Automuseen in Deutschland Von der Straße ins Museum

Berlin · Ganz am Anfang war das Auto ein Fremdkörper auf den Straßen, heute werden ihm museale Ehren zuteil. Es gibt Sammlungen, die sich einer Marke widmen oder den historischen Rundumschlag versuchen. Und einige Museen haben außergewöhnliche Prototypen im Bestand.

Die Innenstädte sind vollgestopft mit Autos. Und auch auf dem Land ist kaum einen Ort zu finden, an dem nicht doch noch das Rauschen einer Schnellstraße zu hören ist. Wer braucht da bei einem entspannenden Museumsbesuch noch Autos? Offenbar viele, denn allein in Deutschland stellen laut dem Verkehrsclub ACV mehr als 200 Museen Fahrzeuge aus, darunter auch Motorräder und Nutzfahrzeuge. Vom Auto gehe selbst als Exponat im Ruhezustand die Faszination von Geschwindigkeit, Selbstbestimmung und Ästhetik aus, sagt Rita Müller von der Fachgruppe Technikhistorische Museen im Deutschen Museumsbund.

Autofans sehen in den Ehrenhallen für Fahrzeuge neben Designikonen auch Technikvorreiter, Einzelstücke und Prototypen oder Boliden, die Rennsportgeschichte schrieben. Es sind "die kleinen Episoden einer großen Geschichte als Teil einer Alltags- und Industriekultur, die erzählt werden müssen", sagt der Automobilhistoriker Simon Braker. Braker arbeitet als Kurator beim 2008 eröffneten Museum Prototyp in der Hamburger Hafencity. Das Haus gehört mit rund 50 gezeigten Fahrzeugen nicht zu den größten der Republik, doch sein Ansatz ist besonders: die Beziehung von Mensch und Maschine. "Wir erzählen Geschichten von Autos, Fahrern und Konstrukteuren", sagt Braker.

Der "Fetzenflieger"

Ausgestellt ist dort zum Beispiel der "Fetzenflieger" von 1952, dessen Motorabdeckung aus Stoff sich schon mal ablöste und brennend über die Rennstrecke flog. Der Formelwagen wurde vom österreichischen Rennfahrer Otto Mathé konstruiert. "Er fuhr ihn mit links und wurde trotzdem mehrfach österreichischer Staatsmeister. Sein rechter Arm war seit einem Motorradunfall gelähmt. In Kurven musste er seine Brust ans Lenkrad pressen, um schalten zu können", erzählt Braker.

Mit rund 1000 ausgestellten Fahrzeugen, darunter Nutz-, Landwirtschafts- und Militärfahrzeuge sowie Motorräder, ist das Auto & Technik Museum in Sinsheim hierzulande eines der großen Häuser. 15 Autominuten vom Hockenheimring entfernt, fühlen sich die Betreiber auch dem Motorsport verpflichtet. Sie werben mit der "größten permanenten Formel-1-Ausstellung Europas". Besonders stolz sind sie allerdings auf ein Flugzeug im Bestand: eine begehbare Concorde.

Das EFA-Mudeum in Amerang

Ebenfalls eine größere Sammlung hält mit rund 220 Automobilen das EFA-Museum in Amerang im Chiemgau bereit. Weil man sich in diesem Haus ausschließlich mit deutschen Automodellen befasst, gibt es dort besonders viele Exponate inzwischen verschwundener Marken wie Adler, Elite, Brennabor, Wanderer, Borgward oder Hansa zu sehen. "Unsere Sammlung ist weltweit einzigartig", sagt Museumssprecher Jakob Maier. Besuchergruppen können ausgewählte Fahrzeuge wie einen BMW 503 von 1957 oder einen Mercedes 220S von 1951 für Tagessätze von 800 Euro bei geführten Touren im Tross selbst in Bewegung setzen.

Einige Museen widmen sich ausschließlich einer Marke. Dazu gehören natürlich die Werksmuseen der Hersteller. Das Volkswagen Automuseum in Wolfsburg erzählt anhand von 140 Modellen die Geschichte von VW, und zeigt auch außergewöhnliche Wagen wie den "See-Golf". Er basiert auf dem Golf 1 Cabrio und hat seitlich zwei hydraulisch ausfahrbare Schwimmpontons. Die Forschungsabteilung entwickelte den Wagen anlässlich des Golf GTI Treffens am Wörthersee 1983. Die BMW Welt in München zeigt neben BMWs auch Modelle der Konzernmarken Mini und Rolls-Royce.

Mercedes-Benz Museum

Im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart läuft noch bis zum 6. Januar die Sonderschau "Mille Miglia - Leidenschaft und Rivalität". Zu bewundern gibt es historische Teilnehmerautos von Mercedes, Ferrari, Lancia, Maserati oder Alfa Romeo. Das Porsche Museum in Zuffenhausen präsentiert auf strahlend weißen Podesten 80 wechselnde Modelle, darunter Ikonen wie die Typen 356, 550, 911 und 917. Auch das Wirken von Ferdinand Porsche als junger Ingenieur im frühen 20. Jahrhundert ist aufbereitet. Regelmäßig werden Schaustücke bei historischen Ausfahrten an die frische Luft befördert.

Neben dem Hamburger Museum Prototyp buhlen weitere privat geführte Automuseen mit Spezialisierung und Sonderschauen um Besucher. So hat das Museum Autovision in Altlußheim nach eigenen Angaben die weltweit erste ständige Ausstellung zu Wankel-Motoren und eine der größten NSU-Sammlungen aufgebaut. Merks Motor Museum, ein Familienbetrieb in Nürnberg, versteht sich mit seinen 84 Automobilen und 30 Motorrädern auch als Event-Location für Firmen- und Familienfeiern.

Vom Prototyp zum modernen Auto

Einen Überblick über die Automobilhistorie ab 1896 will das AMF Museum in Fichtelberg geben. Unter den mehr als 200 Exponaten befindet sich ein Trabant P 601 F Cabriolet im Stil eines Buggys aus der Produktion des VEB Sachsenring. Die gesamte Geschichte der Marke Trabant wird im Zwickauer August Horch Museum nachgezeichnet - vom ersten Prototypen P50 von 1954 bis zum Trabant 1.1 von 1990/91 mit Viertaktmotor. Der Bestand von 80 Autos an der jahrelangen Wirkungsstätte des Ingenieurs erzählt außerdem die Geschichten der Unternehmen Horch und Audi, die August Horch einst gründete.

Nicht als Museum, sondern als Kompetenzzentrum für Oldtimer versteht sich die Classic Remise mit Standorten in Berlin und Düsseldorf. Die Betreiber versammeln vor Ort je rund 300 Fahrzeuge und 30 Firmen, die ihre Dienstleistungen rund ums klassische Mobil anbieten. "Wir haben Spezialisten für einzelne Modelle, Restaurierung, Reparatur und Aufbereitung sowie gläserne Werkstätten und klimatisierte Parkboxen zur Vermietung", sagt Sprecher Mika Hahn. Dauerhaft stünden rund 200 fahrbereite Klassiker "aus allen Epochen" zum Verkauf - Modelle von Alfa Romeo bis Zagato. Wegen der teils seltenen Fahrzeuge erinnert ein Besuch der Remisen stark an einen Museumsbesuch - nur dass Gäste dort an viele Autos, die zum Verkauf angeboten werden, ganz nah herantreten dürfen.

(dpa)
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