Ratgeber Was tun, wenn es im Ausland kracht?

Henstedt-Ulzburg/Berlin · Ein Verkehrsunfall ist immer ärgerlich - mindestens. Geschieht er im Ausland, kann es richtig kompliziert werden, denn es gelten andere Regelungen und Gesetze. Viele Versicherungen bieten hierfür Sonderpakete an, doch die sind nicht unbedingt sinnvoll.

Unfall - und jetzt? Was tun, wenn es kracht?
24 Bilder

Unfall - was tun, wenn es kracht?

24 Bilder
Foto: ddp

Die Reise im Internet ist fast gebucht, da schreit einem ein Werbebanner förmlich entgegen: "Wollen Sie wirklich auf Versicherungsschutz verzichten?" Viele Experten raten tatsächlich dazu, diese Frage mit "Ja" zu beantworten.

Zumindest, soweit es spezielle Urlaubspakete betrifft, die mehrere Versicherungen zusammenfassen. "Da werden oft Risiken versichert, die bereits durch andere Versicherungen abgedeckt sind", erläutert Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV).

Simone Weidner von der Stiftung Warentest sagt: "Da haben sie teilweise fünf Policen, bei denen sie gar nicht richtig durchblicken, und wenn Sie in die Details gehen, sind die Leistungen durch Obergrenzen und Selbstbehalte oft geringer und eingeschränkter als bei einer Einzelversicherung."

Was leistet eine Reiserücktrittversicherung?
8 Bilder

Was leistet eine Reiserücktrittversicherung?

8 Bilder

Genau hinzuschauen raten die beiden Expertinnen auch bei Versicherungsleistungen, die von Kreditkartenfirmen angeboten werden. Voraussetzung für den Versicherungsschutz sei nämlich fast immer, dass die Reise mit der Kreditkarte bezahlt wird. Und der Schutz sei oft weniger umfassend als bei einer regulären Versicherung.

Das gilt unter Umständen nicht für die Krankenversicherung. Zwar habe jeder Versicherte in Europa etwa nach einem Verkehrsunfall mit seiner Gesundheitskarte Anspruch auf eine Behandlung zum landesüblichen Standard, wie Simone Weidner erläutert. Und das auch in beliebten Reiseländern, die entsprechende Abkommen mit Deutschland abgeschlossen haben, etwa Israel oder die Türkei. Doch dieser Standard ist nicht immer das, was ein deutscher Patient sich wünscht.

Zudem kann es passieren, dass man an einen Mediziner gerät, der nur Privatpatienten akzeptiert. Deshalb rät die Redakteurin der Zeitschrift "Finanztest" zu einer Auslandsreise-Krankenversicherung. "Die muss nicht mehr als 10 Euro für Einzelpersonen oder 20 Euro für Familien kosten und gilt für mehrere Urlaube im Jahr."

Für Urlauber, die weiter weg fahren, etwa in die USA oder nach Australien, ist sie unentbehrlich. Die gesetzliche Kasse ersetzt nämlich auch nachträglich keinen Cent der dort entstandenen Behandlungskosten. Wobei diese "häufig deutlich höher als in Deutschland sind", wie Weidner sagt. Privat Krankenversicherte haben dagegen in den meisten Tarifen weltweit vollen Versicherungsschutz.

Doch auch die Privaten zahlen nicht immer für den Rücktransport nach Deutschland. Bei Reisekrankenversicherungen ist diese Leistung dagegen immer dabei, allerdings zeigten sich im aktuellen Test der Stiftung Warentest Unterschiede: Manche Versicherer zahlen nur, wenn es medizinisch notwendig ist, "das wird bei einem Krankenhausaufenthalt in Österreich eher nicht der Fall sein", so Weidner.

Bei anderen Versicherern ist der Rücktransport aber auch dann abgedeckt, wenn er "medizinisch sinnvoll und vertretbar" ist, so Weidner. "Das ist wichtig für Senioren, die sonst lange einsam in einem medizinisch gut ausgestatteten Krankenhaus liegen würden."

Medikamente – Diese gehören immer mit auf Reisen
Infos

Medikamente – Diese gehören immer mit auf Reisen

Infos
Foto: ABDA

Und auch wenn man sich darüber bei der Urlaubsplanung natürlich eigentlich keine Gedanken machen will: Reisekrankenversicherungen zahlen auch für die Überführung im Todesfall, im Durchschnitt bis 10.000 Euro, manche auch nur 5000 Euro.

Doch nicht nur die eigene Gesundheit ist bei Unfällen im Ausland in Gefahr. Wer gut geschützt sein möchte, sollte frühzeitig planen und Fristen beachten. "Ihren Verkehrsrechtsschutz müssen Sie mindestens drei Monate vorher abschließen", rät BdV-Fachfrau Boss, und dabei auf weltweiten Deckungsschutz achten. Eine Kfz-Vollkaskoversicherung nur für den Urlaub zu buchen, sei indes nicht möglich, da die Policen immer für ein ganzes Jahr gelten, wie Boss sagt.

Schutzbriefe, die Pannenhilfe oder ein Ersatzauto nach einem Motorschaden garantieren, könnten auch für die Dauer eines Urlaubs abgeschlossen werden, Wertersatz für den eigenen Wagen sei dort aber nicht enthalten. Und bei Reisen in exotische Länder müsse man sich unbedingt vorher informieren, ob die Versicherung dort überhaupt gelte. Sei dies nicht der Fall, helfe oft nur ein Versicherungswechsel, sagt Boss.

Im Ausland gelten oft niedrigere Deckungssummen, warnt Alina Schön, Sprecherin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Das bedeute, dass die Versicherung des Unfallverursachers unter Umständen nicht den kompletten Schaden am eigenen Auto erstatte. Für diese Fälle gebe es den Auslandsschadensschutz, der in die normale Kfz-Haftpflichtversicherung eingeschlossen werden könne, sagt Schön.

Die niedrigeren Deckungssummen bergen noch ein anderes Risiko: Bei einem Unfall mit Personenschäden oder erheblichen Sachschäden kann man als Verursacher trotzdem haftbar gemacht werden. Für diesen Fall empfehlen die Experten die sogenannte Mallorca-Police, die laut Bianca Boss eine Pauschaldeckung für Personen- und Sachschäden bis zu zehn Millionen Euro umfasst. Sie ist manchmal in der Kfz-Versicherung für das eigene Auto enthalten, kann aber auch kurzfristig abgeschlossen werden und kostet rund 20 Euro pro Monat, so Boss.

Wenn es tatsächlich zum Unfall kommt, kann der Europäische Unfallbericht helfen: Das ist ein in allen europäischen Sprachen erhältliches Formular, in dem Details zum Unfall und den Beteiligten notiert werden können. Es kann bei Versicherern oder Automobilclubs angefordert oder auf deren Internetseiten heruntergeladen werden.

Volker Lempp, Verkehrsjurist beim Auto Club Europa (ACE), warnt allerdings davor, den Unfallbericht überzubewerten: "Das ist kein offizielles Dokument." Ist man in einen Unfall verwickelt, gehe es vor allem um eine Entscheidung: "Nehme ich mir einen ausländischen Anwalt und versuche, alles vor Ort zu regeln, oder kümmere ich mich von Deutschland aus?"

Wenn jemand bei dem Unfall verletzt wurde, könne man nicht bis zur Rückkehr warten und sollte sich einen Anwalt nehmen. Da das Recht des Unfalllandes gelte, kenne er die Gesetze besser, sei von Deutschland aus aber schwerer erreichbar.

Ist der Unfall innerhalb der EU und in den Staaten des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) passiert, kann man die Dinge auch aus Deutschland über einen sogenannten Schadensregulierungsbeauftragten der gegnerischen Versicherung regeln.

Der Vorteil dieses in einer EU-Richtlinie vereinbarten Verfahrens: "Auch wenn die ausländischen Versicherung untätig bleibt, bekommen Sie nach spätestens fünf Monaten eine Entschädigung", so Lempp.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort