Debatte um Lösungswege Warum Fahranfänger so gefährlich leben

Köln · Junge Autofahrer gelten als Hochrisikogruppe. Jetzt werden neue Ideen diskutiert, wie man dem Problem begegnen könnte – dabei geht es um Nachschulungen und auch ein Anfänger-Kennzeichen.

 Junge Autofahrer gelten als Hochrisikogruppe.

Junge Autofahrer gelten als Hochrisikogruppe.

Foto: Deutscher Verkehrssicherheitsrat

Junge Autofahrer gelten als Hochrisikogruppe. Jetzt werden neue Ideen diskutiert, wie man dem Problem begegnen könnte — dabei geht es um Nachschulungen und auch ein Anfänger-Kennzeichen.

Es ist eine bisher unendliche Geschichte: Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Fahranfänger und junge Fahrer im Allgemeinen die meist gefährdete Gruppe unter den Verkehrsteilnehmern sind. Fast ebenso lange wird diskutiert und debattiert, was man denn gegen diese Problem machen soll. Getan hat sich wenig: Dann und wann mal eine Aufklärungsaktion der Polizei vor der Dorfdisco, ein warnend erhobener Zeigefinger von Politikerseite. Doch nun kommt neue Bewegung in die Sache — schließlich haben Länder wie Österreich in der Zwischenzeit bewiesen, dass sich etwas gegen das Problem machen lässt.

Wie groß die Gefahr für junge Autofahrer ist, hat die Deutsche Verkehrswacht (DVW) zusammengefasst. Demnach zählt zwar nur jeder zwölfte Deutsche zu den 18- bis 25-Jährigen. In Hinblick auf den Straßenverkehr kommt jedoch jeder fünfte Getötete und Verletzte aus dieser Altersgruppe. Das größte Problem der jungen Fahrer ist die ungute Kombination aus Unerfahrenheit bei gleichzeitiger Risikobereitschaft — man kann hohe Geschwindigkeiten noch nicht einschätzen, kostet sie aber gern einmal aus, man hat noch nie erlebt, wie riskant Müdigkeit am Lenkrad ist, setzt sich daher auch noch nach langer Tanznacht hinter das Lenkrad.

"Das sind ja nicht alles Rowdys"

Um dem Problem zu begegnen sind laut dem Verkehrs-Psychologen Ulrich Chiellino vom ADAC verschiedene Wege möglich und vielleicht auch nötig. Chiellino kritisiert zum Beispiel, dass etwa Lehrer in der Schule oft gar nicht genügend geschult sind, um Jugendliche schon früh auf die Probleme des Verkehrsalltags vorzubereiten. Außerdem nimmt er die jungen Fahrer selbst in Schutz: "Das sind ja nicht alles Rowdys, sie sind einfach jung und unerfahren." Was vor allem dann zu einem Problem wird, wenn sie die ersten Male allein fahren dürfen und die damit verbundene Euphorie erleben — nicht umsonst gelten die ersten 10.000 Kilometer in einem Autofahrer-Leben als die gefährlichsten. "Diese Zeit und das euphorische Gefühl muss man begleiten und eventuell auffangen."

Dass sich hinter solchen Worten mehr verbirgt, als reines Wunschdenken, das hat laut Chiellino Österreich längst bewiesen. Dort hat man das alte Prinzip der Fahrausbildung grundsätzlich durch die Mangel gedreht und renoviert. Eines der wichtigsten Standbeine des neuen Systems ist die Mehrphasigkeit. Das bedeutet, dass ein Fahrschüler nach dem Erhalt der Fahrerlaubnis nicht einfach so in die Verkehrswelt entlassen wird.

Vielmehr steht danach noch eine sogenannte Rückmeldungsfahrt auf dem Programm, außerdem ist ein spezielles Fahrsicherheitstraining zu absolvieren, in dem Fahranfänger vor allem erleben, dass es Fahrsituationen gibt, die sich schwer oder gar nicht kontrollieren lassen. Das alles ist zudem mit einem Gespräch mit den Ausbildern kombiniert. Die Ergebnisse sind beachtlich, so Ulrich Chiellino: "Man hat einen Unfallrückgang in dieser Altersgruppe um bis zu 30 Prozent erreicht. Vor allem die besonders gefährlichen Alleinunfälle ohne Beteiligung anderer Verkehrssteilnehmer sind um mehr als 60 Prozent zurückgegangen."

Möglichst lange Vorbereitung

Einige Ideen für Deutschland orientieren sich an diesem und ähnlichen Vorreitern. So setzt Kay Schulte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat unter anderem auf lange Lernzeiträume und nicht eine möglichst schnelle Ausbildung in einer Fahrschule: "Ferienfahrschulen sind das wohl Kontraproduktivste, das es in diesem Zusammenhang gibt." Seiner Überzeugung nach ist der wirkungsvollste Weg zur Umkehr des Problems junger Fahrer eine möglichst lange Vorbereitung auf die erste Alleinfahrt — eine Idee wäre demnach die Ausdehnung des Prinzips Begleitetes Fahren ab 17 nach unten. Dass also Fahranfänger schon mit 16 ins Lenkrad greifen dürfen, wenn sie von einer erfahrenen Person begleitet werden.

Allerdings kann dieses Prinzip auch in Zukunft immer nur einen Option darstellen und nicht — wie teilweise gefordert — zur Pflicht aufsteigen. Denn, darauf weist auch Chiellino hin, nicht jeder junge Mensch hat die Möglichkeit, über zwei Jahre hinweg regelmäßig auf ein Fahrzeug und eine taugliche Begleitperson zurückgreifen zu können.

Eine weitere Idee zur Reduzierung der Unfallzahlen könnte die Kenntlichmachung eines von einem Fahranfänger gelenkten Fahrzeugs sein — so dass Verkehrsteilnehmer etwa durch einen Aufkleber wissen, dass der andere sich noch unsicher durch den Verkehr bewegt. Dabei geht es laut Kay Schulte jedoch nicht allein um die Markierung an sich, sondern auch darum, dass sich die erfahrenen Verkehrsteilnehmer auf den Anfänger einstellen. In Großbritannien sei so eine Kennzeichnung üblich — komme es zu einer Karambolage, müssten alle Beteiligten beweisen, dass sie selbst alle Möglichkeiten genutzt hätten, um den Zusammenstoß mit dem Anfänger zu verhindern.

Fahrstunden nach der Fahrprüfung

Insgesamt gibt es also genügend Ideen, mit dem Problem der Risikogruppe junge Fahrer umzugehen. Was nun auch in Deutschland zumindest langsam angegangen wird. So wurde beim Verkehrsgerichtstag in Goslar beschlossen, dass die Möglichkeit des Begleiteten Fahrens ab 16 geprüft wird. Der Vorschlag zur Einführung von Fahrstunden und Fahrtraining nach der eigentlichen Prüfung wie in Österreich fand jedoch keine Mehrheit und wird vorerst nicht weiter verfolgt.

(sp-x)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort