Wenn die Panik mitfährt Hilfe für ängstliche Autofahrer

Berlin/Bonn · Nach Schätzung des ADAC leiden rund eine Million Autofahrer unter Angst beim Fahren. Es gibt aber Wege, diese abzubauen. Zum Beispiel über spezialisierte Fahrlehrer, die ihren Fahrschülern stress- und angstfreies Autofahren beibringen.

 Die Angst im Nacken: In Extremfällen kann Panik das Autofahren unmöglich machen.

Die Angst im Nacken: In Extremfällen kann Panik das Autofahren unmöglich machen.

Foto: dpa, dil

Die Hände sind schweißnass. Das Herz rast und die Augen zucken. Nervös dreht sich der Kopf hin und her. Manche Autofahrer haben hinter dem Lenkrad schlicht Angst. Angst zu versagen, Angst einen Unfall zu verursachen.

Für diese Piloten ist das Fahren mehr als eine Qual - es ist riskant. Denn Angst am Steuer kann gefährlich werden, weil sie Stress verursacht und ablenkt.

Nach ADAC-Schätzungen haben in Deutschland mindestens eine Million Autofahrer Angst im Straßenverkehr. Und das sind nicht nur Fahranfänger. Auch ein traumatisches Erlebnis wie ein Unfall kann Unsicherheiten und Angstzustände auslösen.

Nach einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) muss nach einem Verkehrsunfall ein Viertel aller Schwerverletzten mit psychischen Folgeerkrankungen rechnen. Oft ist das eine Agoraphobie, ein Krankheitssymptom, bei dem Menschen vor bestimmten Orten Panik bekommen. Das können Fahrstühle, große Plätze und eben Tunnel oder Autobahnen sein.

Die Ausprägung der Angstzustände ist vielfältig. "Das können zum einen Ängste vor bestimmten Situationen sein, wie die Fahrt in eine fremde Großstadt, Tunnelfahrten oder bestimmte Wetterbedingungen wie Regen, Schneefall oder auch Dunkelheit.

Zum anderen kann die Angst aber auch in negativen Selbstbildern begründet sein", sagt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Solche Menschen denken dann, sie seien keine guten Autofahrer oder würden andere behindern. Auch Autofahrer, die nie eine Fahrroutine entwickelt haben, würden oft unter Ängsten und Unsicherheiten leiden.

"Ängste muss man ernst nehmen. Nach einem Parkrempler kann man zwar viel üben, aber man muss auch die Angst vor dem Versagen nehmen", sagt Frank Müller. Der 71-Jährige ist Fahrlehrer in Berlin und betreut seit rund 20 Jahren ängstliche Fahrschüler. In Zusammenarbeit mit einem Therapeuten entstand die Idee mit den speziellen Kursen - und auch das Ratgeberbuch "Keine Angst mehr hinterm Steuer".
"Angstgedanken muss man mit anderen besprechen, die kann man nicht mit sich selbst ausmachen", weiß Müller.

In seine "Angsthasen-Runde" kommen jeden Monat rund zehn Schüler, die über ihre Probleme und Katastrophengedanken reden wollen. "Ein Katastrophengedanke ist einer, bei dem der Fahrer denkt, es passiert das nächste Mal etwas ganz Schlimmes, er verletzt vielleicht einen Fußgänger schwer. Dabei hat er beim Ausparken nur einen kleinen Kratzer verursacht.

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Diese Personen vermeiden dann das Fahren komplett", sagt der Diplom-Soziologe. Es seien deshalb auch weniger Fahranfänger, die seinen Rat suchen, sondern Autofahrer zwischen 30 und 60 Jahren. Rund 90 Prozent davon seien Frauen.

Bundesweit gibt es nur wenige Fahrschulen, die besondere Programme für ängstliche Schüler entwickelt haben. In einer davon ist Alexandra Bärike aus Köln tätig. Die Diplompsychologin und Fahrlehrerin arbeitet mit Personen, die unter Ängsten, Panik oder Schwindel und Gefühlen von Kontrollverlust beim Autofahren leiden.

Fahrlehrerin und Fahrpädagogin Maria Steinweg bietet in Hamburg ähnliche Kurse an. Auch der ADAC Berlin-Brandenburg hat ein spezielles Angebot gegen Angst vor dem Autofahren im Programm.

Fahrlehrer Müller rät ängstlichen Autofahrern, sich ein Übungsprogramm gegen Nervosität zuzulegen. "Während der Fahrt kann man laut reden, auch wenn man alleine im Auto sitzt, das beruhigt den Atem und bringt den Verstand zurück.

Auch der Gedanke an ein schönes Erlebnis kann die Angst eindämmen. Frische Luft, eine Fruchtsaftschorle und Muskelentspannungsübungen können helfen, ruhiger zu werden", sagt Müller. Wenn es möglich ist, sollten verunsicherte Fahrer nicht mehr alleine im Auto sitzen. Oft hilft eine Vertrauensperson, die das Verhalten beobachtet, kommentiert, aber auch ermuntert und lobt, damit der Fahrer an sich selbst glaubt.

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Für Sven Rademacher vom DVR ist die Ausprägung der Angstzustände entscheidend: "Es gibt Möglichkeiten, sich auch therapeutisch helfen zu lassen, um zu klären, was genau die Angst verursacht. Nimmt die Angst das Ausmaß von Panikattacken an, ist therapeutische Begleitung sicherlich unabdingbar."

Ansonsten gebe es auch die Möglichkeit, eine Fahrschule aufzusuchen und mit dem Fahrlehrer als Profi an der Seite genau die Verkehrssituationen zu üben, die Angst machen.

Für Fahrlehrer Müller ist wichtig, die Probleme offen anzusprechen. Dass es nicht immer tragisch ausgehen muss, wenn man die Pedale vertauscht und statt zu bremsen beschleunigt. Oder etwa das Auto an der Ampel abwürgt. "Wir üben das korrekte Verhalten", sagt er.

Doch das nimmt die Angst nicht ganz, weshalb auch ganz bewusst Fehler geübt werden, um sie zu korrigieren. "Dann merken die Schüler, dass es gar nicht so schlimm ist", sagt der Fahrlehrer. Nur bei starken Panikattacken, die theoretisch zum Entzug der Fahrerlaubnis führen könnten, schickt er seine Schüler zu einem Therapeuten.

Wenn Müller merkt, dass Schüler bei der Fahrt sehr nervös werden, lässt er sie anhalten und spricht mit ihnen. "Bei den Stunden für Fahrängstliche fahren wir ungefähr die Hälfte der Zeit, die andere Hälfte reden wir über die Angstgedanken", sagt er. "Die Schüler sollen lernen, konstruktiver und optimistischer zu denken."

Dass ängstliche Menschen irgendwann ganz ohne Angst ein Auto bewegen können, glaubt Müller indes nicht. Vielmehr sei das Ziel, Ängste zu kontrollieren und damit gut umgehen zu können. Und dazu hilft nur:
üben, üben, üben.

(dpa)
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