Meilensteine der Automobilgeschichte Die großen Sportwagen-Jahre 1966 bis 1973

Köln (RPO). Jede Automobilepoche kennt ihre Schwerpunkte - die Aufbruchstimmung ab Mitte der sechziger Jahre brachte entsprechende Impulse vor allem im Sportwagen-Segment. "Flach und breit" lautete das Credo der Designer, die Reifen vergrößerten dem Vorbild aus der Formel 1 gemäß ihre Lauffläche deutlich.

Die großen Sportwagen-Jahre 1966 bis 1973
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Erst im Herbst 1973 endete diese Ära mit der ersten sogenannten Öl- und Energiekrise. Die Ära startete atemberaubend: Im März 1966 debütierte auf dem Genfer Automobilsalon der wegweisende Lamborghini Miura P 400 mit quer eingebautem Zwölfzylinder-Mittelmotor - ein Paukenschlag! Plötzlich sahen die 275er Frontmotor-Ferrari nicht mehr ganz so frisch aus.

Lamborghini etablierte sich mit dem Miura als ernsthaftester Konkurrent des springenden Pferdes. Die Ur-Version des Miura trug die Bezeichnung P 400, sie verfügte über die charakteristischen schwarzen "Augenbrauen"-Umrandungen der offenliegenden Klappscheinwerfer.

Futuristisch und üppig verglast

Die vordere Haube sowie die Heckabdeckung mit der schuppenartigen Motorenabdeckung waren jeweils komplett hochklappbar, was dem Miura-Eigner beim Tankstopp zusätzliches Aufsehen garantierte. 257 kW/350 PS leistete der raumsparend quer placierte Vierliter-V12.

Damit jedoch nicht genug! Das Team in Sant´Agata Bolognese präsentierte bereits 1967 den Prototyp eines ultraflachen Viersitzers: Marzal lautete der Name des futuristischen und üppig verglasten Gefährts. Daraus entstand 1968 der Espada.

Doppelscheinwerfer im streng vertikal realisierten Kühlergrill und die unverwechselbaren NACA-Lufteinlässe auf der Motorhaube schenkten dem Entwurf eine Aura stilsicher interpretierter Details. Das mit geringer Flächenneigung auslaufende Dach besaß ein konventionelles Heckfenster.

Stil-Ikone des Frontmotor-Designs

Keine Frage, Ferrari musste reagieren auf diesen Doppelangriff des benachbarten Newcomers. 1968 war es soweit. Zwar blieb auch diesmal der konservativ gepolte Commendatore Enzo Ferrari noch dem Frontmotorprinzip treu, doch die visuelle Ausstrahlung des Modells 365 GTB/4 war so gewaltig, dass hier einhellig von einer Stil-Ikone des Frontmotor-Designs gesprochen werden muss.

Umgangssprachlich wurde der Ferrari 365 GTB/4 bald nur noch "Daytona" genannt - eine Hommage an den Ferrari-Dreifachtriumph auf jener US-Rennstrecke im Jahr 1967. Der 4,4 Liter-Zwölfzylindermotor leistete in der im Herbst 1968 auf dem Pariser Automobilsalon debütierenden Version 259 kW/352 PS — womit der Nennleistungswert des Miura in eher absurder Symbolik knapp überboten wurde.

Als konzeptionellen "Bruder im Geiste" etablierte Maserati gegenüber dem Ferrari Daytona sogar zwei Jahre zuvor ein Modell, das heutzutage zu den großen Würfen der Dreizack-Marke gezählt wird: den Ghibli (I). Auch hier reüssierte das Design-Konzept: Ellenlange Motorhaube, darunter der klassische, drehmomentstarke Maserati-4,7 Liter-V8 mit 228 kW/310 PS.

Flügeltüren nach 300 SL-Vorbild

Nicht vergessen werden darf im Konzert der Supersportwagen zwischen 1966 und 1973 die Marke Mercedes. Denn auf der IAA 1969 debütierte mit dem C 111-I eine für Daimler-Benz-Verhältnisse derartig spektakuläre Mittelmotor-Konstruktion, dass daraufhin ein weltweites Echo erwuchs.

Höhepunkte waren: Dreischeiben-Wankelmotor, Kunststoff-Karosserie mit Flügeltüren nach 300 SL-Vorbild - und eine Fahrwerks-Konzeption, die auch für Renneinsätze geeignet war.

Kurz vor der Zäsur durch die Energiekrise Ende 1973 gab es erneut zwei wichtige Modelle aus dem Kreativ-Baukasten von Ferrari und Lamborghini. Obgleich der 365 GT/4 Berlinetta Boxer durch die endlich vollzogene Mittelmotor-Konfiguration überzeugte, wurde ihm die Schau gestohlen.

Brutal-futuristisch

Und zwar wieder von Lamborghini, wo der Countach so brutal-futuristisch wirkte wie das Raumschiff Enterprise im Umfeld des Komödienstadels.

Lamborghini hatte sich in der Formgebung des nun mit längs eingebautem V12 aufwartenden Flaggschiffs komplett neu orientiert, während Ferraris Stilisten beim BB Boxer im Frontbereich sogar Elemente des 1969er C 111-I interpretierten. Der Berlinetta Boxer, mit 180 Grad-Zwölfzylinder-Flachmotor (also kein "richtiger" Boxer!) auch hier neu positioniert, präsentierte sich mit einem ungewöhnlich langen vorderen Überhang.

Mit 375 bzw. 380 PS spielten beide Modelle erwartungsgemäß ihr Leistungsduell quasi pari aus. Aber die Präferenzen waren dennoch ungleich verteilt: Traditionalisten tendierten zum Ferrari BB, und auch manche Miura-Fans meinten, der Countach wäre eine Spur zu brutal. Doch wer den Countach für modisch hielt, täuschte sich: Noch heute wirkt er wie von einem anderen Stern, während der BB sich klar in seiner Epoche vororten lässt.

(SP-X)
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