Rollende Festungen für Merkel und Co.

Sonderschutzfahrzeuge bieten Politikern und Managern ein Plus an Sicherheit. Die gepanzerten Wagen haben aber ihren Preis - und ein Restrisiko bleibt immer.

Schüsse hallen durch den Raum, knallen auf die Karosserie. Über 250 Mal feuert ein Mitarbeiter des Beschussamtes mit einer Schießanlage auf das Auto, malträtiert Blech und Glas. Doch das Auto hält dem Angriff stand - es ist ein gepanzertes Fahrzeug.

Politiker, Diplomaten und Manager lassen sich in Sonderschutzfahrzeugen chauffieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt auf Audi A8 L Security, Mercedes S600 Guard und BMW 760Li High Security. Von außen sind die gepanzerten Autos kaum zu erkennen.

"Die Kernmärkte für Mercedes-Benz Guard-Fahrzeuge sind Lateinamerika, der mittlere Osten sowie die GUS-Staaten", sagt Markus Rubenbauer, Leiter Marketing und Vertrieb Sonderschutzfahrzeuge von Mercedes-Benz.

Der Hersteller ist der älteste und größte Anbieter von gepanzerten Fahrzeugen. Bei den ersten Sonderschutzfahrzeugen der Baureihe Nürburg 406 aus den späten 1920er Jahren schoben die Insassen noch Stahlplatten vor die Scheiben, um sich vor Kugeln zu schützen. Der japanische Kaiser Hirohito konnte sich dann ab 1930 in einem speziell gepanzerten Großen Mercedes sicher fühlen.

Derzeit gibt es die Modellreihen E, G, M und S mit besonders dickem Blech. "Im Prinzip gibt es keine spezifischen Anforderungen für die Basis eines Sonderschutzfahrzeuges. Sie sollte allerdings ausreichend motorisiert sein, um schnell aus einer eventuellen Gefahrenzone bewegt werden zu können", sagt Rubenbauer. Um das Gewicht der Panzerungen bewältigen zu können, müssen die Fahrzeuge größer dimensionierte Bremsen haben und an Federn und Dämpfern stärker ausgelegt sein - selbst wenn neben dickem Panzerstahl auch leichter Kevlar zum Einsatz kommt.

Wiegt ein konventioneller Mercedes S600 knapp 2,2 Tonnen, kommt das Sicherheitsfahrzeug Guard auf rund 4,1 Tonnen. Deshalb kommen für Sonderschutzfahrzeuge eher große Limousinen und Geländewagen in Frage.

Audi bietet die Oberklasselimousine A8 L als Sonderschutzfahrzeug an, wahlweise mit V8- oder V12-Ottomotor. Als Schutz dienen Panzerstahl, Aramidgewebe und Keramik an der Außenhaut. Der Fahrzeugboden ist aus einer speziellen Aluminium-Legierung gefertigt, und die Scheiben sind aus Spezialglas mit einer splitter-hemmenden Polycarbonat-Schicht. So erreicht der Audi die Schutzklasse VR7.

Die Abkürzung bedeutet Vehicle Resistance Class und bezeichnet die Widerstandsfähigkeit des Fahrzeuges, die nach der Richtlinie "Durchschusshemmende Fahrzeuge" BRV 2009 getestet werden. Insgesamt gibt es die zehn Klassen VR1 bis VR10.

Zur Zertifizierung kontrollieren die Mitarbeiter des Beschussamtes das Fahrzeug schon im Rohbau, um Schweißnähte und Überlappungen am nackten Blech zu analysieren. Audi und Mercedes rüsten ihre Sonderfahrzeuge nicht nach, sie bauen sie in einer eigenen Abteilung von der Grundkarosserie selbst auf. "Audi-Fahrzeuge werden bereits im Entwicklungsprozess auf die mit der Panzerung verbundenen Eigenschaften hin betrachtet und nachfolgend in der Produktion entsprechend modifiziert", sagt Fritz Pakleppa von Audi Security Cars International.

Das fertige Auto wird durch eine Präzisionsmaschine an bestimmten Stellen beschossen. Dazu zählen vor allem Stellen wie Türspalte, Rahmen, Verschraubungen und das Glas, wie ein Mitarbeiter des Beschussamtes Ulm erläutert. Erst wenn alle kritischen Punkte die Kugeln aufhalten, gibt es eine amtliche Zertifizierung nach DIN oder Euronorm (EN).

Das Blech von Fahrzeugen mit VR4-Einstufung muss dabei aus fünf Metern Entfernung einer 44er Magnum-Revolver-Kugel standhalten. VR6 und VR7 müssen Kugeln aus einem zehn Meter entfernten Sturmgewehr mit einer Geschossenergie zwischen 2074 Joule und 3289 Joule aushalten. Dazu zählen die Gewehre Heckler&Koch G3, M16 oder die AK-47.

"Die Schutzklassen VR7 oder VR9 sind für Personen mit permanentem Schutzbedarf geeignet, dazu zählen unter anderem Staatsmänner, Diplomaten und Top-Manage", sagt Mercedes-Fachmann Rubenbauer. Der neue Mercedes S600 Guard ist das erste Serienfahrzeug, das die Beschussklasse VR9 erfüllt. Dadurch haben auch Stahlhartkern-Patronen mit einer Einschlaggeschwindigkeit von 820 Metern pro Sekunde - das sind 2952 km/h oder Mach 2,3 - keine Chance, ins Innere zu dringen. Die besondere Sicherheit kostet natürlich: Zum Basispreis des Mercedes S600 mit langem Radstand von 165 000 Euro kommen noch rund 230 000 Euro für den Schutzumfang hinzu.

Absolute Sicherheit gibt es dennoch nicht, wie ein Mitarbeiter des Beschussamtes Ulm sagt. Dauerbeschuss aus einem Maschinengewehr, einer Panzerfaust oder einer Rakete halte auch die höchste Sicherheitsstufe nicht aus - zumindest nicht bei einem Fahrzeug auf Basis eines Autos. US-Präsident Barack Obama lässt sich deshalb von einem umgebauten acht Tonnen schweren Pick-up chauffieren.

(RP)
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