Volkswagen-Skandal Diesel — des Deutschen liebste Dreckschleuder

Düsseldorf · 122 Jahre hatte die deutsche Industrie Zeit, um den Dieselmotor zu perfektionieren. Oder besser gesagt: 122 Jahre hat sie gebraucht, um den Stinker sauber zu kriegen. "Eigentlich wird der Diesel erst jetzt richtig sauber", sagt jedenfalls Axel Knöfel, der als Laborleiter Abgasuntersuchungen für den Automobilclub ADAC durchführt.

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Foto: dpa, ude arc lof

Denn der 1893 von Rudolf Diesel erfundene Selbstzünder hat ein großes Problem: die gesundheitsschädlichen Stickoxide. Ein herkömmlicher Katalysator reicht laut Knöfel nicht aus, um diese aus den Abgasen herauszufiltern. In den USA, dem Land, das den CO2-Ausstoß im Land relativ entspannt sieht, wurde das zum Problem.

Dort gelten deutlich schärfere Vorschriften für Diesel-Fahrzeuge als in Europa. Entsprechend schwer taten sich Hersteller, den Markt zu erobern. "In den USA hat sich die Hybridtechnologie als Zweitantrieb durchgesetzt", sagt Stefan Bratzel, Automobil-Experte von der Fachhochschule Bergisch-Gladbach.

In Europa, speziell in Deutschland, ist das anders. Hierzulande werden von den 30 Millionen Fahrzeugen laut Kraftfahrtbundesamt 46,5 Prozent mit Diesel betankt - was auch an den finanziellen Anreizen liegt. Diesel-Motoren verbrauchen häufig weniger als Benziner, zudem wird der Kraftstoff geringer besteuert und ist so günstiger. "Für Käufer sind die niedrigeren Kosten ein wichtiges Entscheidungskriterium", so Bratzel: "Trotzdem muss die Luft sauber sein."

Doch genau das ist sie offenbar nicht. Umweltverbände und Automobilclubs kritisieren die Messverfahren. "Im Testbetrieb schneiden Diesel-Fahrzeuge oft besser ab als im Realbetrieb, weil etwa die Test-Messungen nur bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometer durchgeführt werden", sagt etwa Hubert Weiger, Chef der Umweltorganisation BUND.

ADAC-Laborleiter Knöfel sind viele Beispiele bekannt, in denen der Autoclub und der TÜV Nord unter realen Bedingungen höhere Werte gemessen haben, als nach der ab 2016 verpflichtenden Norm "Euro 6" erlaubt. Laut ADAC seien die Schadstoffabweichungen zwar nicht bis zu 40 Mal so hoch wie aktuell in den USA bei VW, aber immerhin sieben bis 20 Mal. "Das Ziel muss sein, dass die Abweichung auf maximal 1,5 begrenzt wird", sagt Knöfel. Andernfalls spiele man mit dem Überleben des Diesels. Stefan Bratzel sieht das ähnlich: "Es geht um die Grundsatzfrage, ob Diesel noch eine Zukunftstechnologie ist oder ihren Zenit überschritten hat."

Deutsche Hersteller, die weltweit führend bei der Technologie sind, würden das natürlich verneinen. Sie haben daher ein System entwickelt, bei dem mittels Harnstoff Stickoxide neutralisiert werden. Bislang ist das so genannte Ad-Blue jedoch nur in wenigen Autos vorhanden - lange Zeit war es umständlich, den Stoff einzufüllen. Erst neuere Modelle haben ein Einfüllloch neben dem Tankdeckel. Das könnte sich noch als Rettung des Diesel erweisen.

(frin)
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