Rollende Ikone wird 75 VW Käfer — meist gefürchteter Exportartikel

Köln · Er war das meistverkaufte Auto der Welt. Mit dem Export in die USA und viele andere Länder erreichte der Käfer ungeahnte Höhen. Als der Golf ihn ablöste, startete er eine neue Karriere als Klassiker und Kultobjekt.

Tradition: 75 Jahre VW Käfer
9 Bilder

Tradition: 75 Jahre VW Käfer

9 Bilder

Im Jahr 1938 feierte der Käfer seine Weltpremiere die ein Welterfolg werden sollte. Nicht einmal das Ford T-Model als weltweit erstes Fließbandfahrzeug konnte für sich in Anspruch nehmen, so viele Menschen klassenüberschreitend bewegt zu haben. Insgesamt knapp 22 Millionen Käfer rollten bis 2003 aus den Produktionshallen.

Auf der IAA 1934 forderte Adolf Hitler den Bau eines Autos für breite Bevölkerungsmassen und der "Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie" (RDA) bemühte sich sofort mit der Umsetzung. Dazu beauftragte der RDA den damals schon als genial gerühmten Konstrukteur Ferdinand Porsche mit der Entwicklung eines "Volkswagens", dessen Lastenheft folgende Pflichtpunkte umfasste: Vier Sitzplätze, vier bis fünf Liter Verbrauch auf 100 Kilometern und eine autobahngeeignete Vmax von mindestens 80 km/h.

1,5 Millionen Einheiten pro Jahr

Verblüfft zeigten sich die im RDA organisierten Hersteller von den von Hitler verlangten gigantischen Produktionsvolumen für das neue Fahrzeug von anfangs 100.000, später sogar bis zu 1,5 Millionen Einheiten pro Jahr, betrug doch die Jahresproduktion der gesamten deutschen Automobilindustrie damals nur zwischen 300.000 und 400.000 Einheiten. Schlagzeilen machte auch der auf sensationell günstige 990 Reichsmark festgelegte, politisch motivierte Preis für den kleinen Familienwagen.

Die Konkurrenz war schockiert, kosteten vergleichbare Kleinwagen wie der Opel 1,2 Liter 1934 noch nahezu das Doppelte. Zwar konnte etwa Opel den Preis des P4 bis 1937 auf 1.450 Reichsmark senken, deutlich günstiger durfte der Opel aber nicht werden, denn der künftige KdF-Wagen sollte nach dem Willen der Machthaber konkurrenzlos bleiben. Damit nicht genug: Für fast alle Autobegeisterten finanzierbar wurde der Volkswagen durch das sogenannte KdF-Wagen-Sparsystem, das vor 75 Jahren, fast zeitgleich zur Weltpremiere des serienreifen Heckmotorwagens, vorgestellt wurde.

Danach konnte man sich bei einer minimalen Sparrate von fünf Reichsmark pro Woche für den Erwerb eines Volkswagens registrieren lassen. Das Vertriebssystem - schon 1938 meldeten sich 270.000 Sparer an — entpuppte sich bald als gigantische Täuschung aller Käfer-Kaufwilligen. Von den insgesamt angesparten 268 Millionen Reichsmark finanzierten die Machthaber nicht nur den Bau des neuen Volkswagen-Werks in der dazu gegründeten Stadt Wolfsburg, ein nicht unerheblicher Teil floss auch in den Staatshaushalt. Statt der für das erste Produktionsjahr (1940) geplanten 120.000 KdF-Wagen wurden nun Kübelwagen für den Kriegseinsatz gefertigt.

Auto fürs Volk

Im Nachkriegsdeutschland wurde der Käfer zum Symbol des Wirtschaftswunders und vielfacher Produktionsmillionär. Global galt er als meist gefürchteter deutscher Exportartikel. Zum Kultfahrzeug avancierte der kleine Heckmotorwagen dann durch die Amerikaner. Schon 1949 wurden die ersten VW Käfer von Holland aus in die USA verschifft. Schnell galt das Auto fürs Volk laut eines amerikanischen Magazins als "ein Familienmitglied, das nur zufällig in der Garage wohnt".

Mit dem von Ferdinand Porsche erfundenen Ur-Käfer hatten die VW 1302 und 1303 des Jahrgangs 1972 zwar nur noch das Konzept und die Silhouette der Karosserie gemeinsam, dennoch näherte sich die Zeit der Heckmotormodelle dem Ende. Ernst wurde es, als der Käfer seine großen Märkte verlor und der Opel Kadett auf dem Heimatmarkt sogar ganz kurz die Nase vorn hatte. Aber das Glück blieb VW hold, denn durch ein damals beispiellos teures Milliarden-Mark-Entwicklungsprogramm bewältigte die Konzernführung die Krise der frühen 1970er Jahre in Rekordzeit. Ab 1974 ersetzte der Golf den Käfer.

Ähnlich wie beim Fiat 500 von 1957 und dem Mini von 1959 basiert auch die Erfolgsstory des Käfers entscheidend auf emotionalen Momenten, vor allem in Ländern wie Amerika. Hier gelang es dem Volkswagen sogar die Herzen leistungsbewusster "Baby-Boomer", also der ersten Nachkriegsgeneration, zu erobern. Immerhin rühmten sich erstaunlich viele Amerikaner, auf dem Rücksitz eines engen Käfers geboren worden zu sein (Volkswagen übersandte den Familien Glückwunschschreiben) oder an einem schrägen Rekord wie dem "Car-Stuffing" (wie viele Menschen können in den Käfer gestopft werden?) teilgenommen zu haben. In anderen Ländern setzten sogar die Reichen und Mächtigen auf den Volkswagen.

Globaler Mythos

So war etwa der belgische König Baudouin leidenschaftlicher Käfer-Fahrer während Njiiri, Häuptling der afrikanischen Kikuyu, den VW als Repräsentationskarosse für sich und seine 34 Frauen nutzte. Der Käfer wurde zum globalen Mythos, an den der 1997 eingeführte Volkswagen New Beetle im Retrodesign so richtig nur in den USA anknüpfen konnte. Hierzulande hat die "Generation Golf" ihre eigenen Kultmodelle generiert, wie etwa das jährliche GTI-Treffen am Wörthersee zeigt. Nur als Oldtimer bleibt der Käfer die Nummer eins auf deutschen Straßen.

(SP-X/sgo/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort