Bußgeld-Vollstreckung EU-Knöllchen: Was Autofahrern wirklich droht

Düsseldorf · Bußgelder, die in anderen EU-Staaten verhängt, aber nicht an Ort und Stelle kassiert worden sind, dürfen jetzt in Deutschland eingetrieben werden. Dass dies aber weniger einfach ist, als es auf den ersten Blick aussieht, zeigt der Blick in die Details.

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Foto: ddp

Die Neuregelung gilt auch für länger zurück liegende Vergehen. Denn entscheidend ist nicht der Tag, an dem ein Autofahrer zum Beispiel zu schnell gefahren ist. Es kommt vielmehr darauf an, wann der Bußgeldbescheid von der ausländischen Behörde ausgestellt wurde.

Die "Zustellfristen" betragen zum Beispiel in Italien ein Jahr, in Frankreich sogar zwei Jahre. Ein zu dichtes Auffahren im vergangenen Sommerurlaub kann also durchaus jetzt im Januar offiziell per Knöllchen geahndet werden.

Bagatellgrenze von 70 Euro

Vollstreckt werden zwar Bußgelder erst ab einer Mindesthöhe von 70 Euro. Doch auch die fälligen Gebühren für den Bescheid zählen mit, so dass selbst für einen 60 Euro-Parkverstoß aus den Niederlanden in Deutschland kassiert werden kann. "Damit wird natürlich Sinn und Zweck einer Bagatellgrenze ad absurdum geführt", sagte ADAC-Jurist Michael Nissen unserer Redaktion.

Halter-Haftung ausgeschlossen

Deutschland habe bei der Umsetzung des EU-Rahmenabkommens zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Bußgeldern die Rechte des Autofahrers allerdings vorbildlich gewahrt. So verweigern die deutschen Behörden eine Vollstreckung von Bußgeldern auf Basis einer Halterhaftung.

In Italien, Frankreich und den Niederlanden wird generell der Halter des Fahrzeuges zur Kasse gebeten, auch wenn er bei dem Verkehrsverstoß nicht selbst der Fahrer war.

"Das widerspricht dem Grundstz der Unschuldsvermutung in Deutschland", erläutert Michael Nissen. Deshalb werde eine Vollstreckung solcher Bußgeldbescheide auch künftig verweigert — allerdings unter der Bedingung, dass der Fahrzeughalter fristgerecht im Ausland Einspruch eingelegt hat.

Einspruch in Landessprache

"Es ist grundsätzlich zu empfehlen, den Einspruch in der Landessprache zu stellen", rät Michael Nissen. In den Niederlanden werde erfahrungsgemäß auch ein Einspruch in deutscher Sprache akzeptiert.

"Der Halter muss sich auf fehlendes persönliches Verschulden berufen", also angeben, dass er zur fraglichen Zeit nicht selbst der Fahrer war. Auch ein abgelehnter Einspruch führe dann zur Weigerung der deutschen Behörden, das Bußgeld zu vollstrecken.

Bürokratie erschwert Vollstreckung

Doch bevor ein Bußgeldbescheid überhaupt vollstreckt wird, prüft das in Deutschland zuständige Bundesamt für Justiz, ob er korrekt ausgestellt wurde. "Eine neunseitige Bescheinigung muss korrekt ausgefüllt werden", beschreibt Michael Nissen den Aufwand, den die Behörden im Ausland betreiben müssen.

Um die Dokumente korrekt auszufüllen, seien mehrere Anfragen in Deutschland nötig. Außerdem müsse der Bescheid auf Deutsch übersetzt werden — die Kosten dafür trägt die ausländische Behörde.

Angesichts dieser bürokratischen Hürden dürfte sich der Ehrgeiz der Franzosen oder Spanier, die deutschen Behörden in Marsch zu setzen, stark in Grenzen halten — zumal sie von dem Geld nichts sehen. Die eingenommenen Bußgelder fließen in die Kasse des Landes, das den Bescheid vollstreckt.

Michael Nissen geht davon aus, dass die ausländischen Behörden nur dann eine Vollstreckung des Bußgeldbescheides in Deutschland anstreben, wenn der Fall eine "gewisse Heftigkeit" hat und die Behörden ein Interesse daran haben, den Fahrer "nicht ungeschoren davonkommen zu lassen".

Keine Punkte in Flensburg

Punkte in Flensburg werden selbst dann für im Ausland begangene Verkehrssünden nicht fällig. Auch Fahrverbote brauchen nicht befürchtet zu werden. In "eindeutigen Fällen" empfiehlt Michael Nissen allerdings, ein Knöllchen aus dem Ausland schnell zu bezahlen. Wer zu lange wartet, der muss mit kräftigen Aufschlägen rechnen.

So verdoppeln sich die Bußgelder in Italien, wenn sie nicht innerhalb von 60 Tagen bezahlt wurden. In Frankreich gibt es ein abgestuftes Bezahlsystem, das zum Beispiel zur Folge haben kann, dass ein Bußgeld von 90 Euro bereits nach sieben Tagen um 50 Prozent auf 135 Euro erhöht.

Wer einen ordnungsgemäß ausgestellten ausländischen Bußgeldbescheid ignoriert, der muss damit rechnen, dass er bald Post vom deutschen Bundesamt für Justiz erhält. Legt der betroffene Autofahrer nicht fristgerecht Einspruch ein, kann schon bald der Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen.

Vorsicht bei erneuter Einreise

Hat das Bundesamt für Justiz die gewünschte Vollstreckungshilfe nicht geleistet, so bedeutet das nicht, dass damit der Vorgang ein für allemal unter den Tisch fällt. Autofahrer müssen damit rechnen, bei ihrer nächsten (Ein-)Reise Probleme mit der ausländischen Justiz zu bekommen.

Dort werden Verkehrsvergehen gespeichert und — etwa in Italien — erst nach fünf Jahren gelöscht. Eine Polizeikontrolle in dieser Zeit kann also nachträglichen Ärger bringen. Entsprechendes gilt für Bußgeldbescheide aus Nicht-EU-Ländern wie Kroatien, Norwegen und der Schweiz.

Wer im Ausland an Ort und Stelle von der Polizei angehalten wird, der darf oftmals nur weiterfahren, wenn er das Bußgeld bezahlt. Geschieht das zum Beispiel in Italien nicht, so stellt die Polizei das Auto so lange sicher, "bis die Rechnung beglichen ist".

(RPO/ Auto-Reporter.net/ kpl/ qui)
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