfahrern, die unter dem Einfluss illegaler Drogen stehen? Wer glaubt denn schon ernsthaft, dass ein Kiffer nach dem Cannabis-Konsum brav zu Fuß nach Hause geht.

Und das zeigt: Hinter der gesamten Thematik steckt ein gesellschaftliches Problem der Toleranz von Alkohol und so genannten weichen Drogen. Solange Gesetzgeber und Gerichte bestimmte Promillegrenzen tolerieren, wird es immer Diskussionen um die Richtigkeit dieser Werte geben. Selbst die Einführung einer Null-Promille-Grenze würde die Debatte nicht beenden. Denn die Deutschen sind gemessen am Pro-Kopf-Konsum ein Volk von Alkoholliebhabern. Hinzukommt, dass es nicht genügend Polizisten gibt, um die Verkehrsteilnehmer auch nur annähernd konsequent kontrollieren zu können.

In vielen deutschen Städten werden Polizeibeamte erst nach Verkehrsunfällen auf alkoholisierte oder berauschte Fahrer aufmerksam, weil sie gar keine Zeit mehr für vorbeugende Kontrollen haben. In Münster, der NRW-Fahrrad-Stadt schlechthin mit mehr als 50.000 radelnden Studenten, sind die Einsatzkräfte oft heillos überfordert.

Wenn die Deutschen also künftig weniger beschwipst aufs Rad steigen dürfen, müsste das auch in ein Gesetz geschrieben werden, damit Gerichte verbindlich urteilen können. Noch dazu müsste für genügend Kontrollpersonal gesorgt werden, damit die neue Promillegrenze nicht (wie bisher geschehen) als blumige Worthülse daherkommt.

(jam)
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