Revolution mit Rettungsleine

Das Elektroauto steckt in der Imagekrise, aber das elektrische Fahren kommt dennoch voran. Denn deutsche Autobauer bringen in diesem Jahr eine Flut von Plug-in-Hybriden auf den Markt und ebnen dem Akku-Antrieb so doch noch den Weg.

Der Preis zu hoch, die Reichweite zu gering und die Abstände zwischen den Ladesäulen zu groß: Die Elektromobilität will partout nicht richtig in Fahrt kommen. "Das Elektroauto steckt in der Imagefalle", hat der Zulieferer Continental bei einer repräsentativen Umfrage herausgefunden: Zwar sähen viele Autofahrer im E-Mobil ein umweltschonendes, vernünftiges Fahrzeug, aber die ohnehin eher mäßige Begeisterung lasse zusehends nach. Gegenüber der Vergleichsstudie von 2011 sei nur noch gut ein Drittel statt knapp der Hälfte der 16- bis 59-Jährigen mittelfristig zum Umstieg bereit.

Immer mehr kristallisiert sich der Plug-in-Hybrid als aussichtsreiche Brückentechnologie heraus. Als Revoluzzer mit Rettungsleine können diese Hybrid-Fahrzeuge an der Steckdose geladen werden, fahren nennenswerte Strecken rein elektrisch und kommen dank des zusätzlichen Verbrenners trotzdem auf alltagstaugliche Reichweiten. "Damit erschließen wir den Autofahrern die Vorzüge des Elektroautos, ohne dass wir ihnen die Sicherheit der Verbrenner nehmen", sagt Daimler-Forschungschef Thomas Weber. "Bis 2017 wird Mercedes rund zehn Modelle mit Plug-in-Antrieb einführen."

Den Anfang hat der Stuttgarter Hersteller im vergangenen Herbst mit der S-Klasse gemacht und in diesem Jahr geht es weiter: Auf der Motorshow in Detroit wurden Limousine und Kombi der C-Klasse mit Stecker vorgestellt, im Sommer folgt die modernisierte M-Klasse als GLE mit Plug-in-Technik. Und den GLK-Nachfolger GLC wird man ebenfalls recht bald gut 30 Kilometer elektrisch bewegen können, heißt es in Unternehmenskreisen. Ganz freiwillig ist dieser technisch aufwendige und deshalb teure Ausbau aber nicht: "Ohne einen Durchbruch werden wir unsere CO2-Vorgaben nicht erreichen", räumt Weber ein.

Kein Wunder, dass die anderen sogenannten Premium-Hersteller in Deutschland mit ihren großen, leistungsstarken und CO2-intensiven Flotten ins gleiche Horn stoßen. "2015 wird deshalb das Jahr der Plug-in-Hybride", sagt Automobilexperte Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. So hat Audi bereits den A3 Sportback e-tron am Start, der bis zu 50 Kilometer elektrisch fahren kann, und wird auch den neuen Q7 mit der Technik ausrüsten: 56 Kilometer elektrische Reichweite sollen den Normverbrauchswert des SUVs auf 1,7 Liter und den CO2-Ausstoß unter 50 Gramm pro Kilometer drücken. "Und alles, was danach kommt, wird zumindest für den Einbau der Plug-in-Technik vorbereitet", sagt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Dabei profitiert Hackenberg von der Basisarbeit, die er in seiner Zeit bei VW geleistet hat: "Dort haben wir einen Baukasten mit skalierbaren Komponenten entwickelt, aus dem wir die verschiedensten Modellreihen im Konzern bestücken können." Wie den Audi A3 gibt es deshalb in Wolfsburg als ersten Plug-in-Hybrid neben dem exotischen XL1 den Golf GTE.

Auch bei BMW werden die Hybride verstärkt an die Steckdose gehängt. Baukästen und Module sollen das beschleunigen, sagt BMW-Sprecher Ralph Huber und macht eine Aufzählung, die mit X5 und 3er beginnt und mit dem neuen 7er nicht zu Ende ist.

Während die vornehmen Vollsortimenter allerdings am meisten noch mit Ankündigungen beschäftigt sind, hat Sportwagenbauer Porsche längst gehandelt und nach dem 918 Spyder und dem Panamera zuletzt den Cayenne an die Steckdose gebracht.

Bei den Premium-Marken mag die Rechnung aufgehen, zumal die ihre Plug-in-Hybride mit Kampfpreisen in den Markt drücken. Nicht umsonst kostet beispielsweise die Plug-in-S-Klasse von Mercedes auf den Cent genauso viel wie ein S500 mit V8-Benziner, und der Porsche Cayenne Plug-in so viel wie ein vergleichbar kräftiger V8-Diesel. Doch bei Marken mit günstigeren Autos wird die Plug-in-Revolte so schnell nicht zünden.

"Für uns und unsere Kunden ist diese Technologie noch nicht vernünftig darstellbar", sagt Skoda-Chef Winfried Vahland. Solange Skoda seine CO2-Ziele auch mit konventionellen Motoren und Solarmodellen erreicht, sieht er keine Notwendigkeit für Plug-in-Modelle. Und selbst Hybrid-Pionier Toyota hält sich zurück: Nach wie vor gibt es den Prius als Plug-in nur in einer Kleinserie.

Auto-Experte Dudenhöffer glaubt zwar an eine große Plug-in-Welle in diesem Jahr. Aber für die Lösung der Probleme mit der Reichweite und der Ladeinfrastruktur zahle man einen hohen Preis: "Die Fahrzeuge haben durch die doppelte Motorisierung ein höheres Gewicht und klar höhere Kosten."

Auch Gert Lottsiepen vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) kann die Freude über den Zuwachs an der Ladesäule nur bedingt teilen: Er rechnet bis 2020 mit einem Plug-in-Anteil von 60 Prozent unter den Elektroautos, zweifelt aber an deren klimaschonender Wirkung. "Sie haben nur dann einen Sinn, wenn sie sowohl im Elektromodus als auch mit Verbrennungsmotor energieeffizient sind", mahnt Lottsiepen. Einem Golf GTE oder einem Toyota Prius will er das nicht absprechen. Aber für Autos wie den Panamera oder die S-Klasse lässt er das nicht gelten: "Dort ist der Hybridantrieb lediglich ein Alibi, um auf dem Papier einen günstigen CO2-Wert hinzukriegen." Ein Gutes jedoch haben in seinen Augen alle Plug-in-Modelle: Gut geeignet für Pendler in Ballungsräumen, könne man darin Erfahrung im Elektromodus sammeln und so mittelfristig die Akzeptanz für reine E-Autos erhöhen.

(RP)
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